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Wirtschaft: Die tschechische Krone wird immer begehrter

Alle Rekorde scheint derzeit der Wechselkurs der tschechischen Währung zu brechen.Kletterte die Krone nach vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni von nahezu 19 auf rund 18,50 Kronen zu 1 DM, verbesserte sich dieses Verhältnis binnen weiterer vier Wochen um fast eine Krone.

Alle Rekorde scheint derzeit der Wechselkurs der tschechischen Währung zu brechen.Kletterte die Krone nach vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni von nahezu 19 auf rund 18,50 Kronen zu 1 DM, verbesserte sich dieses Verhältnis binnen weiterer vier Wochen um fast eine Krone.Seit ihrer Krise im Mai 1997 ist sie nicht mehr an einen Währungskorb gebunden, sondern nur noch an die D-Mark angehängt.Am Dienstag vormittag bekam man in Prag für 1 DM lediglich 17,45 Kronen.Selbst Interventionen der tschechischen Zentralbank, die in der vergangenen Woche etwa eine Mrd.DM einkaufte und am Freitag ihren vierzehntägigen Repo-Satz von 15 auf 14,5 Prozent senkte, stillten die Nachfrage nach der Krone keineswegs und stoppten ihren Aufwärtstrend lediglich vorübergehend.

Gleichzeitig stieg das Geschäftsvolumen an der Prager Börse innerhalb der letzten Woche um durchschnittlich 23,7 Prozent und infolge dessen erholten sich die Aktienkurse zum Teil kräftig: SPT Telecom nahm um 6,61 Prozent zu, Unipetrol stieg um 12,11 Prozent und Aktienpreise der Komercni Banka (Kommerzbank), monatelang im Tief, wuchsen um 16,6 Prozent.Beobachter verbinden diese Entwicklung mit dem entspannten Verhalten der internationalen Investoren, das nach der Entscheidung des IWF, Rußlands Wirtschaft doch noch mit einem bedeutenden Darlehen unter die Arme zu greifen, in der ganzen mittelosteuropäischen Region zu spüren sei.

Die besondere Vorliebe für tschechische Kronen hat jedoch ganz konkrete Ursachen: Während auf dem Finanzmarkt in London derzeit 3,63 Prozent Darlehenszinsen für DM-Kredite fällig sind, verdient man im gleichen Zeitraum in Prag, nachdem man dort beispielsweise die geliehenen D-Mark in Kronen umgetauscht und in Obligationen oder kurzfristige Staatsanleihen angelegt hatte, mehr als 14 Prozent an Zinsen.Operationen dieser Art werden von internationalen Bankhäusern getätigt, die einen Teil des Gewinnes an Investoren weiterleiten, indem sie Eurobonds in Kronen anbieten.

Die tschechische Inflationsrate von 10-12 Prozent kann außer Acht gelassen werden, da die Anlagen in Kronen nach Ablauf der Frist wieder in harte Währungen konvertiert werden.Vorausgesetzt, daß die Krone während einer solchen Transaktion nicht an Wert verliert, wird der Gewinn lediglich von der viel geringeren Inflationsrate im Westen geschmälert.Polnische oder ungarische Währungen sind für solche Geschäfte weniger geeignet, da sie einer planmäßigen Abwertung unterliegen.Von internationalen Rating-Agenturen bekommt Tschechien außerdem sehr gute Bewertungen hinsichtlich seiner Fähigkeit, kurzfristige Staatsschulden zu begleichen.Dadurch wird die Risikobereitschaft der Investoren zusätzlich gefördert.

Nach Expertenmeinung müßte der Wechselkurs der tschechischen Krone jedoch etwa 19 Kronen zu einer DM betragen, um der momentan eher problematischen Wirtschaftslage mit stagnierendem Wachstum zu entsprechen.Auch die politische Entwicklung nahm in Prag nach den Parlamentswahlen in Juni eine überraschende Wende.Nachdem die drei Mitte-Rechts-Parteien es nicht fertig brachten, ihre knappe Parlamentsmehrheit in eine Regierungskoalition umzumünzen, rauchten die zwei Erzfeinde auf der tschechischen Politbühne die Friedenspfeife, indem sie einen schriftlichen "Oppositionsvertrag" abschlossen.Demnach bildete der Wahlsieger und bisherige Parlamentsvorsitzende Milos Zeman eine sozialdemokratische Minderheitsregierung, die der frühere konservative Ministerpräsident Vaclav Klaus, der inzwischen den Parlamentsvorsitz übernahm, mit seiner zweitstärksten Parlamentsfraktion angeblich vier Jahre lang dulden will.Am Mittwoch werden die neuen Minister von Präsident Vaclav Havel vereidigt.Josef Tosovsky, Chef der bisherigen Übergangsregierung, wird an seinen früheren Posten als Gouverneur der Zentralbank zurückkehren.

Inzwischen beginnen die Sozialdemokraten, von einigen ihrer Wahlversprechen leise Abschied zu nehmen.Die von Tosovsky vorbereitete Privatisierung der halbstaatlichen Bankhäuser, noch vor kurzem von Sozialdemokraten als "vorschnell" abgelehnt, soll nun doch bis zur Jahrtausendwende über die Bühne gehen.Der neue Finanzminister Ivo Svoboda deutete außerdem an, wegen der Staatsverschuldung (etwa 17 Prozent des Bruttosozialprodukts) wird man sich wohl im Staatshaushalt 1999 kaum ein Defizit leisten können.Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, will man sich auf exportfördernde Maßnahmen verlassen und aktiv eine "Industriepolitik" betreiben, deren Umrisse allerdings nebulös sind.Daher befürchtet man, daß die jetzigen Mißstände in maroden halbstaatlichen Betrieben eher konserviert als durch konsequente Restrukturierung beseitigt werden könnten.Andererseits beginnen die noch unter Vaclav Klaus geschnürten und von Josef Tosovsky befolgten Sparpakete wohl doch Früchte zu tragen - die Unternehmensgewinne zogen zuletzt kräftig an.

LUDMILA RAKUSAN

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