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Wirtschaft: Die Kräne drehen sich

Der Boom in der Golfregion ist nicht vorbei: Ex-Kolumnist Tewe Pannier über die Finanzkrise

Lange schlug mir der blanke Neid entgegen. Da lebte ich also in Saus und Braus in Dubai, im Epizentrum eines Megabooms und musste die Millionen ja nur so reinschaufeln. Seit einigen Wochen ist das anders. Nun ist es Mitleid, manchmal Häme. Die Blase sei ja wohl geplatzt, heißt es dann von Gesprächspartnern aus Deutschland. Die „Palme“, eine künstliche Insel, stehe ja wohl leer. Die Baukräne – sie drehen sich ja gar nicht mehr. Die Milliarden der Scheichs, sie sprudeln wohl nicht mehr so.

Dabei gibt es in Dubai und drumherum in der Krise Gewinner weit und breit. Meine Frau und ich gewannen Nachtruhe. Niemand hämmert mehr auf Stahl, kein Kranführer bekommt seine Anweisungen heraufgebrüllt, der Beton wird nicht mehr die ganze Nacht gepumpt. Morgens, wenn ich die Schlafzimmervorhänge im 21. Stock zurückziehe, blicke ich auf die Baustelle des Nachbarturms, der sich 16 Stockwerke zu uns raufgearbeitet hatte, und sehe: Die Baustelle ruht, dem Bauherrn fehlt das Geld.

Auch die Umsätze der Parkplätze an den Flughäfen sind stabil. Hunderte neue Langzeitparker! Es sind die entlassenen White Collar Worker: Ingenieure, Banker, Finanzberater, die ihren kreditfinanzierten Lexus, Audi oder Cadillac einfach am Airport stehen lassen, bevor sie den Heimflug antreten. Einer soll seine überreizten Kreditkarten und einen Zettel auf den Beifahrersitz gelegt haben: „Sorry, ich musste weg“, stand angeblich darauf.

Arbeitslose haben wir nicht. Dafür boomen Charter- und Budget-Airlines: Zigtausende Arbeiter bekommen von den Baugesellschaften ihr letztes Ticket nach Hause: One Way nach Indien, Sri Lanka oder Pakistan. Wer den Job verliert, verliert auch die Aufenthaltserlaubnis.

Said – Kanada-Libanese, Mittdreißiger mit Marketingjob – ist ein Gewinner der Krise. „Alle drei Tage sehe ich in der Zeitung, wie die Miete für vergleichbare Wohnungen in der Jumeirah Beach Residence fällt“, erzählt er. Da, am neuen Dubaier Strand, wohnt Said mit Frau auf vier Zimmern in einem der zwei Dutzend Türme, Fahrstuhl an den Beach. „Danach rufe ich jedes Mal meinen Vermieter an und frage ihn, wie weit er jetzt für die nächste Jahresmiete runtergeht.“ Um umgerechnet 5000 Euro hat Said den Preis in den letzten Wochen schon gedrückt.

Vor Saids Wohntürmen führt eine einspurige Straße den ganzen Strand entlang; sie ist ganz neu und auf die gesamte Strecke von zwei Kilometern mit kleinen hellgrauen Steinen in Mustern gepflastert. Viele Ferraris tuckern und wummern vorbei an den voll besetzten Bürgersteigcafés, ein Bentley, ein Mercedes S 600, ein Aston Martin, ein Pulk aufgedonnerter Harleys. Gianni, Luxusmöbelhändler, sitzt im Starbucks, wir haben noch einen Platz bekommen. An den anderen Tischen chinesische Touristen, Frauen aus Dubai in Glitzer-Abayas, Saudis mit roten Kopftüchern, ihre Frauen hinter Vollschleiern versteckt. „Die Krise hat Dubai gut getan“, sagt Gianni. „Ein bisschen Bodenhaftung, ein bisschen Nachdenken über Qualität und Geschäftsethos.“

Die Vision aber lebt weiter. Draußen in der Wüste, 25 Kilometer vom Strand entfernt, buddeln zigtausende Arbeiter am Dubai-Land. Vielleicht werden es jetzt nicht mehr acht Vergnügungsparks, sondern nur noch drei. Vielleicht nicht 35 000 Hotelbetten, sondern 15 000. Immer noch gründen sich jeden Monat tausende Firmen in den Freihandelszonen in den Emiraten, Sultanaten und Königreichen Arabiens. Immer noch drehen sich die meisten Baukräne, nur ein bisschen langsamer. Das Wirtschaftswachstum am Golf wird für dieses Jahr auf vier bis sieben Prozent geschätzt. Wenn das kein Grund ist, neidisch zu sein!

Das Buch mit Tewe Panniers Kolumnen trägt den Titel „Erfolgreich in Dubai“. Es

erscheint in Kürze und ist dann für 19,90 Euro auch im Tagesspiegel- Shop (www.tagesspiegel.de/shop) erhältlich. Foto: privat

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