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Wirtschaft: Die Skepsis um Wechselkurszielzonen wächst

BERLIN .Sie sind "Lieblingskinder" des deutschen Finanzministers Oskar Lafontaine und seines Staatssekretärs, Heiner Flassbeck.

BERLIN .Sie sind "Lieblingskinder" des deutschen Finanzministers Oskar Lafontaine und seines Staatssekretärs, Heiner Flassbeck.Wechselkurszielzonen, kontrollierte Wechselkurse und Kapitalverkehrskontrollen.Die Deutschen versuchen sie seit dem Regierungswechsel in Bonn ihren Partnern in Europa und in der G-7 schmackhaft zu machen.Im Kern geht es um die Frage, wie ein Land sich gegen die Volatilität der kurzfristigen Kapitalströme absichern kann.Flassbecks These: "Wir wissen, daß die Finanzmärkte überschießen und von sich aus nicht den Gleichgewichtskurs finden."

Einige der Aussagen sind: Länder mit etwa gleichen Inflationsraten sollen für ihre Währungen Bandbreiten vereinbaren, innerhalb derer die Kurse frei schwanken dürfen.Kleine Währungen sollten sich an große Valuta ankoppeln.Binden Staaten mit unterschiedlichen Inflationsraten ihre Währungen aneinander, so ist das Ziel, den Wechselkurs des schwächeren Landes real abzuwerten.Investoren könnte so das Risiko einer Währungsabwertung bewußt gemacht werden, argumentieren die Befürworter.

Eines der ersten Länder, das mit Restriktionen auf die jüngsten Krisen reagierte und dafür Schelte bezog, war Malaysia.Allerdings wurden die Kapitalkontrollen am Donnerstag gelockert.Mit Wirkung vom 15.Februar an können Wertpapieranlagen schon vor der bisher gültigen Frist von zwölf Monaten abgezogen werden.Sie werden dann aber mit bis zu 30 Prozent besteuert.Dies soll kurzfristige und spekulative Kapitalbewegungen entmutigen.

Dietrich Beier, Chefvolkswirt der Bankgesellschaft Berlin hat seine Meinung in prägnaten Thesen zusammengefaßt, die darin gipfeln den Internationalen Währungsfonds (IWF) nur noch Hilfe im äußersten Fall leisten zu lassen.Erstens könne eine Regulierung internationaler Finanzströme nur schiefgehen.Zweitens wüßten die internationalen Märkte besser, wo hohe Renditen locken und hohe Risiken bestehen.Drittens bestehe das Problem vielmehr darin, daß die Märkte bei den letzten Krisen weitgehend durch internationale Organisationen ausgeschaltet gewesen seien.Dazu zählt für Beier in erster Linie der IWF, der praktisch eine Garantiefunktion für die entstandenen Risiken übernommen habe.Die damit verbundene "Verführung zu Risiken" (moral hazard), also der Verlaß auf den IWF, habe viele Marktteilnehmer sorglos werden lassen im Umgang mit ihren Kapitalanlagen.Schließlich schlägt Beier als radikale Lösung vor: Reform des IWF und Beschränkung auf absolute Notfälle.

Eine ähnliche Forderung hatte auch die Deutsche Bundesbank aufgestellt.Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer wird die Einzelheiten eines Papiers vermutlich auf dem nächsten Gipfel der G-7 in Bonn am 20.Februar vorstellen.Anfang dieser Woche erklärte bereits Bundesbankdirektoriums-Mitglied Edgar Meister, er befürworte die Gründung eines Feuerwehrfonds für Banken-Krisen.Die Krise in Südost-Asien habe gezeigt, daß staatliche Garantien und die Erwartung von Hilfen im Krisenfall zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen führen könnten."Internationale Hilfsmaßnahmen dürften stets nur die Ausnahme, nicht aber die Regel sein."

