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Wirtschaft: Die Opfer von Athen

Das griechische Parlament soll heute den Haushalt beschließen. Dem Volk stehen tiefe Einschnitte bevor

„Nai“, zu deutsch: Ja – ein kurzes Wort, aber leicht wird es den Abgeordneten der griechischen Regierungspartei nicht über die Lippen kommen, wenn sie am heutigen Mittwoch gegen Mitternacht über den Haushalt 2011 abstimmen, begleitet von Streiks und Protesten. Um rund 14 Milliarden Euro will Finanzminister Giorgos Papakonstantinou die Bilanz verbessern, teils durch höhere Steuern, teils durch weitere Einsparungen.

Den Griechen steht ein weiteres schweres Jahr bevor. Ob es dem Land am Ende gelingen wird, sich aus der Schuldenfalle zu befreien, ist nicht sicher. Aber mangelnde Anstrengung kann man zumindest der Regierung bisher nicht vorwerfen. Griechenland wird in diesem Jahr sein Haushaltsdefizit um fast sechs Prozentpunkte senken. Dieser Sparerfolg ist umso beeindruckender, als er in einer schweren Rezession erzielt wurde. Kein anderes EU-Land hat eine ähnliche Konsolidierung vorzuweisen. Möglich wurde sie, weil die Griechen Opfer bringen. Ihre Einkommen sinken, die Steuern steigen.

Tiefe Einschnitte sind auch erforderlich, denn von allen Problemstaaten der Eurozone steht Griechenland am schlechtesten da. Die Finanzmisere an der Akropolis ist nicht das Ergebnis einer einmaligen Entgleisung, sondern das Resultat jahrelanger Fehlentwicklungen. Eine übermächtige Bürokratie, Rechtsunsicherheit und Korruption schrecken Investoren ab. Die defizitären Staatsbetriebe verschlingen jedes Jahr mehr Steuermilliarden.

Dem Euro verdanken die Griechen zwar relative Preisstabilität, niedrige Zinsen und günstige Kredite. Aber ihre eigenen Exportgüter und Dienstleistungen, wie der Tourismus, sind wegen des starken Euro längst viel zu teuer. Vereinfacht gesagt: Die Griechen konsumierten zu viel und produzierten zu wenig.

Zu Zeiten der Drachme konnten sie ihr Produktivitätsmanko durch regelmäßige Abwertungen zum Teil ausgleichen. Das geht jetzt nicht mehr. So wurde den Griechen der Euro zum Verhängnis. Und nun könnte Griechenland zum Verhängnis für den Euro werden. Die im Frühjahr drohende Gefahr eines Staatsbankrotts ist zwar gebannt, dank des 110-Milliarden-Rettungsschirms, den die EU und der Internationale Währungsfonds aufgespannt haben. Die Lage bleibt aber prekär: Griechenlands Schulden werden Ende des Jahres rund 140 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreichen. Viele Volkswirte sagen, diese Größenordnung sei nicht zu stemmen; die Zinslast werde den Staat in den Bankrott treiben. Das würde die Fundamente der Währungsunion erschüttern.

Sicher ist: Mit Sparprogrammen allein kommt Griechenland nicht aus den Schulden. Früher oder später würde der Patient an der Hungerkur sterben. Auch der viel diskutierte „Haircut“ wäre keine nachhaltige Lösung: Ein solcher (teilweiser) Schuldenerlass würde Griechenland auf viele Jahre hinaus von den Kapitalmärkten ausschließen, deshalb neue Hilfskredite erfordern und überdies weitere Problemstaaten in den Strudel der Schuldenkrise ziehen. Aus dem Teufelskreis steigender Schulden gibt es nur einen Ausweg: Das Land muss raus aus der Rezession, Griechenlands Wirtschaft muss wieder wachsen. Wenn das Bruttoinlandsprodukt zulegt, sinkt die Schuldenquote. Der Finanzminister nimmt mehr Steuern ein, er kann Primärüberschüsse im Haushalt erwirtschaften und beginnen, den Schuldenberg abzutragen.

Selbst wenn alles nach Plan läuft, wird Griechenland wohl ein Jahrzehnt brauchen, um seine Verschuldung deutlich unter die 100-Prozent-Marke zu drücken. Aber eine vernünftige Alternative dazu gibt es nicht. Mit den jetzt auf den Weg gebrachten Reformen, wie der Liberalisierung der Transport- und Dienstleistungssektoren, der Öffnung des Energiemarktes, einem flexibleren Arbeitsmarkt und Investitionsanreizen, versucht die Regierung, der Wirtschaft Wachstumsimpulse zu geben. Man muss den Griechen Glück wünschen, dass ihnen dies gelingt. Denn wenn Griechenland nicht die Kurve kriegt, gerät die ganze Währungsunion ins Wanken.

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