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Wirtschaft: Die Lokführer machen Ernst

Jede zweite S-Bahn und zwei von drei Fernzügen sollen fahren / Wirtschaft warnt vor Konjunkturschäden

Berlin - Durch den Streik der Lokführer ab dem heutigen Mittwoch könnten der Wirtschaft erneut hohe Schäden entstehen. „Wenn sich die Tarifparteien noch über Tage beharken, wird der Streik auch Folgen für die Konjunktur haben“, sagte Roland Döhrn, Chefökonom des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), dem Tagesspiegel am Dienstag. Verbraucherschützer empfahlen Bahn-Kunden, bereits gekaufte Fahrscheine umzutauschen.

Auch die Unternehmen warnten vor den Konsequenzen eines langen Arbeitskampfes. „Der Bahnstreik wird für die Wirtschaft mit jedem Tag teurer“, sagte Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dieser Zeitung. In vielen Branchen würden Vorprodukte nur noch in kleinen Mengen gelagert. Schon wenige fehlende Komponenten könnten ganze Fertigungsstraßen lahmlegen. „Die Folgen sind Produktionsausfälle und Kurzarbeit. Straßen und Schifffahrt können diese Transportlücke nicht schließen“, gab er zu bedenken. Die Speditionsfirmen seien wegen der guten Konjunktur ausgelastet und verfügten weder über zusätzliche Fahrer noch Fahrzeuge.

Auch die GDL räumte Belastungen ein. Es seien mittlerweile „hunderte Millionen durch den Kamin gejagt worden“, sagte ihr Chef Manfred Schell. Der volkswirtschaftliche Schaden sei höher, als eine Erhöhung der Lokführer-Bezüge über Jahre hinweg gekostet hätte.

Die Bahn will indes hart bleiben und kein neues Angebot vorlegen. „Der Vorstand lässt sich nicht erpressen“, sagte Personalchefin Margret Suckale. Personenverkehrs-Vorstand Karl-Friedrich Rausch sagte, im Fernverkehr würden zwei von drei Zügen fahren. Während jeder ICE fahren solle, sei bei ICs mit vielen Ausfällen zu rechnen. Durch längere Ersatzrouten werde es längere Fahrzeiten geben. Im Nahverkehr erwartet Rausch, dass die Hälfte der Züge ausfällt. Das Warten auf verspätete Verbindungen dürfte für Fahrgäste frostig werden – für Donnerstag melden Meteorologen Temperaturen um null Grad und Schneeschauer.

WELCHE RECHTE KUNDEN HABEN

Wenn eine Bahnfahrt während des bevorstehenden Streiks ausfällt, erhalten Bahnkunden ihr Geld zurück. „Bei einem Ticket zum Normalpreis ist das kein Problem“, sagte Anke Lobmeyer von der Schlichtungsstelle Mobilität. „Die Kunden bekommen die volle Summe erstattet.“ Das gelte auch für im Internet gekaufte Tickets. „Stornokosten fallen nicht an“, ergänzte Heidi Tischmann, Verkehrsexpertin beim Verkehrsverband VCD. Die Bahn hat eine Frist bis Ende November für den Umtausch gesetzt.

Kunden mit einem „Sparpreis“-Ticket, das an einen bestimmten Zug gebunden ist, empfiehlt der VCD, sich am Bahnhof zu erkundigen, ob der Zug fährt. „Wenn er ausfällt, darf ich in den nächsten einsteigen, der auf meiner Strecke fährt“, sagte Tischmann. Dies betrifft auch teurere Züge, etwa einen ICE. „Die Zugbindung gilt dann nicht mehr.“ Wer sich kurzfristig für den Umstieg auf das Auto entscheidet, kann sein Ticket bis einen Tag vor Fahrtantritt kostenlos umtauschen.

Entschädigungen bei streikbedingten Verspätungen lehnt die Bahn indes ab. Die üblichen 20 Prozent, die ab einer Stunde Fahrplan-Überschreitung im Fernverkehr üblicherweise gezahlt werden, gebe es hier nicht. Grund: Ein Streik sei als höhere Gewalt einzustufen. Der Kemptener Verkehrsrechtler Ernst Führich ist anderer Auffassung. Da die Bahn den Streik selbst beeinflussen könne, müsse sie zahlen. Klagen gegen die Bahn hätten Aussicht auf Erfolg. Wer Taxis oder Hotels in Anspruch nehmen müsse, bekomme auch dies ersetzt, glaubt er.

Die Bahn verweist für Auskünfte auf die Streik-Telefonnummer 08000-99 66 33. Außerdem hält sie Informationen unter www.bahn.de/aktuell bereit. Hier will sie ab Mittwochnachmittag einen Notfahrplan veröffentlichen. mit dpa

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