zum Hauptinhalt

Wirtschaft: DIE SPD-KANDIDATEN IM TEST: Der Macher und der Bewahrer

Gerhard Schröder: Der "Genosse der Bosse"Oskar Lafontaine: Der Freund der KohlekumpelVON KLAUS WALLBAUM UND LOTHAR WARSCHEID HANNOVER.Der Mann pflegt sein Image.

Gerhard Schröder: Der "Genosse der Bosse" Oskar Lafontaine: Der Freund der KohlekumpelVON KLAUS WALLBAUM UND LOTHAR WARSCHEID HANNOVER.Der Mann pflegt sein Image.Als "Macher" will Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder angesehen werden.In der SPD-Broschüre zur Landtagswahl am 1.März heißt es: "Die Wirtschaft brummt." Das Bruttoinlandsprodukt, Gradmesser für die wirtschaftliche Aktivität im Lande, sei seit 1990 um 15 Prozent gewachsen - nur Hessen könne da mithalten.Außerdem zähle Niedersachsen 9,5 Prozent mehr Unternehmen in den vergangenen acht Jahren, während im Bundesdurchschnitt eine Abnahme von elf Prozent festzustellen sei. Geschönte Bilanzen? Nein, auch die Opposition widerspricht nicht.Aber CDU, Grüne und FDP sehen diese Zahlen keineswegs als einen Verdienst Schröders an.Vielmehr sei das der besonderen Lage Niedersachsens zu verdanken.Das Bundesland hatte die längste Grenze zur DDR und deshalb bis 1989 auch das längste "Zonenrandgebiet".Als Stacheldraht und Mauer gefallen waren, erlebte Niedersachsen den "Einigungsboom".Zwischen 1990 und 1997 sind die Stellen um 46 000 gewachsen.Die guten Zahlen in Schröders Wahlprospekt sind Ausfluß dieser Entwicklung, und die Christdemokraten werden auch nicht müde, auf den Knick in der Kurve hinzuweisen: Seit 1995 ebbt der Boom ab.Das gelte im übrigen auch für den Bevölkerungszuwachs.Wachsende Wirtschaft bei wachsender Bevölkerung - das prägte Niedersachsen in den vergangenen Jahren.Das heißt aber auch: Beim Abbau der Arbeitslosigkeit ist man nicht besonders vorangekommen.Im Vergleich der westdeutschen Flächenländer weist Niedersachsen nach dem Saarland die schlechteste Quote auf.12,6 Prozent waren im Januar arbeitslos gemeldet. Das Besondere an der Wirtschaftspolitik von Gerhard Schröder ist ein ausgeklügeltes Krisenmanagement.Der Ministerpräsident selbst und sein Wirtschafts-Staatssekretär Alfred Tacke halten engen Kontakt zum Management der wichtigsten Konzerne im Lande, weshalb Schröder auch schon mal "der Genosse der Bosse" genannt wird.Die Landesregierung hat ein Frühwarnsystem aufgebaut, und sie schaltet sich rasch ein, wenn entschieden werden muß.So war es beispielsweise beim Schutz der bisher dem Preussag-Konzern zugeordneten Stahlwerke mit 12 000 Beschäftigten.Das Ergebnis des Krisenmanagements, der Kauf des Unternehmens durch das Land, ist umstritten.Die große Nähe der Landesregierung gerade zur Volkswagen AG bringt Schröder zudem in den Ruf, sich in die Abhängigkeit von Industrieführern zu begeben. Dabei ist der Schröder-Spruch "Ich bin ein Auto-Mann" durchaus zutreffend: Niedersachsens Volkswirtschaft wird von der Autoindustrie dominiert.Oppositionsführer Christian Wulff (CDU) hält der Landesregierung vor, zu wenig für den Strukturwandel in Niedersachsen getan zu haben.So sei es keine Leistung, eine überdurchschnittliche Zunahme der Zahl der Selbständigen in Niedersachsen zu verbuchen - wenn gleichzeitig die Ausgangsbasis schwach sei. Die starke, derzeit boomende Autoindustrie, der schwache Mittelstand, die bislang noch geringe Präsenz der neuen Technologien prägen Niedersachsen.Neue Ansätze sind oft nicht erfolgreich gewesen.Der Versuch, mit Veba/Mannesmann einen Multimedia-Standort zu schaffen, ging daneben.Nun probiert man es mit der Telekom.Ein anderes Problem ist der Sparzwang des Finanzministers wegen der hohen Verschuldung im Landeshaushalt.Die Opposition wird nicht müde zu betonen, das Landesdarlehensprogramm sei seit 1990 erheblich zurückgefahren worden auf jetzt 50 Mill.DM im Jahr, die Technologieförderung sei von 80 auf 54 Mill.DM gestutzt worden. Zudem rügt die CDU, mit dem Verbandsklagerecht, mit Abfall- und Wasserabgaben sei die Wirtschaft übermäßig behindert worden, außerdem komme der Abbau der staatlichen Bürokratie nicht voran.Die Regierung rechtfertigt sich: Abgaben für Wasser und Abfall habe man wieder abgeschafft, und die Verwaltungsreform laufe erfolgreicher als anderswo.Was Grüne, FDP und CDU als "symbolische Wirtschaftspolitik" Schröders kritisieren, wird von der SPD als ein Erfolg gewertet.So habe der Ministerpräsident beispielsweise die Abschaffung des zweiten Berufsschultages im zweiten und dritten Lehrjahr durchgesetzt und damit "ein Zeichen gesetzt".Die Opposition kontert: Ein "Zeichen setzen", darin erschöpfe sich eben die Politik Schröders. Der Bewahrer Oskar Lafontaine: Der Freund der Kohlekumpel SAARBRÜCKEN.Jetzt wird er ihn wieder aufsetzen, den Dreispitz mit der Trikolore, wird die rechte Hand ins Jackett versenken, wird seinen Daumen wie einen Karabinerhaken um den oberen Knopf klammern.Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes, ist in seinem Element, wenn er als "Napoleon von der Saar" in die Fastnachts-Bütt steigt, erzählt, was "meins" (gemeint ist Gattin Christa) im letzten Jahr mit ihm angestellt hat, wie "de Kleen" (Sohn Carl Maurice) sich entwickelt und was er so alles im politischen Bonn, Berlin und Saarbrücken erlebt hat. Oskar Lafontaine, der Volkstribun, liebt solche Auftritte.Er ist sich der Sympathie seiner Landsleute sicher.Die SPD würde neuesten Umfragen zufolge auch nach 13jähriger Alleinherrschaft die absolute Mehrheit holen, wenn in diesen Wochen Landtagswahlen wären - bei sinkendem Stimmenpolster allerdings.Dabei sind die wirtschaftspolitischen Eckdaten alles andere als berauschend.Das Land liegt mit einer Arbeitslosenquote von 12,7 Prozent spürbar über dem Schnitt der alten Bundesländer.Dabei hatte das montanlastige Saarland während der großen Stahlkrise der achtziger Jahre schon einmal größere Arbeitsplatz-Sorgen.Die Abhängigkeit von Kohle und Stahl war es, die das kleine Land an den Rand des Ruins brachte und den Haushalt zu sprengen droht.Die Teilentschuldung, die man 1993 gemeinsam mit Bremen vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hatte, brachte zwar einen Geldsegen von 8 Mrd.DM aus der Schatulle des Bundes, jedoch keine Gesundung der Staatsfinanzen.Der Bund zahlte in fünf Jahresraten von je 1,6 Mrd.DM, 1998 ist die letzte fällig.Trotz der Teilentschuldung sank die Verschuldung auf derzeit noch 12,6 Mrd.DM - zuwenig, um aus eigener Kraft überleben zu können. Obwohl die Stahlhütten und Bergwerke nicht mehr die einzigen Säulen der Saarwirtschaft sind, stehen Landesregierung und SPD unverbrüchlich zu diesen beiden Industrien.Während im Stahlbereich derzeit keine Gefahr droht, ist bei der Kohle ein Aderlaß programmiert.Beschlossene Sache ist, daß im Saarrevier Ende 2000 eines von drei Bergwerken dicht macht.Die Schließung der Verbundanlage Göttelborn/Reden hat zur Folge, daß etwa 6000 Arbeitsplätze wegfallen.Pessimisten rechnen vor, daß im Umfeld weitere 6000 Jobs in Gefahr sind. Obwohl die deutsche Kohle mit 200 DM pro Tonne subventioniert wird, nimmt kein Genosse das Wort "Ausstiegsszenario" offiziell in dem Mund.Der Zorn Lafontaines wäre ihm gewiß.Die CDU ist gespalten: Die Mittelständler würden die Bergbau-Milliarden lieber in Zukunftstechnologie stecken, die Sozialpolitiker haben die Wende weg von der Traditionsbranche noch nicht vollzogen.Bündnis 90/Die Grünen fordern einen konkreten Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleförderung.Ein Beispiel haben sie vor der Haustür.Im benachbarten Bergbau-Revier Lothringens kommt im Jahr 2005 definitiv der Deckel auf den letzten Schacht. Hier setzt die zentrale Kritik der Opposition an.Während die Franzosen eine offensive Standortpolitik betreiben und Ansiedlungserfolge wie die Autofabrik für den "Smart" vorweisen können, konzentriere sich das Saarland darauf, Hilfe vom Bund einzufordern.In der Tat liegt bereits ein 2,7 Mrd.DM schweres Maßnahme-Paket in Bonn vor, mit dem man den Strukturwandel abfedern will.Doch bisher sagt Bonn "nein".Untätig ist die Landespolitik dennoch keineswegs.Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Krajewski setzt vor allem auf junge, akademische Existenzgründer.Denn die Ausrichtung der Saar-Universität sowie der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Richtung wirtschaftsnahe Forschung ist eines der Markenzeichen Lafontainischer Politik.Bei Ansiedlungen von draußen favorisiert die Ministerin innovative Dienstleister wie "Call Center" - der Online-Dienst AOL/Bertelsmann und die Telefongesellschaft debitel haben in ihren Centern an der Saar Hunderte von Jobs geschaffen.Größter Industrie-Arbeitgeber ist seit längerem die Automobilindustrie.Sie investiert kräftig.Allein Ford steckt 750 Mill.DM in seine Saarlouiser Autofabrik.Um das Werk herum entsteht auf landeseigenem Gelände und in Hallen, die einer Landesgesellschaft gehören, ein Industriepark, in dem die wichtigsten Zulieferer Teile des neuen "Escort" zusammenbauen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false