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Wirtschaft: Die Schliche des Schlichters

Hans „Dampf“ Koschnick gilt als geborener Vermittler – nicht nur für den öffentlichen Dienst

Berlin / Bremen (fo/stg). Hans Koschnick ist verhandlungserprobt: „Man muss die Leber für Friedensgespräche mit einbringen.“ Mit diesem Wahlspruch auf den Lippen und dessen strikter Befolgung hat der SPDPolitiker schon manchen schwierigen Vermittlungsauftrag gemeistert. Hochprozentiges ist aber allenfalls Mittel zum Zweck: Die Partner müssen sich menschlich näher kommen, das ist eines der Rezepte, mit denen Bremens Ex-Bürgermeister als Vermittler arbeitet. Ein anderes Prinzip lautet: bis tief in die Nacht verhandeln, damit die Kontrahenten mürbe werden.

Und noch eines ist wichtig, zum Leidwesen der Medien: Kein Laut dringt während der Verhandlungen nach draußen, bis endlich eine müde Truppe vor die Kameras tritt und – wenn’s eben geht – einen Kompromiss verkündet. Der Streit ist damit zwar noch nicht vom Tisch, weil jetzt erst die Tarifkommissionen zustimmen müssen, doch das Eis ist zumeist geschmolzen.

Bereits drei Mal hat Koschnick als Schlichter dazu beitragen, dass Gewerkschafter und öffentliche Arbeitgeber einen Tarifkompromiss vereinbarten. Nicht umsonst hat der 73jährige den Ruf, ein geborener Vermittler zu sein. Schon in den siebziger Jahren reiste „Hans Dampf“ als Krisenvermittler ins Ausland. Besonders engagierte er sich für die Aussöhnung mit Polen, Israel und dem damaligen Jugoslawien.

Dort konnte er Jahre später erneut sein Talent einsetzen: 1994 übernahm er die Leitung der EU-Wiederaufbauaktion im bosnischen Mostar. Dieser wohl schwierigste Auftrag seines Lebens hatte allerdings nur halben Erfolg: Zwar ließ er Schulen und Stromnetze wieder herrichten, aber den Hass zwischen Kroaten und bosnischen Moslems konnte auch Koschnick kaum dämpfen.

Zum zweiten Mal heißt Koschnicks Partner im Schlichtungsverfahren für Angestellte und Beamte Hinrich Lehmann-Grube. Der Jurist und Verwaltungsfachmann gilt als Vater der „Boom-Town-Ost“ Leipzig. Von 1990 bis 1998 lenkte er die Geschicke dieser Stadt. Koschnik wollte sich nach seiner Rückkehr aus Mostar eigentlich zur Ruhe setzen. Aber als pflichtbewusstes Arbeitspferd ließ er sich immer wieder einspannen – mal als Chef eines Komitees für Katastrophenvorbeugung, mal als Bosnien-Beauftragter der rot-grünen Bundesregierung. Und nun schon zum vierten Mal als Schlichter im Tarifpoker um den öffentlichen Dienst.

Im Mai 2000 schlichtete das Duo Lehmann-Grube und Koschnick bereits erfolgreich. Ihrem Vorschlag, zunächst 1,8 Prozent, später weitere 2,2 Prozent mehr Lohn zu zahlen, stimmten die Gewerkschaften erst nach einer zweiten Urabstimmung zu. Ursprüngliche Forderung: fünf Prozent.

Im März 1998 empfahlen Koschnick und der frühere Mainzer Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) drei Prozent mehr Geld, nicht jedoch die zentrale Forderung der Gewerkschaften nach Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Die Arbeitgeber hatten eine Nullrunde verlangt. Sechs Tage später billigen ÖTV und DAG den Schiedsspruch.

Und im Juni 1996 sah der Kompromiss von Wagner und Koschnick eine Einmalzahlung und später 1,3 Prozent höhere Einkommen vor – über die gesamte Laufzeit von 20 Monaten rechnerisch ein Plus von knapp einem Prozent. Ausgangspunkt waren Forderungen von 4,5 Prozent beziehungsweise eine Nullrunde, längere Arbeitszeiten und Einschnitte bei der Lohnfortzahlung.

Die Schlichter müssen im öffentlichen Dienst regelmäßig ran. Meist sind sie erfolgreich, manchmal scheitern auch sie wie 1992. Doch blieb den Bürgern bisher viel Ärger erspart, weil Busse und Bahnen trotz harter Verhandlungen fahren und der Müll regelmäßig abgeräumt wird – von kleinen Warnstreiks mal abgesehen. Schlichtungsprofi Koschnik weiß auch, warum das so ist. Nicht die Arbeitgeber oder die Gewerkschaften sind das eigentliche Problem, meint er. „Das Problem sind die beiden Schlichter.“

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