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Wirtschaft: Die Leipziger Messe kommt nicht aus den Schlagzeilen

Schlimme Worte sind in Leipzig gefallen, wenn es um die Messe ging: "Unverantwortliche Schlamperei", "Mißmanagement" und "Faß ohne Boden", lautete die Kritik aus dem Rathaus.Zahlen tauchten auf, die von einem Fehlbetrag von bis zu 300 Mill.

Schlimme Worte sind in Leipzig gefallen, wenn es um die Messe ging: "Unverantwortliche Schlamperei", "Mißmanagement" und "Faß ohne Boden", lautete die Kritik aus dem Rathaus.Zahlen tauchten auf, die von einem Fehlbetrag von bis zu 300 Mill.DM innerhalb der nächsten paar Jahre sprachen, die erforderlichen Wertberichtigungen für die unverkäuflichen Altimmobilien noch nicht mitgerechnet.Der scheidende Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube hatte dagegen stets argumentiert, daß die Anlaufphase für ein solches Riesenprojekt nun einmal einen langen Atem brauche und die Stadt von der Messe immerhin auch kräftige wirtschaftliche Impulse erhalte.Das Ifo-Institut ließ er vorrechnen, daß jährlich 550 Mill.DM Wertschöpfung im Umfeld der Messe durch selbige ausgelöst werde: in Hotels, bei Dienstleistern, im Handwerk und der Bauwirtschaft.Und schließlich wurden auch die Verlustschätzungen nach unten korrigiert: 30 Mill.DM Zuschußbedarf werden es in diesem Jahr sein.

Seither gab sich die Öffentlichkeit beruhigt, Messechefin Cornelia Wohlfarth behielt ihren Stuhl, und Lehmann-Grubes Nachfolger wurde mit gewaltiger Mehrheit sein SPD-Parteifreund Tiefensee.Die Messe indes machte weiter wie bisher: Einige kleine, hoffnungsvolle Neuansätze wie die "Geobit" oder die gerade laufende Zulieferermesse "Midest", mäßige Resonanz bei den Fachmessen, stagnierende Zahlen bei den Publikumsveranstaltungen.Hinter den Kulissen brodelte es offensichtlich weiter.Kürzlich verkündete die Messe eine "Strukturoffensive", mit der künftig der Weg zu "mehr Messe mit weniger Kosten" geebnet werden soll.Erstes prominentes Opfer war am Montag Pressesprecher Rudolf Huber, dem die Messechefin zwar artig für "überragende Bemühungen und Erfolge, besonders bei der Buchmesse" dankte, ihm jedoch offenbar ziemlich plötzlich den Stuhl vor die Tür setzte.

Der neue Mann ist wieder ein Bayer.Nunmehr zum Unternehmenssprecher befördert und damit auch für die bisher getrennt marschierenden Bereiche Werbung und Protokoll mitverantwortlich, agiert Andreas Böswald, der sich vor der Presse in Leipzig ironisch als "Oberzocker des Bayerischen Fernsehens" vorstellte.An seinem ersten Tag in Leipzig hatte der Unternehmenssprecher in verschiedenen Lokalblättern unschöne Episoden aus seiner jüngeren Biographie lesen können: Mit unseriösen Pyramidenspielen hatte er etwa 40 Mitarbeitern des Bayerischen Rundfunks bis zu 7000 DM aus den Taschen gezogen."Das war eine jugendliche Dummheit von mir, wir haben alle Geld verloren", erklärt er den "Fleck auf seiner Weste", der ihn in München 1993 den Job kostete.Jetzt aber sei er in Leipzig angetreten, um den historisch wie aktuell bedeutsamen Messeplatz Leipzig ins Gespräch zu bringen: "Wir Leipziger Journalisten", fordert der Bayer die Medien-Runde samt Korrespondenten aus Frankfurt, Berlin und München auf, "sollten nicht das eigene Nest beschmutzen und den Standort kaputtschreiben".Viel schlimmer wäre es freilich für die Leipziger Messe, würde auch weiterhin in den westdeutschen Zeitungen so gut wie gar nichts über die eigentlichen Veranstaltungen stehen, denn nach wie vor wird der Veranstaltungsplatz an der Pleiße von den Entscheidern im Westen mehr oder weniger ignoriert."Es sind wohl von den kleinen und mittleren Unternehmen noch immer 60 Prozent der Manager nie im Osten gewesen", beklagt sich Ulrich Krohmer von der Messe-Geschäftsführung."Da fragen doch einige tatsächlich, ob wir hier denn auch Hotels haben", so der Geschäftsführer.Um das zu ändern, wolle er als Verantwortlicher für das Marketing die Strukturreform kräftig weiter vorantreiben und "unsere Leute viel mehr nach außen, zum Kunden schicken".Damit umreißt er grob, was derzeit in der Vorstandsetage heftig diskutiert und mit der Zusammenlegung der Bereiche zur neuen Abteilung Kommunikation schon begonnen wurde.Die bisher rund 25 Projektteams, jedes für meist nur eine Messe verantwortlich, sollen zu branchenähnlichen Gruppen zusammengeführt werden.Obwohl auch eine neue, zusätzliche Leitungsebene geschaffen werden könnte, meint Krohmer dennoch, daß sich der Personalaufwand damit optimieren lasse."Wir wissen, daß wir mehr Aktivitäten brauchen, aber mittelfristig eher weniger Stellen haben werden", so der Messe-Geschäftsführer.Freilich: Bis die neue Struktur überall steht und sich auch in den Bilanzen widerspiegele, werde es sicher noch drei oder mehr Jahre dauern.

MANFRED SCHULZE

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