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Wirtschaft: Die neue Philosophie im Hause Coca-Cola

Der neue Konzernchef Ivester fürchtet die Arroganz des Erfolges: "Werdet nicht selbstgefällig", warnt er die MitarbeiterVON NIKHIL DEOGUN ATLANTA.M.

Der neue Konzernchef Ivester fürchtet die Arroganz des Erfolges: "Werdet nicht selbstgefällig", warnt er die MitarbeiterVON NIKHIL DEOGUN ATLANTA.M.Douglas Ivester hatte einiges vor sich, als er Robert C.Goizueta als Präsident der Coca-Cola-Company nachfolgte.Denn die Erfolge von Goizueta, der letzten Oktober an Lungenkrebs gestorben ist, sind legendär.Während seiner 16 Jahre an der Spitze des Konzerns verwandelte er Coke von einer verschlafenen amerikanischen Institution in ein global agierendes riesiges Ungetüm: Der Marktwert stieg von vier auf 145 Milliarden Dollar.Wie also will Ivester die großen Schuhe seine Vorgängers füllen? Er werde es nicht einmal versuchen, antwortete er.Ivester hat über die neue Führungsrolle eine eigene Philosophie entwickelt.Um zu erklären, wie sich in einer großen Organisiation Talente übereinanderschichten, deutet er auf seinen Kaffeetisch: "Derjenige, der ihn fertiggestellt hat, hat ihn poliert.Er ist nicht die erste, sondern vermutlich die letzte Person, die daran gearbeitet hat.So läuft es auch in einer Organisation." Dennoch ist klar, daß der letzte Schliff, den Ivester dem Coke-Konzern verpaßt, seinen eigenen Duktus trägt.Die Firma, die Ivester erbte, ist Lichtjahre von derjenigen entfernt, die Goizueta 1981 übernommen hatte.Damals trieb der Konzern ziellos umher: Coke war in der Wasserreinigung genauso tätig wie im Shrimp-Farming.Die Börse war in Panik.Goizueta entließ einige Abteilungsleiter, stieß Geschäftsfelder ab, machte shareholder value zum Gebot und schüttelte die Firma gründlich durch.Heute hingegen befindet sich der Coke-Konzern in der nahezu besten Situation der 111-jährigen Firmengeschichte.Coke kontrolliert heute 50 Prozent des Weltmarktes an Erfrischungsgetränken, 1981 waren es nur 35 Prozent.Wovor hat der neue Coke-Chef die meiste Angst? Nicht, daß Coke keinen Erfolg haben wird.Er befürchtet vielmehr, daß Cokes Vormachtstellung die Wurzeln des eigenen Untergangs in sich birgt."Ich fürchte die Arroganz des Erfolges", sagt Ivester.Ivester spricht von einer Selbstgefälligkeit, vor deren zerstörerischem Potential er warnt.Auf eine Flasche Coke in seinem Büro deutend, sagt er: "Der Lebenssaft der Coca-Cola-Company ist, daß Sie dieses Getränk konsumieren.Hören Sie damit auf, ist unsere Schlagader durchtrennt".Ivester, Sohn eines Fabrikvorarbeiters aus Gainesville, ist 1979 nach einer befristeten Buchprüfertätigkeit für den Konzern als Assistenz-Controller bei Coke eingestiegen.Schnell zeichnete er sich als herausragender Arbeiter aus, lange bevor er 1994 als Präsident vorgesehen war.Donald Keough, Coca Cola Präsident von 1981 bis 1993, setzte Ivesters rasch auf seine Stellvertreterliste, denn er war von den Fähigkeiten Ivesters überzeugt."Er hat diese Leidenschaft zum Erfolg", charakterisiert Keough Ivester.So änderte er auch ein altbekanntes Management Ritual bei Coca-Cola.Das jährliche Treffen, bei dem die Gebietsleiter ihre Geschäftspläne vorstellen müssen, war früher eine gefürchtete Angelegenheit.Die Manager bereiteten sich wochenlang auf dieses Treffen vor und engagierten sogar eigens Rhetorik-Trainer."Es waren 45 Tage Hölle", sagt Zyman, der