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Wirtschaft: Die Skepsis ist der Zustimmung gewichen

STOCKHOLM .Der Entschluß Finnlands, Mitglied in der Europäischen Union zu werden, ist in erster Linie unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu sehen.

STOCKHOLM .Der Entschluß Finnlands, Mitglied in der Europäischen Union zu werden, ist in erster Linie unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu sehen.Das Land nutzte die historische Chance nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, um sich im Westen zu verankern.Ohne Zweifel aber versprach sich Finnland auch wirtschaftspolitische Vorteile aus dem Beitritt zur EU, in die über 60 Prozent seiner Ausfuhren gehen.Der Beitritt sollte helfen, die tiefe Rezession zu bekämpfen, in die Finnland 1991 rutschte.Auch erhoffte man sich, mit Hilfe der EU die Arbeitslosenquote von 13 Prozent zu senken.Die kräftige wirtschaftliche Erholung hat Finnland aber im wesentlichen aus eigener Kraft, das heißt mit radikalen Kürzungen der Haushaltsausgaben, geschafft.Direkte Auswirkungen sind bisher lediglich auf dem flachen Land zu spüren.Insgesamt ist es jedoch zu früh für eine Bestandsaufnahme.

Die finnische EU-Bilanz ist fast ausgeglichen, in den ersten drei Jahren der Mitgliedschaft zahlte Finnland insgesamt etwa 6,1 Mrd.DM in die Brüsseler Kasse und erhielt 5,7 Mrd.DM zurück.Im laufenden Jahr fließen zwei Mrd.DM aus den Brüsseler Töpfen, darunter dem Sozial- und dem Agrarfonds, nach Finnland.

Der härteste Widerstand gegen den EU-Beitritt kam seinerzeit von der Landwirtschaft und vom flachen Lande.Die Bauern, die unter widrigen klimatischen Bedingungen und deshalb teuer produzieren, fürchteten die Konkurrenz der besser gestellten Kollegen auf dem Kontinent.Und wenngleich in der Landwirtschaft nur noch sieben Prozent der Bevölkerung arbeiten, während es in der Industrie 23 Prozent und im Dienstleistungssektor 65 Prozent sind, hat die Agrarlobby Gewicht in Finnland.Helsinki setzte deshalb in den Beitrittsverhandlungen durch, daß die finnische Landwirtschaft ähnlich behandelt werden sollte wie Bergbauern und Winzer in Mittel- und Südeuropa.

Der größte Teil des Landes erhielt die Berechtigung zur Regional- und Strukturförderung.Überall in der Provinz stehen heute vor Projekten der öffentlichen Hand Schilder mit der blau-gelben Sternenflagge und dem Text: "Von der EU bezuschußt".Das Ziel, mit Mitteln aus dem Strukturfonds 17 500 neue Arbeitsplätze in den strukturschwachen Gebieten zu schaffen, ist inzwischen allerdings als zu ehrgeizig aufgegeben worden.Doch die einstige Skepsis in hauptstadtfernen Gebieten hat sich zugunsten der EU gewendet, was wahrscheinlich mehr wert ist als die gezahlten Gelder.

Sorgen hegten - bei grundsätzlicher Zustimmung zum EU-Beitritt - auch die finnischen Gewerkschaften wegen der immer wieder auftretenden azyklischen Konjunkturprobleme in Finnland; diese könnten - erst recht nach dem Eintritt in die EU - nicht mehr wie früher mit Abwertungen der Finnmark bekämpft werden, wurde argumentiert.Die einstige starke Abhängigkeit vom Osthandel ist aber nicht mehr vorhanden.Finnland paßt sich zunehmend dem generellen Konjunkturverlauf an.Dabei wird die EU nach Einschätzung der Regierung zur weiteren Harmonisierung führen.

JÖRGEN DETLEFSEN

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