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Wirtschaft: Die Ölrechnung

Autofahrer und Hausbesitzer leiden unter dem hohen Preis für den Rohstoff – andere profitieren davon

Berlin - Um in die Geschichte einzugehen, musste Richard Arens nur 600 Dollar opfern. Der New Yorker Broker kaufte Anfang Januar für 100 000 Dollar Öl an der Rohstoffbörse – und schaffte es, mit diesem Kauf den Preis für ein Fass (159 Liter) erstmals über die Marke von 100 Dollar zu treiben. Allerdings war sein Glück flüchtig – Arens verkaufte rasch wieder, machte einen leichten Verlust, und der Preis gab wieder nach.

Was vor kurzem noch außergewöhnlich war, ist heute an den Märkten Normalität: dreistellige Preise für den schwarzen Rohstoff. Am Freitag wurden bereits 103,05 für ein Ölfass der Sorte West Texas Intermediate (WTI) aufgerufen. Der Preis steigt in einem atemberaubenden Tempo: Um ihn von 87 auf mehr als 100 Dollar zu treiben, brauchte der Markt nur neun Handelstage. „Das gab es noch nie“, staunte ein erfahrener Händler.

Das Ende ist längst nicht erreicht: Sollten die Ölländer beim Treffen des Förderkartells Opec diese Woche in Wien beschließen, die Fördermenge weiter zu drosseln, steht der Westen vor massiven Problemen. Immerhin kontrollieren die Staaten 40 Prozent der Förderung. Sollte das Öl noch teurer werden, könnte sich der Abschwung beschleunigen, vor allem in den USA, warnen Ökonomen. Doch ein hoher Ölpreis richtet nicht nur Schaden an, er nutzt auch vielen Firmen und Menschen – und kann sogar mehr Wachstum schaffen, als er auf der anderen Seite vernichtet.

DIE GEWINNER

Schon 2007 war es beim Ölpreis unaufhaltsam aufwärts gegangen – insgesamt lag der Aufschlag bei satten 57 Prozent. Größter Gewinner waren die Ölfirmen, die den Rohstoff aus dem Boden holen und aufbereiten. BP verdiente 17,3 Milliarden Dollar, bei Exxon Mobil waren es sogar 40,6 Milliarden Dollar – das war der höchste Gewinn, den je ein US-Unternehmen erzielt hat. Anders gesagt: In jeder Stunde wuchs Exxons Profit um 4,6 Millionen Dollar. Bei den Konkurrenten, Royal Dutch Shell oder Chevron, sah es kaum schlechter aus.

Auch in Deutschland ist das ein lohnendes Geschäft. „Wir decken mit unserer Förderung bis zu vier Prozent des Bedarfs der Bundesrepublik ab“, sagt Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung. „Wegen der hohen Preise lohnt es sich nun, die älteren Ölfelder mit hohen Kosten länger auszubeuten.“ Vor allem in der norddeutschen Tiefebene stehen die Förderanlagen, aber auch in der Nordsee.

Das größte Geschäft machen aber die Förderländer, die auf den immensen Reserven sitzen – Saudi-Arabien, Iran, Libyen oder Venezuela. Sie kaufen mit ihren Petrodollars im großen Stil im Westen ein. Das spüren nicht nur die Juweliere und Boutiquen in St. Moritz und Gstaad. Gerade deutsche Unternehmen mit ihren Spezialmaschinen profitieren massiv davon. „Die gestiegenen Kosten durch teureres Öl und Gas wurden 2007 zu mehr als einem Drittel kompensiert durch zusätzliche Lieferungen von Exportgütern nach Russland sowie in den Nahen und Mittleren Osten“, rechnet Volker Treier, Chefökonom des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), vor. Vor allem Großanlagenbauer können sich derzeit vor Aufträgen kaum retten – Kraftwerke, Chemieanlagen, Hütten- und Walzwerke oder Düngemittelfabriken gönnten sich die Ölmagnaten. Das freut Firmen wie Linde, MAN, Siemens oder Thyssen-Krupp. „Deshalb gibt es durchaus einige Branchen, die Vorteile aus den gestiegenen Öl- und Gaspreisen ziehen“, befindet Treier. Und der Druck durch das teurere Öl habe auch sein Gutes: „Unternehmen versuchen, effizienter mit Energie umzugehen.“ Deutsche Firmen hätten bei den Einspartechniken die Nase vorn. „Das wird sich langfristig auszahlen – und den Nachteil durch die höheren Energiekosten womöglich wettmachen.“

