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Wirtschaft: „Die Verbraucher sind betrogen worden“

Der Energiemanager und EnBW-Chef Gerhard Goll über hohe Strompreise, schlechte Verbandspolitik und Ex-Minister Werner Müller

Herr Goll, die Strommonopole sind seit fünf Jahren abgeschafft. Billiger ist Strom heute aber nicht. Ist da etwas schief gelaufen?

Es gibt Kollegen in der Energiebranche, die glauben, dass zwar die Liberalisierung, nicht aber der Wettbewerb ausgerufen worden ist. Und weil die Energieversorger sich wettbewerbswidrig verhalten, gibt es bislang auch so wenige Kunden, die ihren Lieferanten gewechselt haben.

Das allein erklärt noch nicht die Preise.

Dafür sorgen die überhöhten Netzentgelte, also die Preise für die Durchleitung durch fremde Leitungsnetze. Einige Unternehmen halten sich so Konkurrenz vom Leib und subventionieren zugleich ihre eigenen Strompreise. Hinzu kommt die wachsende Steuerbelastung. Es war schon immer Mode, Grundbedürfnisse der Menschen mit Abgaben zu belegen, um den Staatshaushalt zu sanieren.

Die Bundesregierung ist auch unzufrieden mit dem Wettbewerb und will jetzt sogar eine Regulierungsbehörde einrichten. Sollte sich der Staat nicht besser heraushalten?

Bei den leitungsgebundenen Energien Strom und Erdgas ist es wie mit den Straßen. Wenn die nicht allen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen, dann gibt es auch keinen Wettbewerb. Es geht nicht ohne staatliche Aufsicht . Der Staat muss auf Dauer dafür sorgen, dass die Stromnetze jedem zu gleichen und fairen Bedingungen zur Verfügung stehen. Ohne ein Netz ist das Produkt Strom nichts wert.

Haben Sie keine Angst vor einer neuen Riesenbehörde?

Wenn man die Aufgaben dem Kartellamt oder dem Wirtschaftsministerium selbst überträgt, wächst kein neuer bürokratischer Wasserkopf. Das geht viel einfacher.

Bis jetzt hat die rotgrüne Regierung auf freiwillige Vereinbarungen der Wirtschaft gesetzt. . .

. . . und die Verbände haben ihr Versprechen, alles selbst zu regeln, nicht eingelöst. Die Energielobbyisten suchen immer nur einen Weg, der niemandem weh tut. Wenn man einen Monopolisten zum Wettbewerber machen will, ist das jedoch mit Schmerzen verbunden. Selbst der beteiligte Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vertritt nicht die Interessen seiner Mitglieder, jedenfalls nicht die der großen Stromverbraucher, weil der BDI immer noch auf freiwillige Vereinbarungen setzt. Dabei haben die Industrieunternehmen selbst und auch die Verbraucherverbände längst erkannt, dass sie mit den Verbändevereinbarungen betrogen worden sind.

Regierung und Energieverbände sagen, Deutschland habe eine Vorreiterrolle bei der Liberalisierung des Energiemarktes in Europa.

Das ist eine Ausrede der Branche. Schauen Sie nach Norwegen oder Großbritannien. In der EU könnten wir unsere Forderungen nach mehr Wettbewerb viel glaubhafter durchsetzen, wenn wir den Wettbewerb im eigenen Land ernster nähmen.

Sie haben Deutschlands bekanntesten überregionalen Stromanbieter Yello erfunden. Und der hat Konkurrenten bis jetzt rund 900000 Kunden abgejagt. Der Wettbewerb funktioniert doch?

Wir haben jahrelang hartnäckig gegen hohe Widerstände gekämpft. Um uns herum sind unterdessen viele neue Marken gestorben. Die Verbände sagen, der Deutsche wolle gar keinen neuen Stromanbieter. Deshalb gebe es auch so wenige Wechsler. Und wir dürften die Kunden doch nicht mit etwas beglücken, was die Kunden gar nicht wollten. Wahr ist dagegen, dass den Wechselwilligen Schauergeschichten erzählt worden sind, wie kompliziert und gefährlich das alles sei bis zur Androhung, den Strom abzustellen.

Yello hat also überlebt, weil EnBW in der Lage ist, seine gelbe Tochter zu subventionieren?

Das ist sicher so. Viele der neuen Stromanbieter waren einfach unterkapitalisiert. Die Neuen sind aber auch von der Politik und der Branche enttäuscht, wenn nicht sogar getäuscht worden. Die anfangs versprochenen Wettbewerbsbedingungen sind nicht eingehalten worden. Im Übrigen: Yello hat bislang nicht mehr gekostet, als wenn wir ein Stadtwerk mit dieser Kundenzahl gekauft hätten.

Sie galten als einer der härtesten Gegner der Fusion Eon und Ruhrgas, haben gegen die Ministererlaubnis geklagt und sich am Ende ihre Zustimmung abkaufen lassen. Eon-Chef Ulrich Hartmann sprach sogar von Erpressung.

Damit meint er aber nicht uns. Wir haben keine geldwerten Vorteile aus der Rücknahme unserer Klage. Wir haben von Anfang an gesagt, dass diese Fusion industriepolitisch Sinn machen und sogar einen Beitrag zu mehr Wettbewerb leisten kann. Ohne uns hätte es keine zweite Ministererlaubnis mit härteren Auflagen für Eon gegeben. Ohne uns würden Eon und Ruhrgas keine weiteren Beteiligungen über die Ministerauflagen hinaus abgeben.

Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller hat die Fusionserlaubnis erteilt und soll nun Chef des Kohlekonzerns RAG werden. Dort ist Eon Großaktionär und Hartmann Aufsichtsratsvorsitzender. Das hat doch Gschmäckle?

In diesem Land hat vieles ein Gschmäckle. Hier signalisiert mir meine Nase Neutralität. Ich habe Herrn Müller einmal gefragt, ob er mein Nachfolger werden will. Daraus können Sie meine Wertschätzung ablesen. Er hat einen wesentlichen Beitrag zur Beruhigung der Debatte um Kernenergie geleistet. Müller würde ganz unabhängig die Interessen der RAG wahrnehmen.

EnBW will sich von seinem Sorgenkind, dem Schuhhersteller Salamander, trennen. Haben Sie jetzt einen Käufer?

Garant will die Schuhmarke Salamander übernehmen. Darüber sind wir uns einig. Wir werden jetzt noch einige Sanierungsschritte erledigen. Der Verkauf wird im Laufe des Jahres stattfinden.

Und was wird aus dem Dienstleistungsgeschäft von Salamander, etwa dem Gebäudereiniger Gegenbauer-Bosse? Wird die Salamander AG komplett zerlegt?

Alle Unternehmen unter dem Dach der Salamander AG sollen in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden. Da gibt es verschiedene Wege. Das ursprüngliche Ziel, diese Firmen in ein großes Ganzes zu integrieren, wurde nicht erreicht.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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