Ulrich Ramm, Chefvolkswirt bei der Commerzbank in Frankfurt (Main), hält ein Plädoyer für die Marktwirtschaft.Für ihn ist die freie Preisbildung die Seele der Marktwirtschaft.Dies hätten doch gerade die Reaktionen der Märkte bei den Krisen in Asien und Lateinamerika gezeigt.Wann immer versucht worden sei, Leitpunkte oder Leitplanken einzuziehen, seien diese immer wieder getestet und schließlich durchbrochen worden.Die anschließenden Brüche und Verwerfungen seien dann umso größer gewesen.Das System gerate dann vollends außer Kontrolle.Ramm erinnert daran, daß die Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik die Basis für die Solidität schaffen müsse.Es sei Aufgabe der Wirtschaftspolitik, die richtigen Weichen zu stellen.Allerdings schränkt Ramm ein, sei er kein völliger Verfechter von Wechselkursfreigaben für alle Länder.Einschränkungen könne es für Entwicklungs- und Schwellenländer geben.Vielleicht gelte dies auch für Rußland, wo die Administration nicht ausreichend funktioniere.In solchen Fällen, und Ramm verweist auf das Beispiel Chile, könnten Hilfestellungen gegeben werden.Dennoch: Wenn sich solche Länder an eine starke Währung koppelten und beispielsweise ein Currency Board geschaffen werde, so liehen sie sich nur für eine gewisse Zeit Solidität.Die heimische Politik müsse weiterhin ihre Aufgaben erfüllen, jeder müsse seine Hausaufgaben selber machen, sonst drohe das System endgültig außer Kontrolle zu geraten.

Ein etwas abwägenderes Urteil fällt Peter Cornelius, Volkswirt bei der Deutschen Bank in Frankfurt (Main).Wechselkurszielzonen seien ein "heroisches Ziel", über das die Politiker sicherlich diskutieren müßten, aber man müsse sich über die Implikationen im klaren sein.Es komme auf den Policy mix an.Werde die Bandbreite der Zonen zu groß festgelegt, werde das Ziel verfehlt.Sei die Bandbreite zu eng, wäre die Einhaltung schwierig.In den neunziger Jahren habe es beim D-Mark-Dollar-Kurs ja ganz gut geklappt, aber es gebe auch die Gegenbeispiele italienische Lira und britisches Pfund zu Anfang der neunziger Jahre, erinnert Cornelius.Die Schwierigkeit bei Zielzonen bestehe unter anderem darin, zunächst einmal ein Gleichgewicht zu finden.Wenn die Zone dann bekanntgegeben sei, müsse eine glaubwürdige Politik folgen, sonst werde die Spekulation aktiv.Bei der Politik aber könne ein Zielkonflikt zwischen dem inneren und dem äußeren Ziel auftreten.Als Beispiel nennt Cornelius die USA, die durch eine Zielzone genötigt sein könnten, die Zinsen zu senken, um den Dollarkus zu drücken, damit aber gleichzeitig das innere Ziel der Preisstabilität gefährden würden.

Weitgehender Konsens unter den Experten ist, daß gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor der Kapitalverkehr eines Landes liberalisiert wird.Sie zählen dazu widerstandsfähige Bankensysteme, eine ausreichende Aufsicht und transparente Vorschriften.Forderungen, die beispielsweise Japan nach Ansicht vieler seiner Kritiker nicht erfüllt hat.

Der amerikanische Ökonom Paul Krugman, Wirtschaftsprofessor am Massachusetts Institut of Technologie (MIT) und Preisträger des Center of Economic Studies, fällt es hingegen schwer, angesichts der Krisen an die Effizienz der Kapitalmärkte zu glauben.Er kann sich die Einführung von neuen Kapitalverkehrskontrollen vorstellen und propagiert die Beispiele China und Chile.In China müssen die Exporteure ihre Erlöse zu einem festgelegten Kurs an die Zentralbank abliefern.Allerdings sind hier die Umgehungsversuche bereits Legion.Die Exporteure versuchen, ihre Erlöse im Ausland zu parken.Wenn eine chilenische Firma Geld aus dem Ausland leiht, muß sie 30 Prozent der Summe unverzinslich für ein Jahr anlegen.

DANIEL RHEE-PIENING

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