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Wirtschaft: „Die Hartz-Reformen reichen nicht aus“

Herr Schmid, warum sind Langzeitarbeitslose in Deutschland viel länger ohne Job als in anderen EULändern? Erstmal muss genug Arbeit da sein, die vermittelt werden kann.

Herr Schmid, warum sind Langzeitarbeitslose in Deutschland viel länger ohne Job als in anderen EULändern?

Erstmal muss genug Arbeit da sein, die vermittelt werden kann. Länder wie Dänemark, Schweden oder die Niederlande haben eine bessere Beschäftigungspolitik als wir. Dann kann man auch die Arbeitslosen strenger herannehmen.

Und das heißt?

Je länger Arbeitslosigkeit dauert, desto schlechter sind die Chancen, wieder einen Job zu finden. Darum machen Schweden oder Dänemark Arbeitslosen viel mehr Angebote als wir – kommunale Beschäftigungsmaßnahmen, Betriebspraktika, Weiterbildungsmaßnahmen, Teilzeitarbeit kombiniert mit Transferzahlungen. Das macht es einfacher, wieder in einen richtigen Job hineinzugleiten.

Mit der Arbeitsmarktreform müssen Arbeitslose hier jeden Job annehmen, der zumutbar ist. Hilft das beim Wiedereinstieg?

Nein. Es bringt überhaupt nichts, Arbeitslose zum Parksäubern zu schicken. Sinnvoller wäre es, wenn der Staat neue, dauerhafte Arbeitsplätze bei der Betreuung von Kindern unter Drei und in Ganztagsschulen schaffen würde. Außerdem brauchen wir eine systematische Nachqualifizierung für ältere Arbeitnehmer. Wenn sie ihren Job verlieren, haben sie kaum eine Chance, einen neuen zu finden.

Wie soll das funktionieren?

Staat, Sozialpartner, Betriebe und die Bundesagentur für Arbeit sollten sich zu einem Bündnis für Weiterbildung zusammenschließen. Man könnte darüber nachdenken, bei Tarifverträgen 0,5 Prozent der Lohnsteigerung für Weiterbildung zu reservieren. Staat und Bundesagentur könnten dann einen entsprechenden Anteil zur Finanzierung beitragen.

Das alles kostet viel Geld, auch in Form von Kaufkraft. Wer soll das bezahlen?

Gut – Weiterbildung bedeutet erst mal Konsumverzicht, ist aber eine Investition in die Zukunft, die sich auszahlt. Wir brauchen auch eine neue, große Investitionsoffensive der öffentlichen Hand. Durch die Effizienzsteigerung infolge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wird Geld frei. Das sollte genutzt werden, um auf der Förderseite nachzulegen – und zwar möglichst bald. Ich sehe auch Finanzierungsspielraum im Schließen von Steuerschlupflöchern.

Wie viele der mehr als zwei Millionen Langzeitarbeitslosen werden durch die Reform einen neuen Job finden?

Das wage ich nicht vorauszusagen. Aber in zwei bis drei Jahren wirkt die Reform.

Reichen die Hartz–Reformen aus?

Wir brauchen massiv ergänzende Maßnahmen. Neben der Investitions- und Weiterbildungsoffensive müssen wir dafür sorgen, dass die Steuer- und Abgabenlast für Niedrigeinkommen deutlich sinkt. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass das helfen kann, mehr Arbeit zu schaffen. Wenn dann noch die Konjunktur in Schwung kommt, zahlt sich das aus. Aber wir brauchen Geduld.

Das Gespräch führte Maren Peters.

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