zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Die Kassen sollen klingeln

Milliardenumsätze mit Handy-Klingeltönen machen Musikfirmen Hoffnung

– aber der Wettbewerb tobt

Illegale Internet-Downloads sorgen für Tristesse im Musikgeschäft. Doch bei den Plattenbossen keimt Hoffnung, dass die Branche auf eine neue Goldader gestoßen ist: Klingeltöne. In Deutschland werden sie mittlerweile in größerer Stückzahl verkauft als Singles. Jeder zehnte der 65 Millionen Mobiltelefonbenutzer hierzulande lädt sich ab und zu Musik auf sein Handy.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurde mit Klingeltönen bereits 6,4 Prozent des Gesamtumsatzes des Musikmarktes generiert, wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) festgestellt hat. „Wir haben noch nie einen Markt gesehen, der sich so schnell entwickelt“, sagt Hartmut Spiesecke vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft.

Auch weltweit boomt das Geschäft mit der mobilen Musik: Experten schätzen den Umsatz mit Klingeltönen im Jahr 2003 auf zwei bis drei Milliarden Euro. „Das ist der erste Markt im digitalen Bereich, der richtig Geld einbringt“, sagt Heinz Stroh, Geschäftsführer des Deutschen Musikverleger-Verbands (DMV).

Die Firma Jamba aus Berlin-Kreuzberg erkannte den Trend schon früh. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen im vergangenen Jahr zehn Millionen Klingeltöne verkauft – für rund zwei Euro für jeden Download der 30-sekündigen Soundschnipsel. „Die Wachstumsraten liegen im dreistelligen Bereich“, sagt Jamba-Sprecher Tilo Bonow. Andere Anbieter verlangen teilweise drei Euro und mehr für die Handymelodien. „Klingeltöne sind einfach angesagt, deshalb zahlen die Leute fast jeden Preis“, sagt Hartmut Spiesecke vom Phonoverband.

Von den Einnahmen mit monotonen und polyphonen (also mehrstimmigen) Klingeltönen behält der Anbieter rund 40 Prozent. Rund 20 Prozent gehen an die musikalische Urhebergesellschaft Gema, und den Rest erhält der Mobilfunkbetreiber. Für die Musikkonzerne bleibt da fast nichts übrig. Doch das Geschäft mit den Klingeltönen ist nur ein erster Schritt auf einem Markt, den die großen Plattenfirmen als wahre Goldgrube ausgemacht haben. „Richtig lukrativ wird das Geschäft für die Musik-Labels erst mit den Realtones, also originalen Ausschnitten aus den Songs und den Real-Back-Tones“, wie Roman Friedrich von der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton sagt. Der Musikmarkt steht vor einer Neuordnung: „Bei den Musik-Labels wird heftig gewerkelt und lizensiert“, heißt es bei der Beratungsfirma AT Kearney. „Das Bärenfell wird neu zerlegt.“ Es gebe heftigen Streit zwischen der Urhebergesellschaft Gema und den Konzernen, die sich künftig mehr als 50 Prozent der Erlöse an einem Song sichern wollen. Die Gema verzeichnete zwischen 2002 und 2003 einen Anstieg der Einnahmen aus dem Geschäft mit Klingeltönen von 300 Prozent.

Realtones klingeln in MP3- oder sogar in CD-Qualität. Bis ein Mobiltelefon wie ein CD-Player klingt, wird es aber noch dauern: Das Siemens SX1 und das Nokia 7600 spielen heruntergeladene Musik mit 32 Kilobit pro Sekunde ab, was so klingt, als höre man eine Kassette mit der Technik des Jahres 1978. „Bei einem Ring-Back-Tone hört der Anrufer statt eines Piepens Musik, bis der Adressat seines Anrufs abhebt“, erklärt Stroh vom DMV. Dieser Markt wird bis 2007 allein in Deutschland auf ein Volumen von 237 Millionen Euro wachsen, prognostiziert Booz Allen Hamilton.

Mit „Super Smart“ gibt es auch die erste Band der Welt, die ihre Songs nur fürs Handys komponiert und anbietet: Das Album „Panda Babies“ wurde bislang rund 42000 mal verkauft. Nur eines kann die Hoffnung der Branche trüben: Wie beim Download aus dem Internet stehen auch bei den Klingeltönen die Piraten mit ihren illegalen Tauschplattformen schon in den Startlöchern.

Fritz Niemann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false