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Wirtschaft: Die Job-Quelle

Kurz vor der Wahl stellt Wowereit 1000 neue Arbeitsplätze in Aussicht. Es geht um ein Callcenter

Berlin – Die Versandhandelssparte von Karstadt-Quelle will ihre Callcenter-Kapazitäten in Berlin ausbauen. Für die telefonische Kundenbetreuung sollen rund 1000 neue Jobs entstehen. Die endgültige Entscheidung fällt in den nächsten Wochen, erfuhr der Tagesspiegel von informierter Seite. Dennoch brüstet sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der am Sonntag wiedergewählt werden will, bereits damit. „Demnächst wird ein Investor weitere 1000 Arbeitsplätze bringen“, sagte er in einem Streitgespräch mit seinem Herausforderer Friedbert Pflüger (CDU) – ohne allerdings Ross und Reiter zu nennen.

Auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) wollte nicht konkret werden. „Es tut sich etwas“, sagte am Dienstag lediglich. Den geplanten Callcenter-Ausbau von Karstadt-Quelle wollte er nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. Dass die Branche eher niedrige Löhne zahle, sei kein berechtigter Einwand: „Jeder Arbeitsplatz ist gut für Berlin“, sagte Wolf dieser Zeitung.

Karstadt-Quelle äußerte sich ebenfalls zurückhaltend. „Wir prüfen zurzeit, ob und wie wir unser Engagement am Standort Berlin ausweiten“, sagte der für den Versandhandel zuständige Sprecher Gerd Koslowski in Fürth. Das Unternehmen betreibt in der Hauptstadt bereits ein Quelle-Callcenter mit 300 Beschäftigten in Friedrichshain. Nach Informationen des Tagesspiegels geht es in den Verhandlungen über die zusätzliche Ansiedlung vor allem um Details des Mietvertrags.

Der Versandhandel bei Karstadt- Quelle läuft derzeit nicht sehr gut. Vor einem Monat meldete der Essener Konzern, der operative Verlust im Versandhandel (Quelle, Neckermann) habe sich im ersten Halbjahr auf 52,6 Millionen Euro verdreifacht. Die Nachricht ließ den Aktienkurs kurzzeitig um 22 Prozent absacken. Künftig sollen mehr Waren über Spezialkataloge, über das Internet und ins Ausland versendet werden. Außerdem setzt der Konzern auf seine noch frische Allianz mit dem Handelshaus Li & Fung aus Hongkong. Für die Sanierung des Versandhandels, wo Arbeitsplätze in der Logistik und im Service auf dem Spiel stehen, will der Vorstand 200 Millionen Euro ausgeben.

Ob der geplante Ausbau in Berlin zu einem Abbau an anderer Stelle führt, war am Dienstag nicht zu erfahren. An der Ansiedlung ist auch die Berliner Wirtschaftsförderung Berlin Partner beteiligt. Dort wollte man sich nicht konkret äußern. Man habe „eine Reihe von Investoren-Zusagen“, gebe aber über laufende Projekte keine Auskünfte, sagte Sprecherin Christina Hufeland. Neue Arbeitsplätze gebe es in Berlin vor allem in der Dienstleistungsbranche. Bis Ende des Jahres wolle die Berlin Partner Unternehmensansiedlungen betreuen, die 3500 bis 4000 Arbeitsplätze brächten. Im vergangenen Jahr habe Berlin Partner 75 Ansiedlungs- und Expansionsprojekte mit rund 3300 Arbeitsplätzen unterstützt.

Das Geschäft der Callcenter, die häufig niedrige Löhne zahlen, ist eine der wenigen Branchen, die in der Hauptstadtregion boomen. In Berlin sind gut 12 000 Menschen in 171 Callcentern beschäftigt, in Brandenburg sind es knapp 8000 Beschäftigte in 60 Callcentern. Damit hat sich die Zahl der Unternehmen dieser Branche in der Region seit Anfang der 90er Jahre nahezu verzehnfacht.

Die Gewerkschaft Verdi ist über diese Entwicklung nicht nur glücklich. In einer aktuellen Untersuchung über den Niedriglohnbereich in Berlin und Brandenburg wird die Callcenter-Branche als eines von fünf Negativbeispielen benannt. Berichtet wird darin unter anderem von einem in Frankfurt an der Oder abgeschlossenen Firmentarifvertrag, der einen Grundlohn von 5,11 Euro pro Stunde festschreibt.

Sabine Beikler u. Moritz Döbler

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