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Perspektive gibt es in Bochum nicht, die Produktion des Zafira läuft dort spätestens 2016 aus, dann wird es nach jetzigem Stand keine Opel mehr aus dem Ruhrgebiet geben. Besser sieht es im thüringischen Eisenach aus, wo Opel-Aufsichtsratschef Steve Girsky kürzlich den neuen Kleinwagen „Adam“ präsentierte. Foto: AFP/dapd

© AFP

Die Opel-Krise: „Wir wissen nicht, was die wollen“

Bei Opel kommen die Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat nicht voran – stattdessen gibt es Streit um Bochum und General Motors kooperiert mit Peugeot/Citroen

Die Nerven liegen blank und die Geduld ist am Ende. Selbst bei einem besonnenen Zeitgenossen wie Berthold Huber, der dieser Tage in Richtung Opel-Management pöbelte, er habe noch nie eine so erbärmliche Verhandlungsführung erlebt.

Huber, erster Vorsitzender der IG Metall, bemüht sich als oberster Arbeitnehmervertreter seit Monaten um eine Zukunft für Opel. Auf der anderen Seite steht der von der Opel-Mutter General Motors (GM) entsandte Steve Girsky, der auch den Opel-Aufsichtsrat leitet. Mehr oder weniger zeitgleich zu Hubers Attacke stellte Girsky diese Woche ein Ultimatum: Wenn es in den Verhandlungen bis Ende Februar kein Ergebnis gebe, werde man das Werk in Bochum mit rund 3600 Beschäftigten schon Ende nächsten Jahres schließen – zwei Jahre früher als bislang vorgesehen. Gewerkschafter, Betriebsräte und NRW-Politiker sprechen nun von Erpressung und einer „Kriegserklärung“. Am kommenden Dienstag steht die nächste Verhandlungsrunde an.

Es geht immer noch und immer wieder um den „Deutschland-Plan“, mit dem die angeschlagene GM-Tochter saniert und aus den roten Zahlen geholt werden soll. GM hat im vergangenen Jahr weltweit glänzend verdient – nur in Europa nicht, wo Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall zusammen 1,4 Milliarden Euro Verlust machten. Der Neuwagenabsatz brach in Deutschland um 16 Prozent auf 213 600 Einheiten ein. Opels Marktanteil liegt derzeit nur noch bei rund sieben Prozent. Um Kosten zu sparen und effizienter zu werden, musste die Belegschaften bereits tiefe Einschnitte akzeptieren. Im Dezember hatten sich Betriebsrat und Geschäftsführung aber auf ein gemeinsames Ziel geeinigt: Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis 2016 vermieden werden. Dann endet in Bochum die Fertigung des Familien-Vans Zafira, für den ein Nachfolger gefunden werden soll.

Eigentlich kommen IG-Metall-Chef Huber und der Aufsichtsratsvorsitzende Girsky gut miteinander aus. Der Amerikaner, so heißt es in der IG Metall, ist der erste GM-Abgesandte seit Jahren, der etwas vom europäischen Autogeschäft versteht. Und er hat Gewicht in Detroit. „Die anderen waren immer nur Handlanger und mussten alles in den USA abnicken lassen“, sagt ein Insider. Doch der scheinbar gute Wille Girskys, der für Opel eine Perspektive entwickeln wolle und dabei auch den typisch deutschen technologischen Ansatz in der Autoherstellung verstehe, sei die eine Seite. Das operative Opel-Management die andere Seite.

„Es gibt kein zweites Autounternehmen, das so schlecht geführt wird“, klagt man in der IG Metall. Und das seit Jahren. Den nächsten Vorstandschef Karl-Thomas Neumann, bislang bei VW unter Vertrag, und voraussichtlich ab März in Rüsselsheim, hatte Huber persönlich bei VW- Chef Martin Winterkorn abgeworben. Neumann muss es jetzt bringen. Aber Bochum wird er wohl kaum retten können. Das weiß Huber, und das kapieren langsam auch die Politiker im Ruhrgebiet.

