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Wirtschaft: Die wahre Last der Schulden

Es ist ärgerlich, immer wieder im Wahlkampf mit unsinnigen Aussagen von Politikern und deren Experten konfrontiert zu werden. Ein gutes Beispiel ist die Behauptung, es sei unverantwortlich, jedes neugeborene Kind mit einer Staatsschuld von mehr als 18000 Euro zu belasten.

Es ist ärgerlich, immer wieder im Wahlkampf mit unsinnigen Aussagen von Politikern und deren Experten konfrontiert zu werden. Ein gutes Beispiel ist die Behauptung, es sei unverantwortlich, jedes neugeborene Kind mit einer Staatsschuld von mehr als 18000 Euro zu belasten. Um diese ungerechte Belastung zukünftiger Generationen zu verringern, müsse rasch die Staatsverschuldung abgebaut werden.

Dies ist purer Unsinn. Staatsschulden sind Forderungen von Bürgern und Institutionen, die diese Schuldtitel gekauft haben. So lange diese Schulden zurückbezahlt werden, sind sie Teil des Vermögens des privaten Sektors. Gesamtwirtschaftlich gleichen sich Schulden und Forderungen aus. Nur wenn ausländische Investoren Bundesobligationen erwerben, ist Deutschland gegenüber dem Ausland ein Schuldner. Das kann aber nicht ein Problem sein, denn Deutschland ist insgesamt ein Nettogläubiger gegenüber der restlichen Welt.

Defizite im Staatshaushalt bedeuten, dass der Staat mehr ausgibt als er einnimmt. Ob dies gut oder schlecht zu bewerten ist, hängt davon ab, wozu der Staat das Geld ausgibt. Unterstützt er die Konjunktur, zahlt er die Renten und die Sozialhilfe, investiert er in die Ausbildung oder Infrastruktur, dann sind dies gute Gründe, zeitweise über die Einnahmen hinaus Geld auszugeben. Denn das für den Generationenvertrag relevante Volksvermögen ist das Sachkapital (Fabriken, Immobilien, Infrastruktur) und das Humankapital in Deutschland, plus das Nettoauslandvermögen.

Um das Haushaltsdefizit nicht noch mehr anzuheben, wurden in den vergangenen Jahren die Investitionen des Staates gekürzt und die Konjunktur nicht genügend antizyklisch belebt. Dadurch ist unser Volksvermögen weniger angestiegen, als möglich gewesen wäre. Vernünftig wäre gewesen, im Wahlkampf zu fordern, dass mittelfristig Haushaltsüberschüsse erzielt werden, aber kurzfristig zur Ankurbelung der Binnennachfrage das Defizit deutlich angehoben wird durch Mehrausgaben für Ausbildung, Forschung und die Infrastruktur.

Deutlich muss auch gesagt werden: Noch nie in der Vergangenheit waren die Neugeborenen so großzügig mit Vermögen ausgestattet wie heute. Die Generation der Rentenempfänger, die immer mehr als Last für die Gesellschaft empfunden wird, wurde mit weitaus weniger Sach- und Humankapital geboren. Wenn sich im Generationenvertrag eine Frage der Gerechtigkeit stellt, dann muss sie lauten: Wie kompensieren zukünftige Generationen ihre Vorgänger für das ihnen überlassene Vermögen? In der Absicherung und Gestaltung der Renten muss die Antwort gegeben werden.

Der Autor ist Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)in Berlin

Alfred Steinherr

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