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Wirtschaft: Die Saat des Berliner Import Shops ist aufgegangen

Viele Teilnehmer der Messe-Veranstaltung aus der Dritten Welt haben auf dem europäischen Markt Fuß gefaßt BERLIN.Hier Ledertaschen, dort afrikanische Holzstatuen, an einem Stand weiter Silberschmuck aus Indien.

Viele Teilnehmer der Messe-Veranstaltung aus der Dritten Welt haben auf dem europäischen Markt Fuß gefaßt BERLIN.Hier Ledertaschen, dort afrikanische Holzstatuen, an einem Stand weiter Silberschmuck aus Indien.Bunt ist nicht nur das Angebot des Import Shops, der bis zu diesem Sonntag auf dem Messegelände stattfindet, schillernd sind auch die Verkäufer.Afrikanerinnen in farbenprächtigen Kleidern, ernsthafte indische Geschäftsleute und "normale" Deutsche.Seit 20 Jahren ist der Schmuckhändler German Salazar-Delgado aus Bogota dabei."Ich muß die Kundenkontakte pflegen, außerdem ist es auch eine Sache des Prestiges." Vielleicht könne er auch Neukunden gewinnen.Schlicht "wegen des Messeumsatzes" ist ein deutscher Einzelhändler mit indischen Produkten angereist.Donatienne Ouedraogo aus Burkina Faso sucht "Partner, die meine Körbe in Deutschland verkaufen". Premiere hatte der Import Shop vor genau 37 Jahren."Im Rahmen der Deutschen Industrieausstellung gab es eine Sonderschau mit afrikanischem Kunsthandwerk", sagt der Pressesprecher der Messe Berlin, Peter Köppen.Damit verwirklichten der Berliner Senat und die Bundesregierung den 1961 gefaßten Beschluß, entwicklungspolitische "Pionierarbeit" zu leisten.Das "Marketinginstrument Messe" sollte Produzenten aus der Dritten Welt den Einstieg in den europäischen Markt erleichtern und so den Handel aus den Entwicklungsländern fördern.Als eigenständige Messe etablierte sich "Partner des Fortschritts" 1970.An einem Tag fand immer auch ein Testverkauf an die Endverbraucher statt, nicht zuletzt, damit die Aussteller ihre Reisekosten bestreiten konnten. Das Verhältnis hat sich in den letzten Jahren umgekehrt.Fachbesucher sind sehr rar, nur ein kleiner Teil des Ausstellungsraums ist für sie reserviert.Warum? "Die Messe hat ihre Funktion erfüllt, viele Aussteller sind zu den Fachmessen gewechselt", erklärt Messe-Sprecher Köppen.Die große Anzahl von deutschen Importgeschäften an den Ausstellern, zeige, daß heute mehr importiert werde und es eine größere Nachfrage für die Produkte gebe.Daß die Saat des Import Shops aufgegangen ist und viele Aussteller auf dem europäischen Markt Fuß gefaßt haben, finden auch Experten, etwa Uta Möbius vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).Der Lehreffekt der Messe - herausfinden, welche Produkte gefragt sind und was die Konkurrenz bietet - habe sich bemerkbar gemacht.Möbius: "So haben etwa lateinamerikanische Aussteller mit Alpaca-Pullovern einen großen Qualitätssprung gemacht, was Muster, Form und Größe betrifft." Anfangs seien sie mit Pullovern angereist, die für hiesige Verbraucher viel zu klein waren. Die Messe hat den einzelnen Produzenten den Weg nach Europa geebnet.Gilt auch allgemein, daß Entwicklungsländer problemlos auf den europäischen Markt können? "Die Entwicklungsländer haben einen komparativen Vorteil in den arbeitsintensiven Produkten wie beispielsweise Textilien.Doch gerade hier ist das Protektionsniveau der Europäischen Union hoch", sagt Irmgard Nübler, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freien Universität.Textilquoten sind nach Angaben des Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) eines der größten Handelshemmnisse überhaupt."Gegenüber 25 Lieferländern hat die EU insgesamt noch 500 Einfuhrkontingente, deren vollständiger Abbau erst für das Jahr 2005 vorgesehen ist", so der AVE-Hauptgeschäftsführer Konrad Neundörfer.Weiterhin kritisiert Neundörfer die Antidumpingpolitik der Europäischen Union, die oft zum Schutz der heimischen Industrie mißbraucht wird.Vorschnell erkläre die EU gerade die Preise von arbeitsintensiven Produkten der Entwicklungsländer als Dumpingpreise und eröffne Antidumpingverfahren.Auch DIW-Forscherin Möbius hält die mengenmäßige Beschränkungen auf Textilien für "einen Hammer".Es könne aber nicht pauschal gesagt werden, daß die europäische Handelspolitik Entwicklungsländer benachteilige.Eine Differenzierung sei notwendig.Rund 70 Entwicklungsländer aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik, die sogenannten AKP-Staaten, unterliegen keinen Handelshemmnissen.Anders sehe es für den Rest der Entwicklungsländer aus.Kritisch bewertet Möbius die Dumping-Exporte der EU von Agrarüberschüssen in Entwicklungsländer."Dadurch werden die heimischen Märkte kaputt gemacht", so Möbius. Viele Aussteller selbst haben keine Meinung dazu, ob die Importe ihrer Länder auf dem europäischen Markt benachteiligt werden.Eine Verkäuferin aus Ecuador erklärt, bei einer guten Wirtschaftskonjunktur profitierten Industrie- und Entwicklungsländer, bei einer schlechten nur die letzteren.Doch für die meisten Aussteller ist entscheidend, was bei der Messe für sie herausspringt.Daß das letzte Jahr schlecht war, darin sind sie sich einig.Ein ägyptischer Lederhändler will nicht mehr kommen, wenn "es dieses Jahr wieder schlecht läuft".Immerhin zahle er 2600 DM für seinen Stand, zusätzlich den Flug, das Hotel und den Zoll.Bis Freitag abend war der Besucherandrang noch geringer als im Vorjahr; in den Hallen sind mehr Verkäufer als Besucher zu sehen.Der Lederhändler wird also nächstes Jahr nicht mehr kommen.Vielleicht auch Donatienne Ouedraogo aus Burkina Faso nicht, die auch im vergangenen Jahr Verluste gemacht hat.Nicht zuletzt wegen des Preisverhaltens der Messebesucher, die immer die Preise herunterhandeln.Statt 20 DM wollen sie nur 15 DM für die handgemachten Körbe zahlen, berichtet Ouderaogo fassungslos."Sie wissen offenbar nicht, daß bei uns eine ganze Familie von einer D-Mark einen Tag leben kann." KAREN WIENTGEN

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