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Politik schnell wie DSL. CDU und SPD in Berlin überbieten sich mit Vorschlägen zur Förderung des Digitalstandorts.

© Arno Burgi/ dpa

Digitales Berlin: Der Senat ringt um jedes Megabit

Die Digitalwirtschaft ist der Wachstumstreiber für Berlin, belegen neue Zahlen. CDU und SPD entdecken ein Wahlkampfthema.

Was für eine Steilvorlage für Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer bei der Präsentation der Jahresbilanz der Standortförderagentur Berlin Partner am Montagmorgen: Warum sich der Aufbau des kostenlosen und drahtlosen Internets in der Innenstadt wie eine „Schwerstgeburt“ anfühle, wollte ein Reporter von ihr wissen. „Ich kann Ihnen das auch nicht erklären“, konterte die CDU-Politikerin. „Das müssen Sie schon die zuständige Verwaltung fragen.“ Zehn Jahre befasse sich der Senat schon damit, bestätigte Yzer – und erwähnte bei der Gelegenheit, dass die (SPD-geführte) Senatskanzlei den Aufbau dieses „City-W-Lans“ vor Jahren an sich gezogen hat.

Im Wahlkampfjahr rückt die Digitalisierung der Stadt in den Vordergrund

Das Thema Wirtschaft im Wahlkampfjahr: Drehte sich früher dabei viel um Strukturen und Subventionen, rücken heute Downloadraten und digitale Dienstleistungen der Verwaltungen in den Vordergrund. Je digitaler, desto besser für Bürger und Unternehmen, lautet die Annahme. Yzer verpasst daher kaum eine Gelegenheit, den SPD-geführten Senatsverwaltungen Versäumnisse vorzuwerfen und von ihrem Ringen mit Bundesministerien und Netzausrüstern wie Telekom oder Vodafone zu berichten.

Die SPD versucht sich zu profilieren

Die SPD hingegen will sich nicht weiter von Yzer vorführen lassen und versucht sich beim Thema digitale Verwaltung zu profilieren – eigentlich das Feld von CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel. So einigte sich die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses am Wochenende auf ihrer Klausurtagung in Jena auf die Forderung, dass Berlins Verwaltungen mit einem einheitlichen System für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) „auf neuestem Hard- und Softwarestand“ ausgerüstet werden sollten. Bisher seien „die Arbeitsplätze inakzeptabel unzeitgemäß ausgestattet, es gibt Computerpannen und veraltete Software“, heißt es in der Resolution. Der neue Staatssekretär solle das Budget des IT-Bereichs verwalten und dem Ressort für Personalentwicklung unterstehen.

Im vergangenen August fielen die Behörden-Rechner aus

Berlins Behörden-Computer waren zuletzt im vergangenen August nahezu flächendeckend ausgefallen. Der Strom in einem IT-Dienstleistungszentrum sei ausgefallen, hieß es. Wenige Wochen zuvor sowie im Juni 2015 war es ebenfalls zu Pannen gekommen. Ganz neu ist das Thema aber nicht: Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD und CDU einen „verstärkten Einsatz von IT“ vereinbart. „De facto gibt es nach fünf Jahren Koalition Unzufriedenheit über die Organisation der IT“, sagt Sven Kohlmeier, Netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Der eine macht Vorschläge, der andere setzt sie nicht um, und wenn es ums Zahlen geht, fühlt sich keiner zuständig“.

30 bis 60 Millionen Euro will der Senat in die Digitalisierung investieren

Mit dem neuen Staatssekretär müsse eine „Zentralisierung“ einhergehen, die allen Behörden des Landes einen „Anschluss und Benutzungszwang beim IT-Dienstleister des Landes“ auferlege. Möglich mache das das E-Government-Gesetz, das noch vor den Wahlen verabschiedet werde. 30 bis 60 Millionen Euro könnte der Senat investieren, um die Verwaltung fit für die digitale Zukunft zu machen, stellte SPD-Fraktionschef Raed Saleh in Aussicht.

