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Große Leere. Nicht nur auf Deutschlands liebster Ferieninsel, Mallorca, waren und sind wegen der Corona-Pandemie viele Sonnenliegen frei.

© imago images/Michael Matthey

Die Reisebranche ist zuversichtlich: „Der Mallorca-Urlaub im Sommer findet statt“

Osterurlaub auf den Kanaren, Sommerferien auf Malle: Norbert Fiebig, Chef des Deutschen Reiseverbands, hält das für möglich - wenn genug getestet wird.

Erst gab es Reisewarnungen, dann kam die Testpflicht für Urlauber und schließlich die Quarantäne. Seit Montag müssen Reiserückkehrer aus Risikogebieten nicht nur einen negativen Corona-Test bei der Einreise vorlegen, sondern anschließend dennoch in Quarantäne. Für die Reisebranche, die seit dem Ausbruch von Corona mit dem Rücken zur Wand steht, ist das eine weitere Hiobsbotschaft. Norbert Fiebig ist Präsident des Deutschen Reiseverbands, der 11.000 Reisebüros und 2300 Reiseveranstalter vertritt.

Herr Fiebig, Deutschland ist im Coronalockdown, keiner weiß, wie es weitergeht. Buchen die Menschen jetzt trotzdem Urlaubsreisen für dieses Jahr?

Der Wunsch zu reisen ist da. Nach meinem Eindruck ist er im Moment sogar noch stärker ausgeprägt als sonst. Der Lockdown ist bedrückend, und den Menschen fehlt das Reisen. Ich erwarte einen großen Nachholbedarf, sobald Reisen wieder unter vernünftigen Bedingungen möglich sind. Die Buchungen für diesen Winter liegen um 70 Prozent unter denen des Vorjahres, aber für den Sommer ziehen die Buchungen an. Viele Menschen gehen davon aus, dass sie dann wieder reisen können. Das hängt sicherlich auch mit den Impfungen zusammen. Allerdings sind wir noch weit von den Zahlen des Jahres 2019 entfernt. Das liegt auch daran, dass immer mehr Kunden sehr kurzfristig buchen.

Norbert Fiebig, Jahrgang 1959, ist seit fast sieben Jahren Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV) und vertritt damit eine der Branchen, die von der Coronakrise extrem hart getroffen ist.
Norbert Fiebig, Jahrgang 1959, ist seit fast sieben Jahren Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV) und vertritt damit eine der Branchen, die von der Coronakrise extrem hart getroffen ist.

© Deutscher Reiseverband

Viele Veranstalter bieten ihren Kunden an, Reisen, die sie jetzt buchen, vor der Anreise kurzfristig kostenlos zu stornieren oder umzubuchen. Kommt das an?

Diese Angebote sind sehr hilfreich. Die Menschen haben das Durcheinander im vergangenen Jahr erlebt, mit pauschalen Reisewarnungen, plötzlicher Testpflicht, kurz darauf deren postwendender Abschaffung und stattdessen der Einführung von Quarantänen. Urlauber sind extrem verunsichert. Nicht nur für die Reisenden, auch für die Reisebranche ist das Gift. Viele möchten sich jetzt ihre Traumreise sichern, die Hotel- und Flugkapazitäten sind ja zurückgefahren worden, aber sie wollen auch flexibel reagieren können, falls sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Flexibilität wird kennzeichnend für 2021 sein – auf beiden Seiten, bei Unternehmen und bei den Kunden.

Niemand will Ferien machen, wenn man danach in Quarantäne muss.

Die neu geltende Pflichttestung bei Einreise macht das Reisen noch unattraktiver, insbesondere in Verbindung mit der darauf noch folgenden mindestens fünf Tage dauernden Quarantäne. Das ist de facto ein Reiseverbot. Die Reisewirtschaft hat im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von mehr als 80 Prozent erlitten. Mit Einführung der Quarantänepflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten waren es sogar 90 bis 95 Prozent. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat kürzlich die Quarantänepflicht für Nordrhein-Westfalen aufgehoben, das sollte auch für andere Bundesländer Konsequenzen haben.

Wie stellen Sie sich das vor?

