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Wirtschaft: Die Rentner gehen in den Widerstand

Pflegezuschlag für Kinderlose, höhere Kassenbeiträge – Sozialverbände raten, Widerspruch einzulegen

Berlin – Der Sozialverband VdK hat die Rentner aufgefordert, sich gegen die anstehenden Rentenkürzungen zu wehren und Widerspruch gegen die entsprechenden Rentenbescheide einzulegen. „Der Staat meint, er kann sich alles leisten“, sagte VdK-Präsident Walter Hirrlinger dem Tagesspiegel.

Seit Anfang dieses Jahres müssen kinderlose Rentner, die jünger als 65 Jahre sind, einen Zuschlag von 0,25 Beitragspunkten zur Pflegeversicherung zahlen. Dieser wird erstmals im April – dann aber rückwirkend für die ersten vier Monate dieses Jahres – erhoben. Da die Rentner seit dem vergangenen Jahr ihre Pflegeversicherung ohnehin schon komplett aus eigener Tasche zahlen, werden ihnen im April 2,7 Prozent von der Rente abgezogen. Ab Mai sind es dann 1,95 Prozent, sagte Klaus Michaelis, Direktor der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), am Freitag in Berlin. Die entsprechenden Rentenbescheide hat die Berliner Behörde Anfang dieses Monats verschickt, 400 000 Rentner seien von dem Pflegezuschlag betroffen, so Michaelis.

Hirrlinger rät allen Rentnern, die aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen konnten, Widerspruch gegen den Rentenbescheid einzulegen. Für besonders empörend hält der Sozialverband, dass auch geistig behinderte Frauen, denen ausdrücklich nahegelegt worden ist, keine Kinder zu haben, zahlen müssen. Das sei verfassungsrechtlich unzulässig, meint Hirrlinger. Erste Widersprüche seien bei der BfA bereits eingegangen, berichtete Michaelis. Die Widerspruchsfrist beträgt vier Wochen. Schon jetzt ist absehbar, dass der Pflegezuschlag die Gerichte beschäftigen wird. „Wir haben mit dem Sozialverband Deutschland Musterverfahren vereinbart“, so Michaelis.

So weit rechtlich möglich, will die BfA den Betroffenen entgegenkommen. Stellt ein Rentner erst jetzt fest, dass er den Pflegezuschlag zahlen soll, obwohl er ein Kind hat, kann er noch bis zum 30. Juni eine rückwirkende Korrektur des Bescheids beantragen. Nach diesem Stichtag ist eine Korrektur nur für die Zukunft möglich, eine Erstattung der bisher gezahlten Pflegezuschläge gibt es in diesem Fall nicht.

Auch die höheren Krankenkassenbeiträge, die ab dem 1. Juli dieses Jahres auf die Rentner zukommen, werden letztlich vor Gericht landen. Wie die Arbeitnehmer sollen auch die Rentner ab dem Sommer 0,45 Beitragspunkte mehr für ihre Krankenkasse zahlen. Der Grund: Die Kosten für den Zahnersatz und das Krankengeld müssen dann die Versicherten allein tragen, die Arbeitgeber und die Rentenversicherungsträger ziehen sich aus der Finanzierung zurück.

„Die Rentner sollen Kassenbeiträge für das Krankengeld zahlen, obwohl sie kein Krankengeld bekommen können“, kritisiert Hirrlinger. Das sei verfassungswidrig. Daher rät der VdK allen Rentnern, Widerspruch einzulegen. BfA-Direktor Michaelis geht davon aus, dass auch diese Frage anhand von Musterprozessen gerichtlich entschieden wird. Auch wer Widerspruch einlegt, müsse jedoch zunächst die höheren Beiträge zahlen, betonte Michaelis – das gelte nicht nur für Pflichtversicherte, sondern auch für privat und freiwillig krankenversicherte Senioren. In finanzielle Not käme dadurch aber niemand, heißt es bei der BfA: Beim Standardrentner liege die Zusatzbelastung bei fünf Euro im Monat.

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