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Wirtschaft: Die Wirtschaft fordert eine Regierung

BDI mahnt Politiker, die Verantwortung für das Land ernst zu nehmen – Handwerk freut sich auf Glos

Berlin - Die Wirtschaft hat die Politik aufgefordert, zügig eine handlungsfähige Bundesregierung zu bilden, und sich ausdrücklich nicht auf eine große Koalition festgelegt. Die Entscheidung der CSU, Michael Glos statt Edmund Stoiber als Wirtschaftsminister in ein schwarz-rotes Kabinett zu entsenden, stieß auf Zustimmung.

„Ich appelliere an die Politiker aller Parteien: Nehmen Sie die Verantwortung für unser Land ernst“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann. Insbesondere die Mitglieder des SPD-Vorstands rief er auf, für Klarheit zu sorgen. „Nun müssen sie erklären, welche Koalition sie wirklich wollen, wer mit welchem Mandat die Koalitionsgespräche führt und wann Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung haben soll.“

Parteichef Franz Müntefering habe sich „sehr verantwortungsvoll“ für eine stabile Regierung eingesetzt und sei zum Rückzug genötigt worden. Deutschland werde seit der Neuwahl-Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende Mai nicht mehr regiert. Auch die Bauindustrie, die stark von staatlichen Aufträgen abhängt, zeigte sich besorgt. „Wir sind höchst alarmiert. Die Branche braucht eine handlungsfähige Regierung“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie, Heiko Stiepelmann, dem Tagesspiegel. Besonders dringlich sei die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2006, der im günstigsten Fall nicht vor März vorliegen werde. „Es fehlen Anschlussverträge, und das kostet Geld.“

Thomas Fischer, Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken, sparte nicht mit deutlichen Worten: „Dieses Land kann sich weder eine Verzögerung bei der Regierungsbildung leisten noch eine instabile Koalition oder eine Regierung, die die Reformen nicht fortsetzen will“, sagte er dem Tagesspiegel. Wenn die Politik nicht in der Lage sei, ein regierungsfähiges Bündnis herzustellen, dann müsse der Souverän noch einmal zur Wahl aufgefordert werden.

Das Handwerk begrüßte die Entscheidung für Glos, dessen Familie seit vielen Generationen im Müllerhandwerk tätig ist, als Wirtschaftsminister. Der Unterfranke sei ein gestandener Handwerksmeister, der die Probleme des Mittelstandes aus eigener Anschauung kenne, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hanns-Eberhard Schleyer. Der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) kritisierte hingegen den Rückzug des bayerischen Ministerpräsidenten aus der möglichen großen Koalition. „Das ist typisch Stoiber. Er ist ein großer Zögerer und Zauderer“, sagte BGA-Präsident Anton Börner, Inhaber eines Sanitärgroßhandels in Ingolstadt (siehe Interview). Der Wirtschaftsrat der CDU dagegen sieht in Stoibers Rückzug die Chance für einen Neuanfang in der Union. Die Entscheidung biete eine gute Chance für eine Neuorientierung in dem für die Zukunft unseres Landes so entscheidend wichtigen Feld der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, hieß es.

Das politische Durcheinander schlug sich am Dienstag wie schon am Vortag nicht in den Aktienkursen nieder. Manche Börsianer spekulieren allerdings jetzt auf ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen. So schloss die Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein in einer Analyse für Investoren Neuwahlen nicht aus. In diesem Fall seien die Chancen eines schwarz-gelben Siegs im Vergleich zur Wahl im September gestiegen, da der SPD Schröder und Müntefering als Führungsfiguren fehlten. Dies würde vor allem der Industrie und der Energiebranche zu Gute kommen, hieß es in der Strategieempfehlung. Eine rot-rot-grüne Koalition aus SPD, PDS und Grünen halten die Analysten der Bank dagegen für unwahrscheinlich.

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