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Wirtschaft: Die wundersame Auferstehung von Sachsenring

Der Zulieferer wächst rasant und schreibt schwarze Zahlen / Starke Abhängigkeit von VWVON MANFRED SCHULZE, ZWICKAU"Es ist ja eigentlich kurios, zu DDR-Zeiten baute Sachsenring den als Duroplast-Panzer verspotteten Trabi, und jetzt verstärken sie Nobelkarossen mit Stahlplatten und bauen Pullmann-Limousinen aus Serienfahrzeugen", schmunzelt Gunter Sandmann, Sprecher im benachbarten VW-Werk."Aber Spaß beiseite, wir haben mit Sachsenring seit Jahren die besten Erfahrungen als Zulieferer".

Der Zulieferer wächst rasant und schreibt schwarze Zahlen / Starke Abhängigkeit von VWVON MANFRED SCHULZE, ZWICKAU

"Es ist ja eigentlich kurios, zu DDR-Zeiten baute Sachsenring den als Duroplast-Panzer verspotteten Trabi, und jetzt verstärken sie Nobelkarossen mit Stahlplatten und bauen Pullmann-Limousinen aus Serienfahrzeugen", schmunzelt Gunter Sandmann, Sprecher im benachbarten VW-Werk."Aber Spaß beiseite, wir haben mit Sachsenring seit Jahren die besten Erfahrungen als Zulieferer". Täglich rollen pünktlich auf die Minute die LKW mit dem altbekannten Logo von Sachsenring an die Rampen und bringen komplett vormontierte Hilfsrahmen für das Motormanagement sowie Federbeinsysteme.Der Autozulieferer, der auch Kugelgelenke für Opel, komplette Lastwagen-Fahrerhäuser oder Türen für Audi-Cabrios per Bahn ausliefert, ist besonders eng mit dem Volkswagen-Konzern verbunden: Auch die anderen Fertigungsstätten der Wolfsburger stehen auf der Lieferliste, was die Banken dazu veranlaßte, diesen Punkt unter "Risikofaktoren" auf ihre Waschzettel für die Aktienzeichnung zu vermerken: Die Sachsenring Automobiltechnik, so heißt es bei Konsortialführer Dresdner Bank, habe "eine starke Abhängigkeit vom VW-Konzern" und als vergleichsweise junges Unternehmen dünne bilanzielle Reserven. Doch die Positivliste der Banker, die Sachsenring an die Börse begleiten und sich kaum einen Flop leisten können, überwiegt bei diesem Unternehmen eindeutig, so daß die Überzeichnung nur folgerichtig war."Tut uns leid, aber eigentlich liegen die Aussichten fast bei Null", mußte Anlageberater Dierk von Reißner von der Dresdner Bank selbst seinen besten Kunden gestehen.Trotz niedriger Zuteilungsquote werde der Bezug der 2,33 Mill.Aktien wohl zusätzlich ausgelost.Sie werden 25 DM kosten und am Donnerstag erstmals im Marktsegment Neuer Markt in Frankfurt (Main) gehandelt werden.Mit dem Börsengang fließen dem ostdeutschen Unternehmen rund 58 Mill.DM zu.Die freien Aktionäre werden mit knapp 28 Prozent an Sachsenring beteiligt.Die beiden Brüder Ulf und Ernst Wilhelm Rittinghaus halten künftig nur noch 44 Prozent des Grundkapitals.Vorstandsmitglied Jürgen Rabe wird mit etwa 7 Prozent beteiligt sein. Dabei war das, was heute wie eine bilderbuchhafte Erfolgsgeschichte aussieht, zunächst eine drastische Talfahrt.Trabis, obwohl kurz vor der Wende noch rasch auf den kleinen Polo-Motor umgerüstet, ließen sich zwar vor der Wende mit fünfzehn Jahren Wartezeit und mancher Schieberei verkaufen, nicht aber mit dem Blick auf die D-Mark.Die 11 500 Mitarbeiter von Sachenring waren mit die ersten, die einen bitteren Geschmack von den Kräften des freien Marktes spürten: schon im März 1990 stand das Symbol der DDR im Absatzstau, im Sommer standen auch die Bänder. Als die Gebrüder Rittinghaus im Dezember 1993 den Kauf unterschrieben, erhielten gerade 285 Mitarbeiter eine Chance in einem Betrieb, der "nur noch" als Zulieferer neu beginnen konnte.Die bereits im Westen als innovativ bekannten Unternehmer im Kunststoffbereich und Fahrzeugtechnik investierten nicht allein in den Umbau von Gebäuden und neue Ausrüstungen - rund 152 Mill.DM."Wir sind, und das ist leider selten im Osten, nicht nur verlängerte Werkbank, sondern haben auch mit 75 Ingenieuren ein starkes Entwicklerteam und eine große Fertigungstiefe", sagt Sachsenring-Pressesprecherin Antje Günther.Der im Vorjahr von Sachsenring präsentierte Prototyp eines neuentwickelten Pkw mit dem Arbeitstitel "Uni 1", der wahlweise mit Elektro- oder Benzinmotor fahren kann, ließ die Fachwelt schon erstmals aufhorchen - in Zwickau, wo einst mit Marken wie Wanderer, Horch oder DKW eine Wiege des deutschen Automobilbaues stand, wächst nicht nur VW.Das beweist schon ein Blick aus dem Vorstandsgebäude - früher war hier die Garderobe für die Belegschaft - auf das einst riesige Werksgelände, von dem Sachsenring trotz mittlerweile wieder 800 Mitarbeitern im Stammbetrieb nur einen Teil des alten Werkes füllt.In anderen Hallen haben sich weitere Zulieferer wie die Dr.Melleghy Preßwerke oder die Fahrzeugentwicklung Sachsen angesiedelt. Insgesamt zählt der Raum Zwickau sogar mehr als ein Dutzend Unternehmen in dieser Branche, die trotz der Abhängigkeit von VW meist schnell wachsen.Besonders rasant geht dabei Sachsenring zu Werke: Nach 110 Mill.Umsatz 1995 wurde ein Jahr später die Gewinnschwelle mit schon 170 Mill.DM erreicht.In diesem Jahr, so die Schätzung des Vorstandes, dürfte der Umsatz gleich um 100 Mill.DM wachsen, auch eine Dividende von 0,25 DM sei bereits für das laufende Jahr möglich. Neu ist auch, daß ein ostdeutscher Betrieb einen größeren westdeutschen schluckt.So staunten und haderten die Beschäftigten beim deutschen Marktführer für gepanzerte Limousinen in Bremen, Trasco, zunächst im Sommer diesen Jahres mit ihrem Zwickauer Schicksal, als sie aufgekauft wurden."Inzwischen hat sich dort die Stimmung gewandelt, weil wir dort kräftig investieren und auch das Personal nennenswert aufstocken werden", so die Sprecherin."Der Sonderfahrzeugbau", sagt die junge Frau und ordnet die letzten Sachen für die geplante Präsentation in Frankfurt (Main), "gehört zu den wichtigsten Wachstumsfeldern unseres Unternehmens."

MANFRED SCHULZE[ZWICKAU]

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