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Wirtschaft: Die Küche soll warm bleiben

Nach der Insolvenz der Restaurantkette Wienerwald wird frisches Geld für neue Projekte benötigt – bereits seit 1982 kämpft die Hähnchenbraterei ums Überleben

Von Abschiednehmen will der Wienerwald-Chef Alfons Buhr derzeit nichts hören. Er glaubt an eine Rettung des in Finanznot geratenen Hähnchenbraters. „Wir sind zwar erst am Anfang des Verfahrens, aber ich habe ein gutes Gefühl. Sonst würde ich sofort nach Hause gehen.“ Buhr und sein Insolvenzverwalter Eckhart Müller-Heydenreich sind derzeit darum bemüht, potenziellen Investoren das Geschäft mit gebratenen Hähnchen schmackhaft zu machen und gleichzeitig den Geschäftsbetrieb in den Restaurants aufrecht zu erhalten.

Ende vergangener Woche musste die Gastronomie-Kette Insolvenz anmelden. Schlechte Nachrichten über die wirtschaftliche Entwicklung und die nach Deutschland eingeschleppte Hühnerpest hatte die Wienerwald-Kundschaft vergrault. Eigentlich wollte Wienerwald noch in der ersten Jahreshälfte einen Lieferservice einführen und mit neuen Restaurants an stark befahrenen Straßen zusätzliche Kundschaft gewinnen. „Leider sind wir zwei Minuten vor dem Start auf die Nase gefallen“, sagt Buhr. An der Expansionsstrategie will der Manager aber unbedingt festhalten. „Wir könnten den Betrieb zwar auch so weiterführen. Aber es macht keinen Sinn weiterzumachen, wenn einem die Ausbaustrategie fehlt.“ Wienerwald will zukünftig eine breitere Essenspalette anbieten und neben Mittag- und Abendessen auch Frühstück servieren. „Kaffee und Backwaren müssen her“, sagt Buhr, „wer will morgens um sechs schon ein Hähnchen essen.“

In den 60er und 70er Jahren war das knusprige Geflügel noch der alleinige Verkaufshit. „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald.“ Mit diesem Slogan lockte der gebürtige Österreicher Friedrich Jahn die Kunden in seine Lokale. Lange bevor die Deutschen McDonald’s und Co. überhaupt bemerkten, hatte Wienerwald den Siegeszug der Schnellrestaurantketten und des Franchise-Systems eingeleitet: Zeitweise über 700 Filialen betrieb Jahn im deutschen Sprachraum, bis Anfang der 80er Jahre hatte der Grillhähnchen-König weltweit rund 1600 Gaststätten aufgebaut. Auf ihn geht auch das 1979 gegründete Touristik-Unternehmen Jahn-Reisen zurück.

Dabei waren die Anfänge sehr bescheiden. Mitte der 50er Jahre eröffnet der Oberkellner sein erstes Speiselokal in München, wo er vor allem Hühnersuppe auftischt. Weil ein Gast die ewige Hühnersuppe nicht mehr sehen kann, bringt er Jahn auf die Idee mit den gegrillten Hähnchen. Der macht sie zur Basis einer Kette von Systemrestaurants mit dem Namen „Wienerwald“. Das Prinzip: kleine Karte, gute Qualität, niedrige Preise. Doch schon Ende der 70er Jahre beginnt der Abstieg. Die Restaurants erwirtschaften hohe Umsätze, aber niedrige Gewinne. Das Ende kommt 1982. Das rasantes Wachstum hatte im Konzern Schulden in Höhe von mehr als 250 Millionen Mark (130 Millionen Euro) aufgetürmt. Es folgt die Insolvenz. Jahn verliert sein Imperium an die Banken.

Auch ein zweiter Wiederbelebungsversuch des Gründers im Jahr 1986 in Form eines Rückkaufs scheitert: 1988 gibt Jahn sein Lebenswerk an einen britischen Gastronomiekonzern ab. Während McDonald’s-Filialen wie Pilze aus dem Boden schießen, schrumpft die Zahl der Wienerwald-Restaurants kontinuierlich zusammen. Heute existieren noch etwas mehr als 70 Häuser, vier davon in Berlin.

Seit der kompletten Übernahme der Wienderwald AG durch die Düsseldorfer Investorengruppe Altacon im Jahr 2001 bemüht sich die Geschäftsführung um die Sanierung und Neuausrichtung der Gruppe. Zwar ist noch kein Investor gefunden, aus Österreich hat sich aber die von der deutschen Schwester unabhängige österreichische Wienerwald Restaurants GmbH zu Wort gemeldet: „Bevor die deutsche Kette kracht, würden wir eingreifen“, sagt der österreichische Wienerwald-Geschäftsführer Christian Ziegler. Gespräche habe es nicht gegeben, aber „wir werden die Sache nicht aus den Augen verlieren“. Denn auch wenn die beiden Ketten voneinander unabhängig seien, könnten sich die Negativ-Schlagzeilen über die Pleite bei der deutschen Wienerwald auf die Gäste in Österreich auswirken. Beide Firmen kennen sich. Altacon hatte die Wiener Ende 2002 von der deutschen Gruppe abgespalten.

Tobias Symanski

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