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Wirtschaft: Die letzte Bilanz des großen Dealmaker

Chris Gent verlässt nach 17 Jahren den Mobilfunkkonzern Vodafone, den er aufgebaut hat

Berlin. Sir Chris Gent geht ohne Not. Der Chef des britischen Mobilfunkkonzerns Vodafone hat den Zeitpunkt seines Abgangs selbst gewählt – ganz im Gegensatz zu seinen ehemaligen Kollegen Ron Sommer von der Deutschen Telekom oder Michel Bon von France Télécom. Ende Juli überlässt der von der Queen geadelte Brite die Geschäfte seinem Nachfolger Arun Sarin. Als Gent seinen Rücktritt vor Monaten ankündigte, hat er schon eine ganze Weile keine rechte Lust mehr an dem Job gehabt. Denn die Zeiten der großen Expansion, der spektakulären Einkaufstouren und der dramatischen Übernahmeschlachten ist auch bei Vodafone vorbei. Die Aktionäre haben Gent Sparsamkeit verordnet. Das Verwalten des Erreichten ist nicht sein Ding. Trotzdem: Die Zahlen, die er für das Geschäftsjahr 2002/2003 jetzt vorlegte, fielen gut aus.

Zwar schreibt auch Vodafone wie alle anderen europäischen Telefongesellschaften unterm Strich immer noch rote Zahlen. Der Fehlbetrag sank jedoch deutlich von 16,15 Milliarden britische Pfund auf 9,82 Milliarden Pfund (13,54 Miliarden Euro). 16,15 Milliarden Pfund war allerdings auch ein historischer Negativrekord. Den Gewinn vor Steuern und Abschreibungen auf Firmenwerte gab Vodafone mit 8,43 Milliarden Pfund an, das ist ein Plus von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz stieg um 33 Prozent auf 30,37 Milliarden Pfund (42,52 Milliarden Euro).

Die hohen Abschreibungen sind Folge der aggressiven Expansionsstrategie der vergangenen Jahre. Auch Gent kaufte – wie andere Telekommunikationsmanager auch – auf der ganzen Welt Firmen zu Höchstpreisen ein. Aber er stellte sich schlauer an und bezahlte meist in eigenen Aktien. Die Folge: Auf Vodafone lastet kein so erdrückender Schuldenberg wie auf vielen Konkurrenten. Doch nach dem Ende der euphorischen Expansionsphase stürzten die Aktienkurse und mit ihnen die Firmenwerte – das musste in der Bilanz korrigiert werden. Dass Gent aber auch in der Zeit, als die Aktionäre herbe Verluste hinnehmen mussten, Spitzengehälter kassierte, nahmen sie ihm übel.

Gent, der in diesen Tagen 55 Jahre alt geworden ist, ist immer für Superlative gut. 17 Jahre lenkte er die Geschicke von Vodafone. Er machte das mittelständische Unternehmen zum größten Mobilfunkanbieter der Welt mit knapp 120 Millionen Kunden. Der erste Coup, mit dem er Aufsehen erregte, war 1999 die Übernahme der US-Mobilfunkgesellschaft Airtouch. Gent übermittelte das Startsignal für die Übernahme per Mobiltelefon, während er bei einem seiner geliebten Cricket-Spiele in Australien zusah.

Schwieriger war der Fall Mannesmann – es war die größte Übernahmeschlacht, die es bisher gegeben hat. Monatelang kämpfte Gent um den Traditionskonzern gegen den erbitterten Widerstand des deutschen Managements. Am Ende kapitulierten Klaus Esser und seine Kollegen. Ob sie sich die Zustimmung haben abkaufen lassen – die Frage wird derzeit sogar vor Gericht diskutiert. In jedem Fall war auch die Summe an Abfindungen von 125 Millionen Euro rekordverdächtig. Weitere Übernahmen in Spanien und Japan folgten, nur zuletzt in Frankreich hatte der „Dealmaker“ Gent kein Glück mehr.

Dass sich Gent zur Ruhe setzt, kann sich kaum jemand vorstellen. In London wird bereits spekuliert, er gehe in die Politik.

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