Für gute Laune sorgt der Blick auf den Barrelpreis auch bei der Ökobranche. „Je höher der Ölpreis, desto besser laufen die Geschäfte mit Erneuerbaren Energien“, sagt Björn Klusmann vom Bundesverband Erneuerbarer Energien. Zwar reagiere der Markt nicht spontan auf jede Verteuerung des Öls. „Hausbesitzer informieren sich aber zunehmend über die Alternativen zu konventionellen Heizungen – also über Solarthermie, Holzpelletöfen oder Erdwärme.“ Sogar die Autohersteller melden Erfolge. Der Verkauf umweltfreundlicher Fahrzeuge, die weniger als 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, habe 2007 um satte 57 Prozent zugenommen, heißt es beim Branchenverband VDA – wenngleich von einer überschaubaren Basis.

Blendend geht es auch manchen Anlegern an den Finanzmärkten. „Sie haben mit ihren Geschäften den Ölpreis erst dorthin gebracht, wo er jetzt steht“, ist sich Christine Schweikert, Rohstoffexpertin der BHF-Bank, sicher. Der Grund: Nachdem Aktien im Zuge der Finanzkrise unsicher geworden waren, suchten Investoren ebenso renditeträchtige wie inflationssichere Häfen für ihr Geld – und landeten bei den Rohstoffen. „Wer sich schon vor dem Anstieg mit Öl-Handelspositionen eingedeckt hat, ist nun fein raus.“ Eigentlich müsse Öl viel billiger sein – angesichts der schwächelnden US-Wirtschaft und des beginnenden Frühlings.

DIE VERLIERER

Wer viel Geld für Heizöl und Benzin ausgibt, muss an anderer Stelle sparen. Das dürfte vor allem der Einzelhandel zu spüren bekommen. „Der hohe Ölpreis schadet allen Branchen, die eng am Konsum hängen, vor allem dem Einzelhandel und der Gastronomie“, warnt Treier vom DIHK. So wurden allein im Februar etwa in Hessen und NRW Benzin und Diesel um bis zu zwölf Prozent teurer, beim Heizöl war es sogar ein Drittel. Auch bei Nahrungsmitteln gab es saftige Aufschläge. Ökonomen bereitet dies Sorgen, weil in diesem Jahr der private Verbrauch das Wachstum stützen soll. Doch davon ist bislang wenig zu spüren. Glücklicherweise sorgt der hohe Euro-Kurs für Entspannung, er hat die zusätzlichen Öl- kosten um bis zu 50 Prozent gedrückt. Doch gesamtwirtschaftlich bleiben die Preissprünge beim wichtigsten Rohstoff nicht folgenlos. „Wäre der Ölpreis nur bei 70 Dollar, könnte das deutsche Wachstum locker um 0,3 Prozentpunkte höher ausfallen“, ist sich Treier sicher.

Das wissen die Tankstellenbetreiber nur zu gut. „Je teurer das Benzin ist, desto weniger verdienen wir“, klagt Stephan Zieger vom Bundesverband freier Tankstellen (BFT). Zum einen geht im ohnehin schrumpfenden Spritmarkt der Absatz weiter zurück. „Benzin ist nicht mehr das Hauptprodukt, sondern die Shops.“ Kommen die Kunden aber nicht zum Tanken, kaufen sie weder Schokoriegel noch Tiefkühlpizza. Noch kostet Superbenzin im Schnitt 1,42 pro Liter, der Rekord liegt noch zwei Cent höher. Von eingeschränkter Mobilität kann die Reisebranche indes nicht berichten – trotz zum Teil saftiger Kerosinaufschläge bei den Fluggesellschaften.

Gespalten ist die Bilanz bei der Logistikbranche. „Natürlich ist der höhere Dieselpreis eine Belastung für uns“, heißt es beim Deutschen Speditions- und Logistikverband. Die Verlader würden daher zunehmend auf den kombinierten Verkehr, also die Zusammenarbeit der Lastwagen mit der Güterbahn, setzen. Doch die Kapazitäten der Schiene sind begrenzt, viele Strecken sind bereits ausgelastet und vertragen keinen zusätzlichen Verkehr.

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