Marketing Chef.Ivester hingegen setzt auf Dialog.Er hofft, in fünf Jahren auf die jährlichen Geschäftspläne ganz verzichten zu können.Stattdessen will er ein System der permanenten Planung einführen, so daß auf veränderte Bedingungen schneller reagiert werden kann.Die Stärke dieses neuen Systems hat sich in der Asienkrise bereits bewährt."Wenn ich für das Asiengeschäft einem jährlichen Geschäftsplan verpflichtet wäre, würde ich jetzt untergehen", meint Douglas Daft, Chef der Coke-Abteilung Mittlerer und Ferner Osten.Ivester, der sich dieser Krise gleich nach seinem Antritt gegenüber sah, hat diese kritische Situation als Gelegenheit zum Kauf genutzt.Coke gab etwa 500 Mill.Dollar aus, um den südkoreanischen Flaschenhersteller komplett zu übernehmen.Rund 50 Millionen Dollar investierte er, um auch die Beteiligung am thailändischen Pendant auf 49 Prozent zu steigern.Noch während Goizuetas Lebzeiten hatte Ivesters eine Idee, die an Ketzerei grenzte.Sie betraf die Übergabe des Olympischen Feuers, die traditionell mit der Werbung für Coca-Cola verbunden ist und lange Zeit eine der wichtigsten Werbemöglichkeiten des Konzerns war.Monate vor den Spielen im japanischen Nagano, gab Ivester dem Plan seinen Segen, die Übergabe mit dem Coke-eigenen Georgia Coffee Getränk zu verbinden, das in Japan sehr populär ist.Dies tat er, obwohl Goizuetas voller Skepsis war.Goizueta war gegen die Preisgabe der begehrten Sendezeit an ein Erfrischungsgetränk, das eigentlich nur in Japan Bedeutung hatte.Doch die Risikobereitschaft zahlte sich aus.Daft, Chef der Abteilung Mittlerer und Ferner Osten, erklärte, der Verkauf von Georgia Coffee sei seit der Fackelübergabe enorm gestiegen.Getreu seinem Motto "keine Selbstgefälligkeit" hat Ivester sich aufgemacht, gravierende Fehlschritte im Überseegeschäft zu korrigieren: Coke war - fälschlicherweise - davon ausgegangen, daß die Konsumenten sich auf Cola stürzen, einfach weil es eben Coke ist.Beispiel Indien: Der Konzern war 1993 mit großem Trara nach einer 16jährigen Pause wiedergekommen.Der Aufkauf verschiedener lokaler Marken sicherte ihr schnell einen Markenanteil von 60 Prozent.Doch die Coke-Manager vernachlässigten den neu erworbenen Thums Up, Indiens vorherrschenden Soft-Drink, da sie in der indischen Cola Konkurrenz zum eigenen Produkt sahen.Dazu kam, daß die indische Presse Cokes Anstrengungen, die Flaschenhersteller zu kaufen, als Schikanei ansah.Währenddessen erschloß sich Pepsi Marktanteile durch die Werbung mit lokalen Berühmtheiten.Wenig später umwehten die Fahne des Flaggschiff-Getränks Coca-Cola-Classic nur noch laue Lüfte.Um diese Fehler in Zukunft zu vermeiden, läßt Ivester den jeweiligen Managern viel Spielraum, ihr Marketing den lokalen Geschmäckern anzupassen."Wir glauben, daß unser Erfolg größer ist, wenn wir Flexibilität demonstrieren als wenn wir sagen, so funktioniert es in den USA, also muß es auch hier so gemacht werden", erläutert Ivester.Ivester macht also einiges anders als Goizuetas.Und wenn die Frage nach dem "Füllen der Schuhe" kommt, sinniert Ivester darüber, wie er mit derselben Frage umging, als er vor 13 Jahren Cokes Finanzchef Sam Ayoub ablöste.Mit deutlicher Anspielung auf die heutige Situation, sagt Ivester."Ich habe nicht geschaut, was Sam gemacht hat.Du mußt deine eigenen Schuhe anziehen, die passen garantiert."

NIKHIL DEOGUN

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