Helmut Diegel ließ bewusst jede Diplomatie vermissen. „Das ist Wortbruch, so geht man mit den Menschen hier im Revier nicht um“, polterte der Bochumer IHK-Chef, als er von der jüngsten Attacke Girskys gehört hatte. „Wir werden doch nur noch verarscht“, hört man auch im Werk, wo immer mehr Arbeiter in Steiklaune kommen. Der Frust ist groß, und die Verunsicherung über die Zukunft kaum noch zu steigern. Die Stimmung in der Bochumer Belegschaft ist gespalten: Manche würde am liebsten sofort die Brocken hinwerfen, anderen sind dankbar über jeden Tag, an dem sie Autos montieren können und dafür bezahlt werden.

Doch es werden immer weniger Autos. Die Auslastung der Opel-Werke ist so schlecht, dass man auf mindestens zwei Fabriken verzichten könnte. In Bochum droht Kurzarbeit – da läuft dann jeder Streik ins Leere. „Wir müssen jetzt klug und überlegt handeln“, sagt Betriebsratschef Rainer Einenkel. Und das ist schwer genug. In Bochum, wo Ende 2014 oder spätestens 2016 die Opel-Produktion endet, ist die Konfliktbereitschaft der Belegschaft groß. Die Belegschaft in den anderen Werken, vor allem Eisenach und Kaiserslautern, neigt eher zu Zugeständnissen in den Verhandlungen mit Girsky, um im Ergebnis eine Perspektive für die nächsten zehn Jahre und länger zu bekommen.

Bei Zugeständnissen geht es um Geld: Die Tariferhöhung um 4,3 Prozent ab Mai 2012 war den Opel-Beschäftigten erst gestundet und dann im November ausgezahlt worden, das waren immerhin rund 15 Millionen Euro. Seitdem ist die Zahlung wieder ausgesetzt und soll auch nach Girsky Willen nicht wieder aufgenommen werden. „Solange wir Verluste machen, können wir uns keine Tariferhöhungen leisten“, hatte der Aufsichtsratschef Anfang dieser Woche in einem Rundbrief an die Mitarbeiter mitgeteilt.

Eine Werkschließung ist aber auch teuer. Für die Belegschaft in Bochum wäre ein hoher dreistelliger Millionenbetrag an Abfindungen fällig. „Auch in Detroit hat man verstanden, dass man hier nicht so billig ein Werk plattmachen kann wie in den USA“, heißt es in der IG Metall. Das Kalkül der Gewerkschaft: Ein Teil der Belegschaft geht mit Abfindung, ein anderer Teil bleibt und produziert künftig irgendwelche Teile. Aber welche? Und wofür?

„Bislang haben die bei den Verhandlungen nichts auf den Tisch gelegt“, heißt es bei der IG Metall. Das GM/Opel-Management habe seit Jahren keine Strategie. „Alles, was man bei der Unternehmensführung falsch machen kann, wird hier falsch gemacht“, schimpft ein Metaller. Die Kunden würden verunsichert, weil über die Marke nur Negatives kommuniziert werde. So führt Opel gerade den Kleinwagen Adam in den Markt ein, für den es nach Unternehmensangaben bereits knapp 18 000 Bestellungen gibt. Imagepflege finde aber sonst nicht mehr statt und jede Gelegenheit zur Demotivierung der knapp 20 000 Mitarbeiter in Deutschland werde genutzt, kritisiert die Gewerkschaft. „Wir wissen nicht, was die wirklich wollen und solange wir nichts wissen, können wir auch nicht planen“, sagt Thomas Eiskirch, der seinen Wahlkreis in Bochum hat und dessen Wort als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Gewicht hat.

Etwas konkreter hätte Opel am Donnerstag werden können. In Brüssel stellte Steve Girsky zusammen mit Philippe Varin, Chef von PSA Peugeot Citroën, gemeinsame Pläne der Kooperationspartner vor. Hoffnungen für Bochum weckten die beiden gleichwohl nicht – im Gegenteil. Der US-Autokonzern gibt zwei wichtige Fahrzeugprojekte in die Hände seines französischen Partners. So sollen künftig drei gemeinsame Fahrzeug-Architekturen genutzt werden, um Kosten zu sparen. Zwei der neuen Plattformen – eine für einen kompakte Familienwagen in der Größe des Zafira und eine für Autos im Segment des Opel Meriva – sollen auf der Technologie von PSA basieren. Die ersten Autos der Allianz sollen 2016 auf den Markt kommen. Ob das Werk in Bochum davon profitiert, blieb offen. Zu Standorten oder Investitionen machten Varin und Girsky keine Angaben.

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