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Wirtschaft: Die Russen kommen

Griechenland zieht Urlauber und Investoren an: Gazprom und andere wollen Staatsunternehmen kaufen.

Athen - Die Russen haben den Griechen in der Geschichte schon mehrfach beigestanden – so Ende der 1820er Jahre im Kampf gegen die osmanischen Besatzer. Jetzt ist es wieder einmal so weit: Russland kommt dem krisengebeutelten Griechenland zur Hilfe. Wie vor 180 Jahren ist der Beistand allerdings auch diesmal nicht uneigennützig.

Während viele Deutsche in diesem Sommer einen Bogen um Griechenland machen, kommen die Russen in umso größerer Zahl: Mindestens 850 000 russische Urlauber werden dieses Jahr in Griechenland erwartet, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie sollen jene Betten füllen, die von deutschen Gästen gemieden werden, nachdem Demonstranten auf dem Athener Syntagmaplatz deutsche Fahnen verbrannten und Karikaturisten Angela Merkel als Nazi-Amazone abbildeten. Anders als deutsche sind russische Urlauber willkommen, zumal sie spendabler sind als die meisten Westeuropäer.

Geld in Griechenland ausgeben will auch der russische Energiekonzern Gazprom. Das Unternehmen ist einer von 17 Bietern, die sich für den zur Privatisierung ausgeschriebenen griechischen Gasversorger Depa interessieren. „Wir sind bereit, einen realistischen Preis anzubieten“, bestätigte Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew. Marktbeobachter schätzen, dass der Gasversorger rund 1,5 Milliarden Euro wert sein könnte. Mit einem Einstieg bei der Depa würde Gazprom seinen Einfluss auf Europas Energieversorgung ausbauen. Denn Griechenland ist dabei, sich zu einem wichtigen Korridor für die Gasversorgung Europas zu entwickeln. Schon 2008 ist die griechische Regierung beim russisch-italienischen Pipelineprojekt South Stream eingestiegen. Die Gasleitung wird von Russland durchs Schwarze Meer nach Bulgarien verlaufen. Von dort soll ein Zweig über den Balkan nach Österreich führen, während ein Südstrang über Griechenland durch die Adria nach Italien verlaufen könnte.

Erdgasfunde im östlichen Mittelmeer vor Zypern und Israel sowie weitere vermutete Vorkommen bei Kreta und im Westen Griechenlands könnten die Bedeutung des Landes als Drehscheibe für Europas Gasversorgung weiter aufwerten. In Athen spricht man bereits von einer neuen Energieachse, die Israel, Zypern und Griechenland mit Italien verbinden soll. Damit würde Europa ein Stück unabhängiger von russischen Lieferungen – ein Grund mehr für Gazprom, in Griechenland Fuß zu fassen.

Neben dem Gasversorger Depa weckt auch der Mineralölkonzern Hellenic Petroleum (Elpe) russische Begehrlichkeiten. Man prüfe einen Einstieg bei dem Unternehmen, das voraussichtlich im Mai zur Privatisierung ausgeschrieben werden soll, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters jetzt Alexander Dyukow, den Chef der Gazprom-Mineralöltochter Gazprom Neft. Der griechische Staat hält noch 35,5 Prozent an Elpe und will sich von dem Paket komplett trennen. Es hat einen aktuellen Börsenwert von 631 Millionen Euro. Gemessen am Umsatz ist Elpe das größte Unternehmen des Landes, nach Marktkapitalisierung liegt es auf Rang vier.

Aber nicht nur die griechische Energiewirtschaft, auch der Transport- und Logistiksektor weckt russisches Interesse. Im vergangenen Dezember besuchte eine Delegation der russischen Staatsbahnen das staatliche griechische Bahnunternehmen OSE. Russen und Chinesen planen einen Ausbau der Eisenbahnverbindungen von Schanghai über Russland nach Westeuropa. Griechenland liegt zwar nicht direkt an dieser Trasse. Michail Dmitriew, Präsident des Moskauer Zentrums für Strategische Forschung, sieht in diesem eurasischen Schienennetz dennoch „außerordentliche Möglichkeiten“ für das griechische Eisenbahnsystem. Sie lägen vor allem in der Anbindung der Häfen von Piräus und Thessaloniki. Der chinesische Logistikkonzern Cosco betreibt seit 2010 zwei große Containerpiers in Piräus und ist dabei, den Hafen zur wichtigsten Drehscheibe für den Containerumschlag im östlichen Mittelmeer auszubauen. Auch für den Hafen von Thessaloniki sucht die griechische Regierung einen privaten Betreiber. Cosco gilt als einer der Interessenten. Gerd Höhler

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