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Start-ups wollen den Kassenbon auf das Smartphone bringen.

© Illustration: iStock

App statt Kassenbon: Wie Start-ups die Warteschlangen im Supermarkt verkürzen wollen

Ab Januar gilt die Bonpflicht, das heißt, Händler müssen für jeden Verkauf einen Bon ausgeben. Gründer wollen diesen Prozess jetzt digitalisieren.

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Alles begann mit einer Kassenschlange. Der Bremer IT-Experte Amir Karimi war bei seinem Wochenendeinkauf endlich mit dem Bezahlen dran, als plötzlich die Papierrolle für die Kassenbons ausgewechselt werden musste. „Alle waren so genervt“, erzählt der 32-Jährige. Er fragte sich: „Wieso geht das nicht digital?“

2017 gründete er mit einem Freund die Firma A&G. Ihr einziger Geschäftszweck: die Entwicklung einer App, mit der sich Kassenbons direkt beim Bezahlen speichern und hinterher bequem verwalten lassen. Dadurch entfällt das Ausdrucken, und Belege für Garantiefälle müssen nicht länger in Schuhkartons gesammelt werden.

Zwei Jahre lang tüftelte die Firma an dem System und kooperierte dabei laut Karimi auch mit dem Druckerhersteller Epson. Im ersten Halbjahr 2020 soll die neue App namens „admin“ auf den Markt kommen – gerade rechtzeitig, um vielleicht von einer neuen Vorschrift zu profitieren. Denn ab Januar sind nahezu alle Händler verpflichtet, einen Kassenbon an ihre Kunden auszugeben. So verlangt es die sogenannte Belegausgabepflicht. Die Frage des Kassierers, ob der Kunde die Quittung überhaupt braucht, hat sich dann erübrigt.

Die neue Bonpflicht ist Teil der Kassensicherungsverordnung, mit der das Bundesfinanzministerium gegen Steuerbetrug vorgehen will. Der Bundesrechnungshof schätzt nämlich, dass an Ladenkassen jährlich etwa zehn Milliarden Euro hinterzogen werden. Die Steuerbehörden wollen verhindern, dass Händler ihre digitalen Aufzeichnungen nachträglich manipulieren. Gibt der Händler eine Quittung aus, können Steuerprüfer den Einkauf mit den Daten im elektronischen Kassensystem abgleichen – zumindest theoretisch, denn der Kunde ist nicht verpflichtet, den Kassenbon aufzubewahren.

Offene Ladenkassen sind jedoch nicht betroffen, etwa klassische Geldkassetten oder Schubladen in der Ladentheke. Ihr Kassensystem müssen kleine Straßenverkäufer oder Flohmarkthändler also nicht aufrüsten. Ebenso können Händler mit elektronischer Kasse in Härtefällen einen Antrag auf Befreiung stellen, über den dann die zuständige Finanzbehörde entscheidet. Allein die gestiegenen Kosten anzuführen, werde dafür aber nicht reichen, erklärte die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.

Zwar ist die Regelung längst beschlossen, uneins schien sich die Bundesregierung kurz vor Inkrafttreten dennoch zu sein: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor „Milliarden zusätzlicher Bons“ und forderte, die Belegausgabepflicht „komplett abzuschaffen“. Am Freitag verlangte auch die Unionsfraktion von den zuständigen Ministern noch einmal rasche Änderungen. Das Bundesfinanzministerium verwies aber bislang darauf, dass die Bons nicht zwingend ausgedruckt werden müssen. Händler können ihren Kunden die Quittung auch per E-Mail oder SMS schicken – oder den Beleg eben per App ausstellen.

Nicht jede App macht den Papierbon überflüssig

Der Handel ist jedoch skeptisch: Dass Kassierer bei jedem Einkauf demnächst nach der Mailadresse fragen, wollen die wenigsten glauben. Um die Quittung auf das Smartphone zu bringen, braucht es neue Technik. Das merkt auch Amir Karimi, der mit seiner Kassenbon-App derzeit dabei ist, genügend Händler oder Restaurants zu finden, die ihr System für digitale Bons aufrüsten. Karimi hat nach eigenen Angaben rund 35 größere Firmen an der Hand, von denen der Großteil bereits zugesagt habe. Bei der Schweizer Migros-Kette sei noch offen, ob sie mitmache. Die Einzelhandelskette Rewe habe hingegen abgesagt.