Die Opposition kritisiert das Vorgehen der Regierung

„Es ist ein schlechter Witz, dass die SPD nun plötzlich die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben will“, erklärte Thomas Birk, Sprecher der Grünen-Fraktion für Verwaltungsmodernisierung. Es stehe alles im Koalitionsvertrag, nur habe die SPD bisher „keinen Finger krumm gemacht.“ Auch Simon Weiß, der IT-Experte der Piraten, bezeichnet die Vorschläge der SPD als „heiße Luft“: Die Probleme seien strukturelle und „nicht allein durch eine Stellenbesetzung“ in Griff zu kriegen.

Berlin hat bereits einen IT-Staatssekretär

Zudem hat Berlin eigentlich schon einen IT-Staatssekretär: Andreas Statzkowski (CDU). Auch er beklagte schon die „völlig diffuse IT-Landschaft“ der 74 Dienststellen. Statzkowski ist aber nicht nur für IT, sondern auch für Sport bei der Innenverwaltung zuständig. Die Doppelbelastung erklärt der Opposition zufolge, dass die Behörden-IT sowie das preislich nicht konkurrenzfähige „IT-Dienstleistungszentrums Berlin“ nicht längst umgekrempelt sind und das E-Government-Gesetz verabschiedet ist. Am 18. September wählt Berlin.

Bis zur Landtagswahl steht die Digitalisierung auf Yzers Agenda

So beackert Yzer das Gewinnerthema vorerst weiter. „Digitalisierung ist der Treiber Nummer eins“, lautete ihre zentrale Botschaft am Montag bei der Präsentation Berlin Partner: 289 Ansiedlungsprojekte haben die Partner demnach 2015 unterstützt. Immerhin 81 davon (28 Prozent) lassen sich klar dem Sektor IKT/Medien/Kreativwirtschaft zuordnen. 38 Prozent der insgesamt 723 Millionen Euro Investitionen und sechs Prozent der 6650 damit verbundenen neuen Arbeitsplätze entfallen auf diesen Sektor. Für die in Berlin dem Umsatz nach größeren Branchen Gesundheitswirtschaft und Verkehr und Logistik konnten Berlin Partner 2015 deutlich weniger tun. „In Berlin schlägt das digitale Herz Europas“, hielt Yzer fest. Klagen des bayrischen Finanzministers Markus Söder (CSU) über Versuche des Finanzausgleichsempfängerlandes Berlin, der Start-up-Metropole München Firmen abzujagen, kommentierte die Senatorin mit den Worten: „Ich finde es völlig in Ordnung, wenn Berlin in einer Situation ist, anderen Standorten Best-Practice-Beispiele zu geben.“ Man sei da gerne vorn. Zugleich betonte sie, dass Berlin mit Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg eng zusammenarbeiten wolle. Etwa wenn es darum gehe, attraktivere Bedingungen für Risikokapitalgeber, die in Start-ups investieren wollen, zu schaffen.

Schnelles Internet gibt es in fast allen Stadtteilen - mit einigen Ausnahmen

Gegen Ende der Präsentation kam Yzer dann noch einmal auf die digitale Infrastruktur und deren Bedeutung für Verbraucher zu sprechen. In 90 Prozent des Stadtgebiets seien schnelle Internetanschlüsse (Downloadraten von 50 Megabit pro Sekunde) verfügbar, erklärte Yzer. Tatsächlich sind laut einer Karte ihrer Senatsverwaltung, Stand Mitte 2015, diese Breitbandanschlüsse fast überall für mindestens 80 Prozent der Haushalte verfügbar. Nur in einigen Stadtteilen im Nordosten (Blankenfelde, Französisch Buchholz, Karow, Malchow, Wartenberg, Falkenberg) und im Berliner Südosten (Rahnsdorf und Müggelheim) liegt die Verfügbarkeit von derart schnellen Anschlüssen bei unter 60 Prozent. 50 Megabit pro Sekunde: „Das ist schon mal gut für zu Hause, um Schuhe bei Zalando zu bestellen“, sagte Yzer. Neue Unternehmen und Geschäftsmodelle bräuchten aber mehr, um Daten quasi in Echtzeit auszutauschen. Bleibt also genug zu tun – für wirklich alle Parteien.

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