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Wirtschaft: Die traditionelle Schminkenfabrik Leichner in Kreuzberg setzt auch auf die Filmszene als Kunden

Wer Rang und Namen hatte in der Hauptstadt, war gekommen. Eine Denkmalweihe mit so erlauchtem Gast wie Prinz Eitel Friedrich, Sohn Wilhelms II.

Wer Rang und Namen hatte in der Hauptstadt, war gekommen. Eine Denkmalweihe mit so erlauchtem Gast wie Prinz Eitel Friedrich, Sohn Wilhelms II., erlebte man nicht alle Tage. Der kleine Menzel hatte sich in den Tiergarten aufgemacht, und auch Hofmaler Anton von Werner war da, hatte seinen Skizzenblock dabei, sollte doch von der Übergabe des Denkmals Richard Wagners ein kolossales Gemälde entstehen. Der Schminkenfabrikant Johann Ludwig Leichner hatte das Standbild gestiftet, auf dem Gemälde würde er später im Mittelpunkt stehen, sich dem Prinzen ebenso selbstbewußt wie ehrerbietig nähern.

Natürlich hat eine Kopie des berühmten Bildes einen Ehrenplatz in den neuen Geschäftsräumen der Leichner Kosmetik GmbH in einem Gewerbehof am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer 39/40. Nicht weit entfernt steht ein Bronzekopf des Firmengründers und verstärkt den etwas musealen Eindruck, den der Besucher gewinnt. In Vitrinen sind die archivarischen Schätze der Firma ausgebreitet, "Puder französischer Art", Fettstifte mit altertümlichen Aufdrucken, Werbematerial mit jungen Damen, deren Kleidung wohl einst als spärlich bezeichnet wurde.

Die Berufung auf die Tradition geschieht aus gutem Grund, denn wenn die alte und doch neue, soeben wiedereröffnete Firma ein Pfund hat, mit dem sie wuchern kann, dann ist es der gute Name, den Leichner in der Welt der Kosmetik und im Segment der Theaterschminke einst weltweit besaß. Vor wenigen Monaten noch schien es, als werde den Name Leichner hier ganz verschwinden. Dann hätte es nur noch das etwas ramponierte Grab Leichners auf dem St. Annen-Friedhof in Dahlem gegeben, seine Villa in der Rheinbabenallee und im Museum das Anton-von-Werner-Bild, in den Archiven der Gedächtniskirche wohl auch Hinweise auf Leichner als Spender der Orgel und in Weimar das Wagner-Museum, das auf seine Initiative dort unterkam. Aber die Salben, Schminken, Fettstifte, die Namen wie "Südseebraun", "Ocre-Orient" oder "Star-Madame" tragen - Staub von gestern. Und die alten Geräte, mit denen das Warensortiment noch nach gleicher Methode wie vor Jahrzehnten in Handarbeit hergestellt wurde, wären auf dem Schrottplatz gelandet.

Er möge die Firma liquidieren, hatte die letzte Eigentümerin des bis zuletzt in Familienbesitz befindlichen Unternehmens den Berliner Rechtsanwalt Gereon Sandhage gebeten. Der sah sich die Räume in der Lichtenrader Bahnhofstraße an, staunte erst, nein, so etwas hatte er noch nicht gesehen, und sollte man das wirklich liquidieren? Und so ist er gemeinsam mit seiner Frau Katrin gleich selbst eingestiegen, führt die Leichner Kosmetik GmbH weiter, sucht sie, wenn nicht gleich zu altem Glanz, aber doch auf solide Füße zu stellen. Zwei Angestellte wurden aus Lichtenrade mitgenommen, zwei weitere eingestellt. Einfach sei der Wiederbeginn natürlich nicht, sagt Katrin Sandhage, von Hause aus ebenfalls Juristin. Man hat das Sortiment erst mal ausgedünnt, antichambriert nun auch in den Theatern oder bei Fußball-Funktionären (Schminke in Hertha-Blau!), setzt auf die Schminklust der Kinder und die Filmszene. Für Actionszenen gibt es gleich zwei neugemischte Blutsorten: "Blut hell" und "Blut dunkel".

"Was die Natur nicht gibt, gibt Leichner", hatten die Werbeleute der Firma in deren Blütezeit flott gedichtet. Den Erfolg hätte sich der Firmengründer Ludwig Leichner nie träumen lassen, als er noch unter dem Künstlernamen Carlo Rafael auf der Opernbühne Arien schmetterte. Ein Mann mit vielen Interessen: ein anderes galt der Chemie. Zunächst mehr als Zeitvertreib experimentierte er mit Theaterschminke herum, die damals in ihrer Zusammensetzung alles andere als gesund war. Aus dem Hobby wurde schließlich ein Beruf und aus dem Bariton ein Fabrikant, der 1873 in Berlin seine Poudre- und Schminkenfabrik gründete und seine ehemaligen Kollegen mit der ersten bleifreien Schminke belieferte. 1897 wurde Leuchner zum Königlich Preußischen Kommerzienrat ernannt. Da war es nur recht und billig, der Stadt seines Erfolges ein Wagner-Denkmal zu spendieren.

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