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Wirtschaft: Die „Heuschrecken“ wehren sich

Bei Beteiligungen wurden auch neue Jobs geschaffen/Grüne nehmen die Wirtschaft in Schutz

Berlin/BadenBaden - Die großen, zumeist amerikanischen Finanzinvestoren reagieren irritiert auf die anhaltende Debatte in Deutschland über „Heuschrecken“, die Unternehmen angeblich nur aufkaufen, um sie zu zerschlagen und auszuweiden. Die Investmentfirmen halten sich mit öffentlichen Kommentaren aber zurück, nachdem am Wochenende etwa der Vorstandschef von WCM, Roland Flach, noch gesagt hatte, die Müntefering-Äußerungen hätten keine Auswirkungen auf das Investitionsverhalten; dazu seien sie zu unsinnig.

Am Montag hieß es bei einer der größten Private-Equity-Gesellschaften: „Wir haben die Nase voll, uns als Heuschrecken denunzieren zu lassen.“ Man sei „schockiert, dass inzwischen Steckbriefe von Fonds-Chefs wie bei der Terror-Fahndung kursieren“.

„Wir beteiligen uns nicht an einer Wahlkampfdiskussion“, erklärte ein anderer Fonds-Vertreter die Zurückhaltung. Er glaube, dass die „Diskussion am Wochenende ihren Zenit erreicht hat“.

So hatte etwa der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel davor gewarnt, einzelne Unternehmer an den Pranger zu stellen. Auch die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, nahm die Wirtschaft am Montag vor überzogener Kritik in Schutz. „Firmen müssen Gewinne machen dürfen, sonst gibt es keine Jobs.“ Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte zu mehr Sachlichkeit auf. „Wir haben Bedarf an internationalem Kapital.“ Er könne nicht empfehlen, dass aus dem internationalen Kapitalverkehr ausgestiegen werde, sagte Clement am Montag auf der Geschäftsführerkonferenz der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Baden-Baden. Auch BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner warnte vor einer Pauschalkritik. „Wir brauchen Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Deutschland, und gerade der Mittelstand braucht sie,“ sagte Göhner. Er forderte SPD-Chef Franz Müntefering auf, den Begriff der Heuschrecken zurückzunehmen, weil dieDebatte dem Standort Deutschland schade.

Private-Equity-Firmen sammeln Kapital von Privatanlegern, um andere Unternehmen zu kaufen, zu sanieren oder zu zerschlagen und mit Gewinn weiterzuverkaufen. Dass ihr Engagement auch positiv für Fiskus, Mitarbeiter und beteiligte Aktionäre ausfallen kann, zeigt etwa das Beispiel Wincor-Nixdorf – obwohl gerade diese Firma an prominenter Stelle in einem SPD-Fraktionspapier über die negativen Seiten von Private-Equity-Firmen auftaucht. An der ehemaligen Siemens-Tochter Wincor Nixdorf war der US-Investor KKR bis Januar 2005 insgesamt fast fünfeinhalb Jahre beteiligt. In dieser Zeit wurde die Zahl der Beschäftigten auf weltweit 6300 nahezu verdoppelt. Auch bei der Werkstatt-Kette ATU, die seit knapp einem Jahr KKR gehört, wurden 2004 knapp 1000 Stellen geschaffen.

Insgesamt stiegen Beteiligungsfirmen im vergangenen Jahr bei 61 deutschen Unternehmen für insgesamt 20 Milliarden Euro ein. Experten schätzen, dass die großen US-Fonds erst am Anfang ihres Engagements in Deutschland stehen. So wurde am Montag Abend bekannt gegeben, dass sich der US-Investmentfonds Texas Pacific Group (TPG) an dem Mobilfunkdienstleister Mobilcom beteiligt hat. TPG kaufte France Télécom ihre Beteiligung an Mobilcom von 27,3 Prozent für 265 Millionen Euro ab.

Die privaten Banken, die ebenfalls in die Kritik geraten waren, wollten sich aus der Diskussion heraushalten. Ihnen war vorgeworfen worden, manches Unternehmen durch ihre rigide Kreditvergabe in die Arme von Private-Equity-Firmen getrieben zu haben. Laut der Deutschen Bundesbank gibt es jedoch keine wirkliche Kreditklemme. Ein Rückgang des Kreditvolumens sei vor allem auf eine geringere Nachfrage zurückzuführen. hop/mod/mot

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