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Wirtschaft: Die legendäre Seidenstraße wacht wieder auf

ALAT/USBEKISTAN .Lange ist es her, daß Kamelkarawanen durch Wüstensand und schneebedeckte Bergpässe zogen und Seidenballen aus China ins antike Rom brachten.

ALAT/USBEKISTAN .Lange ist es her, daß Kamelkarawanen durch Wüstensand und schneebedeckte Bergpässe zogen und Seidenballen aus China ins antike Rom brachten.Heutzutage ist das einzige Lasttier, das man am Zollposten sieht, ein Kamel, das von einer Keramikmauer blickt.Bis vor kurzem mußte die Stadt Alat wehmütig auf ihre sagenumwobene Vergangenheit als Station an einer der ältesten Handelsstraßen zurückschauen.Doch jetzt erwacht der Handel an der Seidenstraße wieder zum Leben, nachdem er jahrhundertelang eingeschlafen war.

Statt auf vier Beinen, bewegen sich die Güter heutzutage vorwiegend auf Rädern fort: Lastwagenkarawanen rumpeln in Herzen Asiens über holperige Straßen mit Schlaglöchern, beladen mit Teetöpfen aus China, Glas aus der Türkei, Elektronik aus Korea und Medikamenten aus Rußland.Doch die Lastwagen sind nur der Anfang.Neue Bahngleise erstrecken sich im Osten bis nach China und im Westen bis in den Iran.Die Flughäfen haben die Baufälligkeit aus Sowjetzeiten abgeschüttelt und bieten Flüge rund um den Globus an.Unternehmen aus dem Westen haben ein Fiberglaskabel von Frankfurt (Main) an den chinesischen Hafen Shanghai verlegt."An einigen Orten waren so viele Lastwagen auf der Straße, daß es eine Erleichterung war, wieder in die Wüste zu kommen", sagt Arif Asci, ein 40jähriger Fotograf aus der Türkei, der mit Kamelen 16 Monate lang über die 17 500 km lange Seidenstraße zog.

Bis in die 90er Jahre war der grenzüberschreitende Verkehr entlang der Seidenstraße sechs Jahrhunderte lang zum Erliegen gekommen.Warum? Die Reise ist lang und gefährlich, besteht doch die Seidenstraße aus einem Strang vieler Straßen, der sich von China durch Zentralasien bis ans Mittelmeer zieht.Andere Faktoren erschwerten den Handel an der Seidenstraße: die Versklavung durch despotische Khans, die Abschottung des Osmanischen Reiches und Chinas in der Ming-Dynastie, die Rivalität zwischen russischem und englischen Reich, die isolierten Systeme der Sowjetunion und Chinas und vor allem der billigere Seeweg.

Der Handel entlang der Seidenstraße reicht 2500 Jahre zurück.Im antiken Griechenland kursierten wirre Berichte über ein Land der Seide, doch zunächst hatten die Chinesen keinen Grund, ihre glänzenden Stoffe zu verkaufen.Das änderte sich im zweiten Jahrhundert vor Christus Geburt, als die Hunnen plündernd im Norden einfielen.Chinas Herrscher beschlossen, sich Verbündete zu suchen und schickten einen Botschafter ins Unbekannte.Er fand zwar keine Partner, entdeckte aber starke Kriegspferde in Mittelasien.Der Preis: 40 Seidenballen für jedes "kämpferische Himmelspferd".Die Seidenstraße war geboren.

Die Seide erreichte bald das Partherreich, den heutigen Iran und Irak.Im Kampf gegen die Parther im ersten Jahrhundert vor Christus entdeckten römische Legionen den Stoff, als die Fahnen der Parther im Sonnenlicht funkelten.Die Römer verloren, aber begannen, die Seide zu lieben: Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde das Gewebe zum letzten Schrei in der Elite des römischen Imperiums.Bald machte Seide 90 Prozent des Handels mit dem Orient aus und wurde in Gold und wertvollen Metallen bezahlt.China verlor im Lauf der Zeit das Monopol der Seidenherstellung, doch andere Güter traten bald an den Platz, allem voran chinesisches Porzellan.

Die Handelsroute war immer gefährlich - sowohl auf dem Land- als auch dem Seeweg.Doch wessen Schiff zurückkehrte, konnte Gewinne erzielen, die das investierte Kapital um 100 oder 1000 Mal überstiegen.1601 segelten englische Händler mit Münzen, Metall und Wollstoff im Wert von 30 00 Pfund nach Asien, und kamen mit orientalischen Gewürzen im Wert von einer Million Pfund zurück.

Die Zukunft der Seidenstraße war Thema einer Reihe von Konferenzen, die in Städten abgehalten wurden, die wieder zu Reichtum kommen wollen.Die USA hielten vergangenen Mai eine Konferenz unter dem Titel "Kreuzungen der Welt" in Istanbul ab, die Europäische Union unterstützte im September 1997 einen Kongreß zur Wiederbelebung der Seidenstraße in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan.33 Länder und zwölf internationale Organisationen vereinbarten dort eine Zusammenarbeit an einem Projekt, das von der EU unromantisch der Transportkorridor Europa-Kaukausus-Asien genannt wird.Keine zentralasiatische Hauptstadt kommt jetzt ohne einen Seidenstraßen-Boulevard aus.Was die Bemühungen um die Wiederbelebung der Seidenstraße anbelangt, kann es jedoch niemand wirklich mit der Karawane von Asci aufnehmen.Unterstützt von einem amerikanischen und zwei türkischen Unternehmen brach der türkische Fotograph mit einer Kamelkarawane im östlichen China auf, um herauszufinden, ob die alte Karawanenroute noch mit ursprünglichen Verkehrsmitteln bereisbar ist.

Die geliebten Kamele von Asci hatten es tatsächlich nicht leicht, die 25 km-Abschnitte der alten Handelsroute zu bewältigen.Sie flohen verschreckt vor laut hupenden chinesischen Lastwagenfahrern.Vier starben am Verzehr pestizidbesprühter Weinblätter.Für die überlebenden Tiere mußte das Team von Asci Schuhe anfertigen, erst wegen des glühendheißen Asphalts, später als Kälteschutz für den tiefen Schnee in den kirgisischen Bergen."Nur eine Gruppe verrückter Türken war dazu fähig, zum erstenmal in der Geschichte die ganze Reise mit Kamelen zu machen", sagt Asci, der fast die ganze Strecke zu Fuß lief, obwohl er wegen Kinderlähmung in seiner Jugend schwer hinkt."Wahrscheinlich wird unsere Kamelkarawane auch die letzte sein."

Übersetzt und gekürzt von Svenja Rothley (Duisenberg, Frankreich) und Karen Wientgen (Seidenstraße, US-Senat)

HUGH POPE

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