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Wirtschaft: Die Schwarzarbeit steigt auf Rekordniveau

Berlin ist „Hauptstadt der Schattenwirtschaft“

Berlin (ce). Die Schwarzarbeit in Deutschland wird im kommenden Jahr ein Rekordniveau erreichen. Gründe dafür seien die steigende Abgabenbelastung und die Streichung von Vergünstigungen durch die Bundesregierung. Der Umfang der Schattenwirtschaft werde um sieben Prozent auf 380 Milliarden Euro zulegen und das erwartete Wirtschaftswachstum um mehr als das Vierfache übersteigen, ergibt eine aktuelle Studie des SchwarzarbeitExperten Friedrich Schneider. „Die Schwarzarbeit ist mit Abstand die boomendste Branche in Deutschland“, sagt der Universitäts-Professor aus Linz. Schon in diesem Jahr macht die Schwarzarbeit rund 350 Milliarden Euro und damit 16,5 Prozent des offiziellen Bruttoinlandsprodukts aus. „Das sind nicht mehr Peanuts“, sagt Schneider. Weit mehr als neun Millionen Beschäftigte arbeiten zumindest teilweise schwarz.

Der Schweizer Forscher verteufelt jedoch die Schwarzarbeit, die mit der offiziellen Wirtschaft „aufs engste verflochten ist“, nicht grundsätzlich. Schließlich werden nach seinen Erhebungen rund zwei Drittel des schwarz verdienten Geldes wieder in die offizielle Wirtschaft investiert. „Das ist eine der stabilsten Stützen unserer Konjunktur“, sagt Schneider. Trotzdem bringe die Schwarzarbeit Steuerausfälle für den Finanzminister mit sich, dem dadurch jährlich rund 70 Milliarden Euro verloren gingen.

Gerade in der Bauwirtschaft sieht der Ökonom allerdings „politischen Handlungsbedarf“. In Berlin kommt nach seinen Erhebungen inzwischen auf einen offiziellen Bauarbeiter ein Schwarzarbeiter. Rund 72 Prozent der Wertschöpfung im Bau wurden in Berlin im Jahr 2002 durch Schwarzarbeit erwirtschaftet, in Brandenburg sind es 40 Prozent, bundesweit knapp 66 Prozent. Dadurch gingen massiv Arbeitsplätze im Bauhauptgewerbe verloren. Das beklagt auch Kaspar-Dietrich Freymuth, Vizepräsident des Zweckverbundes Ostdeutscher Bauverbände (ZVOB): Für die „negative Entwicklung auf dem regionalen Bauarbeitsmarkt“ sei nicht die geringe Nachfrage nach Bauleistungen verantwortlich, sondern vor allem die „ausufernde Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“.

Nicht nur im Baugewerbe, sondern auch über alle Branchen hinweg ist Berlin „die Hauptstadt der Schwarzarbeit“, sagt Schneider. Die Schattenwirtschaft macht hier knapp 22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus (Brandenburg: 15,4 Prozent; Deutschland: 16,5 Prozent). Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern liegt Deutschland allerdings im Mittelfeld, hinter südeuropäischen Ländern wie Griechenland und Italien.

Strengere Strafen können im Kampf gegen die Schwarzarbeit nicht viel ausrichten, glaubt Schneider. „Wenn kein persönliches Unrechtsbewusstsein vorhanden ist, helfen Strafen nicht.“ Langfristig müssten die Lohnnebenkosten sinken. Rund die Hälfte des Zuwachses der Schwarzarbeit erklärt er mit den hohen Lohnnebenkosten. Der von der Bundesregierung geplanten Ich AG als neuer Form der Selbstständigkeit räumte Schneider geringe Chancen ein, Schwarzarbeit wirksam zu bekämpfen. Die steuerlich begünstigte Ich AG ermöglicht es Arbeitslosen, bis zu einer Grenze von 25000 Euro im Jahr zu verdienen. Aber nur 16 Prozent der Schwarzarbeit wird von Arbeitslosen und Frührentnern erbracht, sagt Schneider. Mehr Wirkung erhofft er sich davon, die Schwarzarbeit gewissermaßen zu legalisieren. Jeder, der eine volle Stelle habe und dafür Sozialabgaben zahle, solle nebenher 400 bis 500 Euro quasi „brutto für netto“ verdienen können, nur belastet durch eine geringe Pauschalsteuer.

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