Sein Unternehmen A&G, das laut Karimi inzwischen 20 Mitarbeiter beschäftigt, ist jedoch nicht die einzige Firma, die den Kassenzettel digitalisieren will. Neben den Bremer Entwicklern gibt es Jungfirmen wie „Anybill“, „Epap“, „Wunderbon“ oder „Bill.less“. Aber nicht jede App macht den Papierbon komplett überflüssig. Erst ausdrucken, dann mit dem Handy abfotografieren – so lauten oft die Arbeitsschritte. „Das ist ein Schritt zu viel“, findet Karimi. Er lässt die Daten aus dem Kassensystem lieber gleich aufs Smartphone übertragen: per kontaktloser Nahfeldkommunikation (NFC) oder über das Abscannen eines QR-Codes. Auf ähnliche Art und Weise funktioniert bereits das kontaktlose Zahlen.

Der digitale Kassenbon kostet einen Cent

Die Smartphone-Besitzer müssen beim Installieren der kostenlosen App lediglich ihren Namen, ihr Geburtsdatum und eine Mailadresse hinterlegen. Alle Daten würden auf einem zentralen Server in Deutschland gespeichert und nicht weiterverkauft, sagt der Firmengründer. Ähnlich wie andere Kassenbon-Apps bietet auch sein System die Möglichkeit, die Kaufbelege zu sortieren oder nach Begriffen zu durchsuchen. So findet man schneller den Bon für den nächsten Umtausch. Außerdem lassen sich berufliche Ausgabenposten an den Steuerberater oder die Firmenbuchhaltung weiterleiten.

Die teilnehmenden Geschäfte oder Restaurants können ebenfalls von der Digitalisierung der Kassenbons profitieren: Je stärker die Kundschaft auf Smartphone-Apps umsteigt, desto weniger Papierrollen müssen sie anschaffen; die Kassendrucker brauchen nicht mehr so oft gewartet zu werden, und die Abfertigung soll schneller gehen. Bei Karimis App müssen Händler für jede Buchung einen Cent zahlen. Das sei jedoch billiger als ein Kassenzettel, der im Schnitt drei Cent koste, rechnet der Firmenchef vor. Auch die Umwelt soll vom Umstieg profitieren: Bäume werden nicht mehr zu Bons, und ökologisch wie gesundheitlich bedenkliches Thermopapier landet nicht im Müll.

Nur einer kann sich durchsetzen

Beim Handelsverband Deutschland (HDE) stoßen die neuen Smartphone-Apps auf Interesse: „Aus meiner Sicht hat das Potenzial“, sagt der zuständige HDE-Experte Ulrich Binnebößel. Bisher gebe es ja schon große Lebensmittelketten mit eigenen Digitalangeboten. Aber wer bei verschiedenen Märkten einkaufe, wolle statt solcher „Insellösungen“ lieber eine händlerübergreifende App. Vor allem kleine und mittelständische Firmen hätten daran Interesse. „Die Herausforderung für die Händler ist nur, den richtigen Anbieter auszuwählen“ – nämlich denjenigen, der sich auf dem Markt durchsetzt. Denn es gebe keinen Platz für beliebig viele Kassenbon-Apps.

Binnebößel hat aber eine Befürchtung: dass sich Konzerne wie Google auf diesem Feld breitmachen und dadurch ihren riesigen Datenschatz noch vergrößern könnten. Ginge es nach dem Verband, dann sollten lieber die Kreditinstitute ihre Girokarten und Apps für mobiles Bezahlen auch für das Sammeln digitaler Belege einrichten. Dann wären die sensiblen Daten zumindest dezentraler gespeichert – und nicht dort, wo ohnehin schon viele sind.

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