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Wirtschaft: Die Welt bekommt eine neue Finanzarchitektur - in Kooperation der Industrie- und Schwellenländern

Der Zusammenhalt zwischen den wohlhabenden Industriestaaten und den aufstrebenden Schwellenländern ist so groß wie nie zuvor. Das ergab das erste Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus 19 Industrie- und Schwellenländern sowie Vertretern der Europäischen Union.

Der Zusammenhalt zwischen den wohlhabenden Industriestaaten und den aufstrebenden Schwellenländern ist so groß wie nie zuvor. Das ergab das erste Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus 19 Industrie- und Schwellenländern sowie Vertretern der Europäischen Union. Doch schon am Tag der Gründung kritisierten Ökonomen die neue G-20. Auf der Konferenz ging es auch um die Zukunft des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Von einer "völligen Übereinstimmung" der Sichtweisen der versammelten Industrie- und Schwellenländer berichtete der kanadische Finanzminister Paul Martin nach dem Treffen am Donnerstag. Damit überraschte der Vorsitzende der G-20. Martin zufolge sind die Minister und Notenbankchefs bereit, sich dazu zu verpflichten, so genannte Transparenzberichte über die Einhaltung internationaler Regeln für die Finanzmärkte zu veröffentlichen. Eine breitere Umsetzung, so hätten die Teilnehmer übereinstimmend konstatiert, leiste einen Beitrag zu größerem Wohlstand der nationalen Volkswirtschaften und stabilisiere das internationale Finanzsystem. "Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass wir derartige Fortschritte erzielen", sagte Martin. Der kanadische Minister verwies auf die unmittelbar bevorstehende Regulierung der hoch spekulativen Hedgefonds.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sagte, die G-20 ergänze die Arbeit von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Die G-20 sei ein neuer Akteur, der für eine neue Finanzarchitektur stehe. Die Finanzmärkte waren in den vergangenen Jahren wiederholt in Krisen geraten, deswegen war der Ruf nach einer neuen Architektur laut geworden.

Ob sich der IWF verschlanken solle, wie Eichels amerikanischer Kollege Larry Summers jüngst vorgeschlagen hatte, bezweifelte der deutsche Finanzminister. Es bedürfe einer genaueren Diskussion darüber, ob der IWF mehr oder weniger Einfluss bekommen müsse. Der Amerikaner hatte gefordert, der IWF solle künftig seine Rolle als Kreditgeber auf Notfälle beschränken. Er dürfe keinesfalls bloß eine Quelle für billiges Geld jener Staaten sein, denen der Zugang zu Privatkapital ohnehin offen stehe.

Ziel der G-20 ist die Formulierung gemeinsamer politischer Vorstellungen in der weltweiten Finanz-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Die G-20-Staaten wollen selbst eine Vorbild-Funktion für den Rest der Welt einnehmen. Der Weltkonjunktur-Experte des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Joachim Scheide, bezweifelte den Sinn der G-20. "Je größer so ein Kreis ist, umso weniger konkret sind die Ergebnisse", sagte Scheide dem Tagesspiegel im Hinblick darauf, dass die G-20 fast dreimal so groß sei wie die G-7. Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, sprach sich gegen die Bildung neuer Institutionen mit einer Vielzahl von Staaten als Mitglieder aus. Die Gründung der G-20 sei überflüssig, sagte Walter der Deutschen Welle.

An dem ersten G-20-Treffen nahmen neben den Finanzministern und Notenbankchefs aus 19 Ländern, Wolfensohn und Camdessus auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, und der EU-Ratspräsident teil. Das nächste Treffen ist in der zweiten Hälfte 2000 in Kanada.

Am Rande der Berliner Konferenz ging es auch um die Nachfolge des Geschäftsführenden Direktors des IWF, Michel Camdessus. Als aussichtsreichster Bewerber gilt der deutsche Finanz-Staatssekretär Caio Koch-Weser. Am vergangenen Freitag hatten sich die EU-Staaten am Rande des Gipfels von Helsinki auf Koch-Weser als einzigen europäischen Kandidaten für die Nachfolge von Camdessus ausgesprochen. Camdessus nahm wie der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, an dem Berliner Treffen teil. Camdessus kritisierte am Mittwoch die langatmige Auswahl seines Nachfolgers. Eichel sagte, das Thema des IWF-Chefs habe "nicht auf der offiziellen Tagesordnung" des Treffens gestanden. Er erwarte eine Entscheidung in der zweiten Januarhälfte. Der 55-jährige Koch-Weser war Jahrzehnte lang bei der Weltbank, unter anderem von 1991 bis 1996 als Vize-Präsident.

jhw

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