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Wirtschaft: Die Last der Mehreinnahmen

Durch die Reform der Gewerbesteuer sollen die Gemeindefinanzen stabilisiert werden, doch es droht größerer Schaden als Nutzen

Von Bernd Hops

und Flora Wisdorff

Der Kompromiss zur Gewerbesteuer ist gerade eine Woche alt, da zeichnet sich schon ab, dass er sich kaum halten lassen wird. Besonders der Plan, Freiberufler in die Gewerbesteuer einzubeziehen, könnte den klammen Städten mehr schaden als nützen. Der Grund: Die höheren Steuern gefährden Arbeitsplätze und der bürokratische Aufwand ist enorm. Dabei haben die freien Berufe zwischen 1998 und 2001 nach eigenen Angaben etwa 300 000 neue Stellen geschaffen. Diesen Erfolg sehen sie nun durch die Steuerpläne bedroht.

Die Anwälte etwa rechnen mit einem deutlichen Stellenabbau. „Der ohnehin hohe Kostendruck erhöht sich dadurch für uns weiter – viele werden ihre Kanzlei zumachen müssen“, sagte Dierk Mattik, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Kanzleien würden dann weniger Auszubildende und Sekretärinnen einstellen. Da die Anwälte sich nach der Gebührenordnung richten müssen, könnten sie ihre erhöhten Kosten auch nicht auf die Kunden umwälzen. Ein Umzug in Städte mit einem niedrigeren Hebesatz – und damit einer niedrigeren Gewerbesteuer – kommt für Kanzleien nicht in Frage. „Wir sind Dienstleister und müssen nah an unseren Mandanten dran sein“, sagt Mattik.

Auch die Architekten sehen starke Einschnitte kommen. „Wir erwarten zusätzliche Kosten“, sagt Olaf Bahner vom Bund deutscher Architekten. „Und diese Belastung wird zu einem Stellenabbau führen.“ Denn – wie Anwälte – können sie diese zusätzlichen Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben, weil sie eine gesetzlich geregelte Honorarverordnung haben. Und die Honorare seien zudem seit 1996 schwächer gestiegen als die Lebenshaltungskosten insgesamt. Da habe sich eine Kluft von sechs bis sieben Prozent aufgetan, sagt Bahner.

„Es gibt viele Kollegen, die am Existenzminimum arbeiten“, sagt Jürgen Rauch, Vizepräsident der Vereinigung freischaffender Architekten. Kämen zusätzliche Belastungen hinzu, gebe es voraussichtlich für viele nur eine Lösung: „Sie werden den Laden zumachen.“ Oder sie ziehen so viel Geld wie möglich aus ihrem Geschäft ab. „Das macht volkswirtschaftlich keinen Sinn“, sagt Rauch. Vor allem versteht er nicht, weshalb Freiberufler überhaupt Gewerbesteuer zahlen sollten. Im Vergleich zu einem Industriebetrieb nutze ein Freiberufler die städtische Infrastruktur kaum – und die Kosten für die Infrastruktur sind die eigentliche Begründung für die Gewerbesteuer (siehe Kasten).

Dabei ist vollkommen unklar, ob die Gewerbesteuer in ihrer neuen Gestalt tatsächlich die 500 bis 600 Millionen Euro Mehreinnahmen einbringen wird, wie es die öffentlichen Kassen erwarten. „Das ist Bürokratie pur“, sagt Hans-Joachim Vanscheidt, Leiter der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler. Das werde einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, sowohl für den Staat über die Bearbeitung zusätzlicher Steuererklärungen, als auch für Freiberufler, die zusätzliche Formulare ausfüllen müssen.

Die erwarteten Steuereinnahmen könnten neben den zusätzlichen Kosten noch aus einem anderen Grund gedrückt werden: Viele Freiberufler denken darüber nach, ihr Unternehmen aus einer Personengesellschaft in eine GmbH – eine Kapitalgesellschaft – umzuwandeln, sollte die Reform der Gewerbesteuer umgesetzt werden. „Die Optimierung der Gesellschaftsform wird von vielen überdacht“, sagt Bahner vom Architektenbund. Vor allem in Städten mit einem besonders hohen Hebesatz ist das auch dringend geboten. Denn um Mehrbelastungen möglichst zu vermeiden, werden Personengesellschaften die Gewerbesteuer mit ihrer Einkommensteuer, die sie weiterhin zahlen müssen, verrechnen können. Bloß ab einem Hebesatz von 380 Prozent wirkt die Entlastung nicht mehr. Ab da lohnt sich die Wandlung in eine Kapitalgesellschaft. Die möglichen Folgen für die Staatskassen wurden laut Finanzministerium noch nicht berechnet. Man stütze sich bei Prognosen auf den aktuellen Zustand.

Aber auch für die Unternehmen stellt die Umwandlung in eine GmbH eine unkalkulierbare Belastung dar. „Das könnte größere Probleme geben“, sagt Rémi Redley, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater. Die meisten Freiberufler seien nicht daran gewöhnt, ihr Unternehmen zu bilanzieren. Dabei warnen Steuerexperten vor einigen Fallstricken. Lohnzahlungen an die Eigentümer zum Beispiel könnten schnell in den Verdacht geraten, verdeckte Gewinnausschüttungen zu sein. Außerdem entstehen bei der Umstellung auf eine GmbH einige Kosten, weil Forderungen und noch laufende Arbeiten bereits versteuert werden müssen, obwohl das Geld dafür noch nicht gezahlt wurde.

„Ich weiß nicht, warum wir in Deutschland alles so verkomplizieren müssen“, sagt Unternehmensberater Redley. Die nötigen Mehreinnahmen sollte sich der Staat über eine gleichmäßige Besteuerung aller betrieblichen Einkünfte holen. „Aber diese Gewerbesteuer ist ein Armutszeugnis für die Regierung“, sagt Redley.

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