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Wirtschaft: Die Mehreinnahmen sind schon verbucht

Wie Finanzminister Steinbrück die Steuerschätzung ignoriert und seinen Etat 2007 schöngerechnet hat

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2007 und der Finanzplanung bis 2010 hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu einem Trick gegriffen, den vor ihm noch kein deutscher Finanzminister benutzt hat: Steinbrück hat sich über die Schätzung des renommierten Steuerschätzerkreises hinweggesetzt und zusätzliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verbucht. Nur so konnte es ihm gelingen, für 2007 ohne schärferen Sparkurs die Vorgaben des Maastricht-Vertrages und des Grundgesetzes einzuhalten. Die Einhaltung dieser Marken hatte die schwarz-rote Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel zur Schicksalsfrage erhoben und damit die Anhebung der Mehrwertsteuer ab Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent begründet.

Entgegen jahrzehntelanger Praxis weicht Steinbrücks Etatentwurf für 2007 (Einnahmen: 214,5 Milliarden Euro) von den Ergebnissen der Steuerschätzung im Mai (210,2 Milliarden Euro) ab, und zwar um 4,3 Milliarden Euro. In den Folgejahren plant Steinbrück ebenfalls mit großzügigeren Einnahmen. Trotz der Mehrwertsteuererhöhung wäre Steinbrücks Etatansatz 2007 ohne diesen Buchungstrick nicht verfassungsgemäß gewesen. Es sei denn, die Regierung hätte Ausgaben kürzen müssen.

Der Steuerschätzer des Berliner Forschungsinstitutes DIW, Dieter Vesper, bezeichnete Steinbrücks Verhalten als „befremdlich“. Zur Steuerschätzung im Mai dieses Jahres habe der Minister die Schätzer durch allzu zurückhaltende Wachstumsvorgaben dazu genötigt, niedrigere Steuereinnahmen zu prognostizieren und damit Argumente für die Mehrwertsteueranhebung zu liefern. Vier Wochen später habe der Minister den Trend höherer Einnahmen für seine Etatberechnung selbst genutzt. „Das alles hinterlässt ein wenig gutes Gefühl“, sagte Vesper. Man frage sich, welchen Stellenwert die Steuerschätzung noch habe, wenn mit ihren Ergebnissen beliebig umgegangen werde. Die Schätzer kommen zweimal pro Jahr (im Mai und November) zusammen, ihre Daten sind traditionell Grundlage der staatlichen Etatplanungen.

Die aktuelle Entwicklung, nach der die Einnahmen 2006 wahrscheinlich mehr als 20 Milliarden Euro über denen des Vorjahres liegen werden, hat derweil eine erneute Debatte um die Notwendigkeit der Mehrwertsteueranhebung ausgelöst. DIW-Mann Vesper rechnet für das nächste Jahr damit, dass die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen „mehr als 500 Milliarden Euro“ betragen werden. Eine neuerliche Diskussion über die Mehrwertsteuer hält er angesichts solch steigender Steuereinnahmen für gerechtfertigt.

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