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Wirtschaft: Die Rückkehr der Extravaganz

Krise? Das war gestern. Die Börse läuft wieder, Wall-Street-Händler verdienen prächtig – und schwelgen im Luxus

Von Gregory Zuckerman und

Cassell Bryan-Low

Bret Grebow hat sich lange genug zurückgehalten. Noch vor einem Jahr stieg der 28-jährige Manager eines Hedge-Fonds wie jeder andere in die Flugzeuge der Airline Jet Blue und sparte, wo er nur konnte. Seitdem ist das von ihm verwaltete Anlagevolumen um 40 Prozent gewachsen. Und Grebow ist zuversichtlich, dass der Markt wieder an Boden gewinnt. So zuversichtlich, dass er sich vor zwei Monaten einen Lamborghini Gallardo kaufte und seine Reisen jetzt häufiger mit gecharterten Privatjets bestreitet. Das 160 000 Euro teure Auto sei das erste gewesen, was er sich nach Monaten gegönnt habe, sagt Grebow. Am vorletzten Wochenende hat er über 12 000 Dollar spendiert, um sich und ein paar Freunde mit einem Privatjet zur Superbowl-Meisterschaft in Houston fliegen zu lassen. „Es ist fantastisch“, sagt Grebow. „An Bord wartet mein Lieblingsmüsli Cookie Crisp und genügend Jack Daniel’s auf Eis.“

Auch andere Händler der Wall Street wollen nicht länger verzichten. Als der Hedge-Fonds-Experte Kenneth Griffin im letzten Sommer eine Börsen-Kollegin heiratete, verlegte das Paar die Hochzeit in das Schloss von Versailles. Die Feierlichkeiten in Paris wurden im Louvre und im Musée D’Orsay abgehalten. In New York berichten Zigarrenläden und Fünf-Sterne-Restaurants in den letzten Wochen von einem neuen Ansturm der Wall-Street-Händler.

Lamborghinis, Jets und Parties

Hinter dem Stimmungsumschwung steht ein 40-prozentiger Anstieg des Dow-Jones-Börsenindex in den letzten 15 Monaten und die Rückkehr der großen Gewinne an die Wall Street. Die Vereinigung der Anlagebranche schätzt, dass die Erlöse der Branche im letzten Jahr auf 15 Milliarden Dollar gestiegen sind und sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt haben. Wenn die Jahresabschlüsse für 2003 erst auf dem Tisch liegen, wird man wahrscheinlich das drittbeste Jahresergebnis aller Zeiten feststellen können.

Dennoch kommt die neue Ausgabenwelle für einige Wall-Street-Veteranen überraschend. „Auf den Feiern zum Jahresende wurde weitaus mehr ausgegeben, als ich vermutet hätte“, sagt Michael Holland, Chef der Investmentfirma Holland & Co. Zu denken gibt ihm auch, wenn er das randvoll besetzte Nobellokal ’21’ Club in New York sieht. „Das ist das erste Warnzeichen für die Rückkehr der extravaganten Zeit.“

Bei allem Anflug von Übermut, das Gros der Wall-Street-Händler denkt auch heute noch mit Grauen an den beklemmenden Börsenabsturz zurück, der in einigen Firmen jeden fünften Arbeitsplatz gekostet hat. Viele sind dankbar, dass sie nicht zu den Entlassenen gehörten und wollen den Aufschwung vorsichtig angehen. „Meine Prämien werde ich sehr konservativ anlegen“, sagt Bill Meade, geschäftsführender Direktor der Verkaufsabteilung von RBC Capital Markets. Nicht in Maseratis, sondern in Investmentfonds will er seine Einkünfte stecken. Als besonders heilsam scheinen sich auch die Prozesse gegen Investment-Betrüger der Wall Street auszuwirken. „Die letzten Jahre waren für einige sehr ernüchternd“, sagt der Anwalt für Unternehmensrecht, Daniel Bergstein.

Trotzdem haben die jüngsten Börsengewinne vor allem den New-Yorker Markt für Luxusimmobilien aufgeheizt. „Man spürt, dass wieder Prämien gezahlt werden“, sagt Dolly Lenz von der Maklerfirma Douglas Elliman Properties. Mit 100 Millionen Dollar im Januar konnte sie den Wert ihrer Vertragsabschlüsse im Vergleich zum Januar des Vorjahres verdreifachen. Wayne Duris, der in Connecticut eine Porsche-Niederlassung leitet, hat erst kürzlich neue Modelle zum Stückpreis von 120 000 Dollar an zwei Broker ausgeliefert. Beide bezahlten in bar.

Die Prämien spielen eine große Rolle in dieser Entwicklung. Für die meisten Börsen-Beschäftigten bilden sie den Großteil des Einkommens. In den letzen Wochen haben die Wall-Street-Firmen für das Jahr 2003 mehr als 10 Milliarden Dollar solcher Bonus-Zahlungen in die Taschen der Börsianer fließen lassen. Das sind zwar 25 Prozent mehr als für das Vorjahr. Weit entfernt ist man aber von der Prämien-Lawine des Jahres 2000, als es insgesamt 19,5 Milliarden Dollar zu verteilen gab. Einen Anstieg der Kontostände haben auch die Spitzenkurse der Anlagegesellschaften selbst ausgelöst, von denen sich viele auf einem Drei-Jahres-Hoch befinden. Schließlich besitzt ein Großteil der Wall-Street-Händler Aktien des eigenen Unternehmens.

Der neue Reichtum ist unter den Börsen-Experten ungleich verteilt. Am besten fahren derzeit die Händler für solche Investmentfirmen, die – anders als Fondsgesellschaften – mit ihrem eigenen Firmenkapital an den Finanzmärkten spekulieren. Auch die Broker für Hedge-Fonds und für Anleihen werden glänzend entlohnt. Anleihe-Händler konnten sich im letzten Jahr über eine 30-prozentige Erhöhung ihres Bonus-Einkommens freuen, während sich Investment-Banker und Aktienexperten mit gerade fünf Prozent Prämiensteigerung abfinden mussten, sagen die Einkommensberater von Johnson Associates Inc.

Selbst bei Neueinstellungen soll es wieder aufwärts gehen. Grant Morgan, Chef des kleinen Börsenunternehmen First Republic Group, denkt an die Verstärkung seines 100-Personen-Teams um 30 neue Händler. „Wir sind optimistisch, dass der Markt nicht wieder nach unten dreht“, sagt er. Sein Optimismus reichte, um sich eine freie Woche in Florida und einen Ferrari 360 für 150 000 Dollar zu genehmigen. „Langsam“, sagt Grant, „kehrt die Normalität zurück.“

Gregory Zuckerman, Cassell Bryan-Low

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