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Wirtschaft: Die Investitionen für die Expo 2000 fließen in die falsche Richtung

HANNOVER .Birgit Breuel hatte gerade die ersten 100 Tage in der Expo-Geschäftsführung hinter sich, als im September vorigen Jahres die Nachricht aus Bonn kam: Finanzminister Theo Waigel lehnte es ab, die Expo 2000 Hannover GmbH von der Umsatzsteuer zu befreien.

HANNOVER .Birgit Breuel hatte gerade die ersten 100 Tage in der Expo-Geschäftsführung hinter sich, als im September vorigen Jahres die Nachricht aus Bonn kam: Finanzminister Theo Waigel lehnte es ab, die Expo 2000 Hannover GmbH von der Umsatzsteuer zu befreien.Damals, so sagt sie heute, habe sie "falsche Rücksichtnahme gegenüber der Politik" geübt.Für die Organisatoren der Weltausstellung wäre es an der Zeit gewesen, mehr Geld zu fordern.Seit Hannover 1990 den Zuschlag für die erste Weltausstellung in Deutschland bekam, ist das Konzept ausgeufert.Dabei galt für Breuel, die noch als niedersächsische Ministerin an der Expo-Bewerbung beteiligt war, am Anfang: "Innerhalb des Zaunes kann sich die Weltausstellung selbst finanzieren."

Doch die Pläne wurden weit über den Geländezaun hinausgetrieben.Das Thema "Stadt und Region als Exponat" kam ins Programm und wurde als Symbol der "Expo neuen Typs" gefeiert.Integriert in den Alltag, sollen über das Land verteilt zukunftsträchtige Projekte gezeigt werden.Was als lebendige Präsentation gedacht war, artete zur Regionalförderung aus.

Die Expo-Gesellschaft ist mit insgesamt 100 Mill.DM dabei, wenn Wolfsburg eine Recycling-Anlage baut und Lahstedt ein Pflanzenklärwerk, wenn Einbeck einen naturnahen Wasserkreislauf präsentiert und Hameln ein vorbildliches Wohngebiet.Allein die Projekte der Landeshauptstadt werden mit einem zweistelligen Millionenbetrag bezuschußt.Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg vertritt die Interessen seiner Stadt so wirkungsvoll, daß ihn Gerhard Schröder im Expo-Aufsichtsrat bremste: Der Parteifreund solle einsehen, daß es nicht um den Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" gehe.

In jedem Fall wird das "Dorf Hannover" wirtschaftlich attraktiver.Nach der Expo will die Stadt aus dem Ausstellungsgelände ein Gewerbegebiet machen.Erschlossen hat es für 100 Mill.DM die Expo-Gesellschaft, die es, wie ein Sprecher sagt, "besenrein" an die Stadt übergeben wird.Dafür brauchen die Veranstalter während der Expo keine Miete zu zahlen.Zu den großen Nutznießern der Expo gehört auch die Deutsche Messe AG, die von Breuel allerdings auch stets als große Hilfe gelobt wird.In die Modernisierung des Messegeländes, das für die Weltausstellung mitgenutzt wird, investiert die Expo 570 Mill.DM.Die Messe AG bekommt damit neue Hallen praktisch zum halben Preis.Rund 150 Mill.DM wird die Expo noch für die Geländenutzung lockermachen.

Spätestens als die Pläne von Konkurrenzveranstaltungen in London und Paris bekannt wurden, wurde klar, daß Deutschland sein Expo-Geld statt in Kläranlagen in Publikumsattraktionen stecken sollte, um die geplanten 40 Mill.Karten zu verkaufen.Eine Steuerbefreiung hätte nach ihrer Rechnung rund 300 Mill.DM gebracht.Doch dieser "Weg ist nicht akzeptiert worden".Nun sollen Konzerte, Shows und Paraden dafür sorgen, daß zwischen den anspruchsvollen Themen die Unterhaltung nicht zu kurz kommt.Die Projekte "jenseits des Zaunes" dafür aufzugeben, freilich steht offenbar nicht zur Debatte.

STEFAN WINTER, HB

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