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Wirtschaft: Die Regierung nimmt einen neuen Anlauf

BONN . Das umstrittene Gesetz zur Scheinselbständigkeit wird in einigen Teilen geändert.

BONN . Das umstrittene Gesetz zur Scheinselbständigkeit wird in einigen Teilen geändert. Darauf hat sich die Expertenkommission unter der Leitung des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichtes, Thomas Dieterich, geeinigt. Wie der Vorsitzende am Dienstag in Bonn mitteilte, werden die Kriterien anders formuliert, nach denen die Sozialversicherungen Arbeitnehmer als Scheinselbständige einstufen. Außerdem sollen Kranken- und Rentenversicherungen nur in Ausnahmefällen die Betroffenen als Scheinselbständige einstufen, vorausgesetzt - so Dieterich - "eine Bewertung durch Versicherungsträger daran scheitert, daß die Beteiligten die erforderlichen Auskünfte nicht erteilen". Im Klartext: Die Arbeitnehmer verweigern den Sozialversicherungen entsprechende Angaben. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf (SPD), sieht darin eine "entscheidende Verbesserung", wie er dem Tagesspiegel sagte. "Wir haben damit die Verunsicherung bei vielen Selbständigen abgebaut." Künftig brauche ein Betroffener nur einen Gewerbeschein oder einen Eintrag ins Handelsregister vorzuweisen, um von dem Gesetz befreit zu werden.

Auch wer als Existenzgründer nur für einen Auftraggeber tätig ist, fällt seinen Angaben zufolge künftig nicht unter das umstrittene Gesetz. Allerdings müßte er eine selbständige Tätigkeit gegenüber den Sozialversicherungen nachweisen, sagte Mosdorf, der auch in der Expertenkommission sitzt. Künftig sollen die Sozialversicherung auch leichter die Scheinselbständigkeit ermitteln und nicht "20seitige Fragebögen verschicken", sagte der Staatssekretär. Er kündigte eine Gesetzesnovelle zu Scheinselbständigkeit für den Herbst an, die dann zum 1.Januar kommenden Jahres in Kraft treten könnte.

Derzeit legt das Gesetz vier Kriterien fest. Wer zwei davon erfüllt, muß Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. Zu den Kriterien gehört, daß der Betroffene außer Familienangehörigen keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, regelmäßig nur für einen Auftraggeber arbeitet, Weisungen eines Arbeitgebers unterliegt und nicht selbst als Unternehmer auftritt. Künftig gibt es fünf Kriterien, von denen drei erfüllt sein müssen. Nach Dieterichs Angaben besagt das zusätzliche Kriterium, daß "die ausgeübte Tätigkeit in ihrem äußeren Erscheinungsbild unverändert geblieben ist". Die grüne Renten- und Sozialexpertin Thea Dückert, die ebenfalls in der Expertenkommission sitzt, will damit "den Mißbrauch besser bekämpfen", sagte sie dem Tagesspiegel. Häufig würden angestellte Kellnerinnen oder Lastwagenfahrer über Nacht selbständig, obwohl sich ihre Arbeit nicht geändert hätte.

Auch in den übrigen Änderungen sieht Dückert "Präzisierungen" der Kriterien. Künftig sollen auch Familienangehörige als Arbeitnehmer gelten - vorausgesetzt sie verdienen mehr als 630 DM im Monat. Andernfalls sei die Gefahr eines Mißbrauchs zu hoch, meinte sie. Klarer fassen will die Kommission ebenfalls die sogenannten Unternehmer- und arbeitnehmertypischen Tätigkeiten, also inwieweit etwa Scheinselbständige die Arbeit von Angestellten verrichten. Unklar ist für die grüne Sozialexpertin noch, inwieweit Existenzgründer künftig keine Rentenbeiträge zahlen müssen. So überlegt die Kommission, daß Jungunternehmer im ersten Jahr überhaupt keinen Rentenbeitrag und in den folgenden zwei Jahren einen reduzierten Beitrag zahlen sollen. Der DGB begrüßte die Änderungen an dem umstrittenen Gesetz.

ANDREAS HOFFMANN

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