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Wirtschaft: Die Insel lockt mit Niedriglöhnen

Wer heute durch die Grafton Street schlendert, die quirlige Einkaufsmeile der irischen Hauptstadt Dublin, kann sich kaum vorstellen, daß dieses Land vor wenigen Jahrzehnten noch zu den Armenhäusern Europas zählte.Ein nobles Geschäft reiht sich ans andere, edle Marken buhlen um die wohlhabende Kundschaft, dazwischen locken Filialen aller großen britischen Handelsketten.

Wer heute durch die Grafton Street schlendert, die quirlige Einkaufsmeile der irischen Hauptstadt Dublin, kann sich kaum vorstellen, daß dieses Land vor wenigen Jahrzehnten noch zu den Armenhäusern Europas zählte.Ein nobles Geschäft reiht sich ans andere, edle Marken buhlen um die wohlhabende Kundschaft, dazwischen locken Filialen aller großen britischen Handelsketten.Ähnlich ist das Bild, wenn man sich die Wirtschaftsförderungsgebiete anschaut, die rund um Dublins Innenstadt entstanden sind.Zahlreiche ausländische Firmen sind mit Neubauten vertreten, vor allem High-Tech-, Informations- und Finanzunternehmen.Der anhaltende Boom hat Irlands Erscheinungsbild im ganzen Land verändert.Auch in Limerick im Westen und Cork im Süden ist zu spüren, wieso das kleine Land am Rande Europas seit einigen Jahren als "europäischer Tiger" gilt.

Irlands Volkswirtschaft floriert: Jährliche Steigerungsraten zwischen sieben und zehn Prozent sorgten seit Anfang der 90er Jahre dafür, daß das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von 72 Prozent des EU-Durchschnitts im Jahre 1990 auf 104 Prozent im vergangenen Jahr hochschnellte, so das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW).Dazu haben die umfangreichen Finanzspritzen aus Brüssel beigetragen, die die kleine Republik zur größten EU-Nutznießerin machten.Die jährlichen Finanztransfers tragen zwischen vier und sieben Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.Mehr als fünf Mrd.DM fließen Jahr für Jahr aus dem EU-Strukturhilfefonds in die irische Republik.Wesentlicher Grund für den irischen Boom: Irland investiert die EU-Hilfen vorausschauend in die Infrastruktur und in die Ausbildung seiner Menschen.Jetzt kann es ausländische Investoren mit besonders qualifizierten Arbeitskräften anlocken.Gleichzeitig liegen die Standortkosten - Arbeitskosten und Steuern - weit unter dem Niveau der meisten anderen Staaten der EU: Die Arbeitsstunde kostet umgerechnet 22,40 DM - weniger als die Hälfte der deutschen.Der Körperschaftsteuersatz beträgt in ausgesuchten Regionen der Insel nur zehn Prozent, sonst 36 Prozent.

Diese Angebote ziehen auch deutsche Unternehmen auf die grüne Insel.So haben Bertelsmann und Lufthansa in den vergangenen Jahren in zwei Call Centre investiert."Nirgendwo in Europa bekommen wir so hochqualifizierte Mitarbeiter zu einem vernünftigen Einkommensniveau wie in Irland", sagt Ulrike Grünrock-Kern, Sprecherin von Bertelsmann.Der Gütersloher Konzern beschäftigt in Dublin nach eigenen Angaben mehr als 600 Mitarbeiter.Über die Hälfte arbeitet als Kundenbetreuer bei den zu Bertelsmann gehörenden Firmen AOL und Compuserve, 240 Mitarbeiter stellen CDs für den schnell wachsenden Software-Markt her.Dem irischen Ruf folgte auch die Lufthansa, die Ende des vergangenen Jahres in Dublin ein Call Center für telefonische Buchungen eröffnete.Derzeit arbeiten dort nach Angaben von Lufthansa 150 irische Mitarbeiter mit Deutschkenntnissen.

Ein Ende des irischen Wirtschaftsbooms scheint derzeit nicht absehbar.Obwohl 1999 angesichts der wirtschaftlichen Erfolge mit einem Rückgang der EU-Zahlungen zu rechnen ist, gehen Experten von einem anhaltenden Wachstum aus.

LARS VON TÖRNE

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