Tests leisten einen großen Beitrag, um Reisen sicherer zu machen. Die von NRW in Gang gesetzte Regelung, wonach den Gesundheitsbehörden unmittelbar nach Reiserückkehr statt Quarantäne ein negatives Testergebnis vorgelegt werden kann, ist der richtige Weg. Wenn die Bundesregierung sich an dieser pragmatischen und zugleich wirksamen NRW-Regelung orientiert, wird dies nach dem Abflauen der zweiten Corona-Welle Reisen wieder ermöglichen.

Testen statt Quarantäne, das wünscht sich die Reisebranche. Die Realität sieht anders aus. Derzeit müssen Reiserückkehrer aus Risikogebieten einen negativen Coronatest vorlegen und dennoch in Quarantäne.
Testen statt Quarantäne, das wünscht sich die Reisebranche. Die Realität sieht anders aus. Derzeit müssen Reiserückkehrer aus Risikogebieten einen negativen Coronatest vorlegen und dennoch in Quarantäne.

© dpa

Warum sollte man Testkapazitäten für Spaßreisen verplempern?

Ich habe vor meinem Weihnachtsbesuch einen PCR-Test machen lassen. Das Ergebnis war am nächsten Morgen da. Neben den PCR-Tests stehen in großer Zahl auch Schnelltests zur Verfügung, die in kurzer Zeit verlässliche Ergebnisse gewährleisten. Sieht man beides zusammen, sind ausreichend Kapazitäten vorhanden, verplempern ist nicht der richtige Begriff. Wir sollten deshalb bald wie in NRW zur Testmöglichkeit für Rückkehrer aus Risikogebieten zurückkehren und die Zwangsquarantäne beenden.

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Viele Airlines überlegen, nur noch Menschen mit negativem Corona-Test oder -Impfung an Bord zu lassen. Wäre das ein Modell für die gesamte Reisebranche?

Was den Test angeht, stimme ich zu. Bei der Impfung bin ich skeptisch. Zumal bisher unklar ist, ob Geimpfte möglicherweise doch andere anstecken können. Außerdem wird es noch eine ganze Weile dauern, bis alle Menschen, die geimpft werden möchten, auch geimpft sind. Andererseits ist es schon heute so, dass Reisende bei der Einreise in bestimmte Staaten auch bestimmte Impfungen nachweisen müssen.

Kreuzfahrtschiffe waren Corona-Hotspots. Jetzt werden Passagiere vor der Abfahrt routinemäßig getestet. Hat das die Gefahr gebannt?

Tui Cruises und Aida verlangen von ihren Passagieren aktuelle negative PCR-Tests. Crews werden ohnehin vorab getestet. Beide Maßnahmen erhöhen die Sicherheit, und das ist gut. Meines Wissens gibt es auf diesen Schiffen keine Neuinfektionen.

Kein Hafen in Sicht: Kreuzfahrtschiffe können derzeit kaum anlegen.
Kein Hafen in Sicht: Kreuzfahrtschiffe können derzeit kaum anlegen.

© dpa-tmn

Was glauben Sie: Wird der Mallorca-Urlaub im Sommer stattfinden?

Davon gehe ich fest aus, auch wegen der Impfungen. Die Menschen möchten reisen, sie stehen in den Startlöchern. Viele haben im vergangenen Jahr keinen Urlaub gemacht oder waren nicht da, wo sie sein wollten.

Gibt es Regionen, in denen vielleicht schon zu Ostern Urlaub möglich ist?

Die Kanarischen Inseln, allerdings muss man nach jetzigem Stand nach der Rückkehr in Quarantäne – ausgenommen in NRW. Wer in die Ferne reisen möchte, für den kommt beispielsweise Kuba in Frage. Ich gehe davon aus, dass im Sommer auch wieder Griechenland, Spanien und die Türkei gefragt sein werden.

Weil wegen Corona in den Schulen Unterricht ausfällt, gibt es Forderungen nach einer Verkürzung der Sommerferien. Wie fänden Sie das?

Für die Reisebranche ist die Länge der Sommerferien nicht das entscheidende Thema, da die Menschen in der Regel keine sechs Wochen verreisen, sondern eher zwei. Wichtig ist für uns, dass sich die Bundesländer weiterhin mit den Ferienterminen so abstimmen, dass nicht alle zur gleichen Zeit Schulferien haben.

Ansturm auf die deutschen Wintersportgebiete: Die Behörden kontrollieren jetzt scharf.
Ansturm auf die deutschen Wintersportgebiete: Die Behörden kontrollieren jetzt scharf.

