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Wirtschaft: Die Qualität einer Versicherung läßt sich messen

Die Aufregung über eine mögliche Besteuerung von Auszahlungen aus einer Lebensversicherung ist groß. Am Freitag steigerte sich die Verwirrung noch.

Die Aufregung über eine mögliche Besteuerung von Auszahlungen aus einer Lebensversicherung ist groß. Am Freitag steigerte sich die Verwirrung noch. Laut Kabinettsbeschluß sollte eine Besteuerung nur für Versicherungsverträge gelten, die nach dem 22. Juni 1999 abgeschlossen worden sind. Genaues aber wußte man weder bei den Versicherungen noch bei den Verbraucherschützern. Doch für viele Anleger, die für ihr Alter vorsorgen wollen, bleibt die klassische Kapitallebensversicherung die erste Variante. Fast 70 Prozent der 1998 eingenommenen Einnahmen der Lebensversicherer von rund 102,7 Mrd. DM entfallen auf diese klassische Police. Fast 75 Prozent der Arbeitnehmerhaushalte haben schon eine Lebensversicherung.Das Prinzip ist bei der Police ganz einfach: Kunden zahlen bis zum Ablauf regelmäßig Beiträge, die etwa zehn mal so hoch liegen, wie für eine Risikolebensversicherung. Dafür bekommen die Hinterbliebenen bei Tod des Versicherten vor Versicherungsablauf die Versicherungssumme zuzüglich der bis dahin erwirtschafteten Überschüsse ausbezahlt. Damit sind auch sogenannte biometrische Risiken im Rahmen des Vertrages abgedeckt. Bei Vertragsende, meist dem 60. oder 65. Lebensjahr, werden die vereinbarte, inzwischen angesparte Versicherungssumme und die angesammelten Überschüsse ausgezahlt. In der Regel verdoppelt sich dadurch nach circa 25 Jahren die Versicherungssumme. Garantieren muß der Versicherer derzeit aber nur vier Prozent Verzinsung.Wie die Gewinnbeteiligung letztendlich aussieht, darf und kann kein Unternehmen garantieren. Deshalb handelt es sich bei jedem Angebot auch nur um Beispielrechnungen. Ob die wirklich versprochene Ablaufleistung auch herauskommt, steht in den Sternen.Wer sich für eine Kapitallebensversicherung interessiert, stellt sich natürlich die Frage, welches Unternehmen er auswählen soll. Die Leistungsstärke der Lebensversicherer ist aber recht unterschiedlich. Da Kunden aber bereit sind, für ihre private Altersvorsorge auf einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens zu verzichten, fällt und steht der Grundstein für eine rentable Geldanlage mit der Auswahl des richtigen Versicherers.Die Renditen der Policen schwanken aber beträchtlich. Wer heute zum Beispiel als 35jähriger Nichtraucher eine Police, mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer Versicherungssumme von 100 000 DM abschließt, bekommt beim besten Anbieter eine jährliche Rendite von 7,28 Prozent (Europa) prognostiziert. Der schlechteste Versicherer bietet dagegen nur 5,36 Prozent (General Accident Leben).Neben der Höhe der Zukunftsversprechen und der Qualität der Vergangenheitsleistungen zählen bei der Auswahl des richtigen Lebensversicherers aber auch andere Kriterien. Wichtige Meßlatte für die Qualität eines Lebensversicherers sind bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Sie sagen aus, wie sparsam die jeweilige Gesellschaft mit dem Geld ihrer Versicherten umgeht und wieviel Policen mit hohen Kosten wieder aufgelöst werden.Die Stornoquote gibt an, wie viele Policen vor dem vereinbarten Ablauf gekündigt werden. Besonders die Mitarbeiter von sogenannten Strukturvertrieben (Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD), Hamburg-Mannheimer Investment (HMI), Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG), Objektive Vermögensberatung (OVB) etc.) drücken ihre Policen gnadenlos in den Markt. Manche Kunden sind am Ende doppelt und dreifach versichert. Nicht selten überreden solche Drücker ihre Kunden, ihre schon bestehende Kapitallebensversicherung zu kündigen und sich neu zu versichern, nämlich bei der Gesellschaft, in deren Dienstes sie jetzt stehen. Der Vertreter kassiert dann noch einmal Provision. Durch diese "Umdeckung" der Police verlieren Kunden aber einen Großteil ihrer bisher gezahlten Beiträge. Denn in der Regel erhalten sie bei Kündigung einer Kapitallebensversicherung wegen der Anrechnung von Provisionen und Verwaltungskosten im ersten Jahr gar kein Geld zurück. Nach zwei Jahren, wenn es hochkommt, gerade mal die Hälfte. Häufig ist der Rückkaufswert erst nach 12 Jahren so hoch, um den Kunden wenigstens seinen Einsatz voll zurückzahlen zu können. Und das ohne Zinsen. Viele Kunden kündigen bei Drückern ihre Policen aber auch, wenn Sie merken, daß sie Unsinniges unterschrieben haben.Verständlicherweise liegt die Stornoquote von Gesellschaften, die mit aggressiven Vertriebsmethoden werben, deutlich höher als bei Gesellschaften die Policen über seriöse Vertriebspartner verkaufen. Insgesamt gesehen wurde in den vergangenen fünf Jahren jede 20. Police vor Vertragsende gekündigt. Die jeweilige Stornoquote ist also ein wichtiger Indikator für seriöse Versicherungsleistungen. Denn wenn eine Police gekündigt wird, entstehen der Gesellschaft neue Kosten. Unter den größten Gesellschaften blieben dabei im Durchschnitt der Jahre 1989 bis 1996 nur wenige Gesellschaften mit ihren Stornoquoten Kapitallebensversicherung (in Prozent des mittleren Jahresbestandes im Durchschnitt der Jahre 1989 bis 1996) unter der vier Prozent Marke. Die niedrigsten Stornoquoten haben dabei in der Regel Direktversicherer, die ohne provisionshungrigen Außendienst arbeiten.Die Abschlußkostenquote weist aus, wie teuer ein Unternehmen seine Verträge einkauft. Durchschnittlich zahlen die Gesellschaften bis zu 42 Promille (also 42 DM pro 1000 DM Versicherungssumme) an ihre Vertreter aus. Nur wenige kommen mit 20 Promille aus. Spitzenplätze bei einer niedrigen Abschlußkostenquote belegen ebenfalls Direktversicherer.Auch die Höhe der Verwaltungskosten hat Einfluß auf das Ergebnis eines Lebensversicherers. Die Verwaltungskostenquote zeigt an, wie sparsam oder aufwendig eine Gesellschaft wirtschaftet. Bei Lebensversicherern mit hohen Verwaltungskosten steht weniger Geld für den Sparvorgang zur Verfügung. Die Verwaltungskostenquote wird ausgedrückt in Prozent der gebuchten Beiträge. Der Branchendurchschnitt lag 1995 bei 4,2 Prozent. Wichtiges Kriterium bei der Wahl des Versicherers ist aber auch die laufende durchschnittliche Kapitalverzinsung der Jahre 1989 bis 1996. Kunden sollten einen Versicherer wählen, der angesichts der niedrigen Zinsen hierbei nicht zuviel verspricht und bei dem diese Werte realistisch sind und bei etwa 6,5 bis 7,5 Prozent liegen.

HELMUT ZERMIN

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