© dpa

In den vergangenen Tagen hat es einen regelrechten Ansturm auf deutsche Schneegebiete gegeben. Haben Sie Verständnis für die Tagesausflügler?

Nein, die Bilder der Menschenansammlungen haben mich geärgert. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Menschen durch den verschneiten Wald spazieren gehen oder ihre Kinder auf dem Schlitten ziehen. Der Appell, sich konsequent an Hygiene- und Abstandsregelungen zu halten, kann offenbar nicht oft genug wiederholt werden. Solche Menschenansammlungen sind kontraproduktiv. Hier ist die Vernunft jedes einzelnen gefordert, damit unsere Freiheitsrechte nicht noch länger eingeschränkt.

Sie warnen seit langem vor Insolvenzen in Ihrer Branche. Aber von einer Insolvenzwelle ist bislang nichts zu sehen, oder?

Es hat schon einige bedeutende Fälle gegeben, vor allem im Reisevertrieb sind große regionale Player aus dem Markt gegangen. Aber die große Pleitewelle haben wir zum Glück noch nicht gesehen, weil die Mehrzahl der Unternehmen durch Überbrückungshilfen und Kredite staatlich gestützt werden. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Derzeit hilft noch, dass Unternehmen, die überschuldet sind, aktuell keinen Insolvenzantrag stellen müssen.

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Diese Regelung läuft aber Ende des Monats aus.

Das wäre fatal. Wir brauchen Zeit und eine Verlängerung mindestens bis zum Sommer, für die Reisebranche besser noch bis Ende dieses Jahres, damit die Firmen mit Hilfe des Sommergeschäfts ihre Bilanzen wieder in Ordnung bringen können. Das sollte auch die Politik erkennen, denn sonst wären viele staatliche Hilfen vergebens gewesen.

In welchem Maße haben die staatlichen Finanzhilfen in der Reisebranche Schlimmeres verhindert?

Die staatlichen Hilfen waren sehr wichtig, vor allem die Regelungen zur Kurzarbeit und die Überbrückungshilfen. Allerdings waren die Maßnahmen nicht immer punktgenau und haben teilweise zu Wettbewerbsverzerrungen geführt.

Kampf um die Existenz: Bisher haben die staatlichen Hilfen eine Insolvenzwelle verhindert.
Kampf um die Existenz: Bisher haben die staatlichen Hilfen eine Insolvenzwelle verhindert.

© dpa

Inwiefern?

Bei der Überbrückungshilfe III ist die wichtige Frage, wie Ausfallkosten angemessen ausgeglichen werden sollen, noch ungeklärt. In der Überbrückungshilfe I wurden rund 40 Prozent der entgangenen Reisebüroprovisionen ausgeglichen. Bei der Überbrückungshilfe III sollen nach wie vor die entgangenen Provisionen und Margen durch stornierte Reisen die Basis der Berechnung sein. Der Ausgangspunkt der Überlegung ist hier falsch, denn es liegen ja nunmehr kaum noch Buchungen vor. Das muss schnellstens geändert werden.

Dafür werden aber die Summen erhöht.

Unternehmen konnten bislang bis zu 50.000 Euro im Monat beantragen. Dieser Betrag wurde jetzt auf 200.000 Euro erhöht. Das Problem ist aber: Diese Summe gilt nach wie vor für das Einzelreisebüro genauso wie für Unternehmen mit mehreren Büros. Wenn Sie aber 30 oder 40 Filialen haben, kommen Sie damit nicht weit. Auch das muss unbedingt angepasst werden. Außerdem müssen Reisebürobetreiber auch ihren entgangenen Unternehmerlohn angemessen anrechnen können, damit sie von etwas leben können. Wir brauchen weiterhin Hilfe vom Staat, aber noch wichtiger ist, dass die Politik jetzt die Rahmenbedingungen schafft, damit Reisen wieder möglich werden.

Der Staat hat sich an der Lufthansa beteiligt. Sollte er das auch bei der Tui tun?

Wichtig ist, dass die leistungsfähige touristische Infrastruktur erhalten bleibt. Das gilt für die größtenteils mittelständischen aber auch für große Unternehmen. Die Tui ist ein großer Player im Markt. Sollte es zu einem Marktaustritt kommen, könnte dies Kollateralschäden für die gesamte Branche nach sich ziehen.

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