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Bin ich noch nicht drin? Statt schnell zu surfen, müssen Nutzer manchmal lange warten. Gerade für Berliner Internetfirmen ist eine schnelle Verbindung grundlegend.

© IStock

Digitales Berlin: Die Tücken des Breitbandausbaus

Das Netz der Hauptstadt steht im Bundesvergleich gut da. Aber nicht jeder ist gut versorgt.

Nicht schon wieder: Ein Filmabend zu Hause, Vorfreude auf einen guten Streifen. Doch der Stream ist kein reißender Strom, vielmehr ein tröpfelndes Rinnsal. Ist das eigentlich normal im Jahr 2016, in einer deutschen Großstadt wie Berlin? Laut einer aktuellen Onlinestudie von ARD und ZDF nutzen bereits 15 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren Streamingdienste wie etwa Netflix. Nichtlineares Fernsehen über das Internet wird immer wichtiger. Das spüren auch Verbraucherschützer. Beschwerden über unzuverlässige und zu langsame Netzverbindungen gehen in der Berliner Verbraucherzentrale häufig ein. „Und zwar aus allen Bezirken“, sagt Beraterin Katja Müller. Aber nicht nur in der Freizeit ist eine zuverlässige Versorgung mit schnellem Internet unabdingbar. Für Unternehmen kann sie sogar existenziell sein.

„In den Innenstadtbezirken, in denen sich die meisten Start-ups ansiedeln, stehen wir noch ganz gut da“, sagt Florian Koch, Digitalexperte der Industrie- und Handelskammer (IHK). Für Zukunftstechnologien wie die Industrie 4.0 würden aber bald leistungsfähigere Netze benötigt. Das gilt umso mehr für Berlin, das laut Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) schließlich das „digitale Herz Europas“ ist. Entsprechend der „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung soll das Internet bis Ende 2018 überall in Deutschland eine Breitbandgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) erreichen. In Berlin liegt die Versorgung schon bei 90 Prozent. Florian Koch hält das für Privathaushalte heute ausreichend. Im Geschäftsumfeld werde diese Bandbreite 2018 aber allenfalls „ein müdes Lächeln hervorrufen“.

Ein Stückchen von Mitte bietet rasantes Internet

Der Ausbaubedarf in Berlin besteht nach Angaben der Deutschen Telekom etwa für 7000 Wohneinheiten in Weißensee, wo die Anschlüsse derzeit eine Geschwindigkeit von maximal 16 Mbit/s erlauben. Nachgerüstet wird in diesem Jahr zum Beispiel in Friedrichshain-Kreuzberg und Spandau. Mit am schnellsten surft es sich mit der Telekom leitungsgebunden derzeit vor allem auf einem löchrigen Stück in Mitte, zwischen Wallstraße und Engeldamm. Hier sind sogar bis zu 200 Mbit/s drin, weil die Glasfaser nicht nur von den Vermittlungsstellen bis zu den grauen Verteilerkästen, sondern direkt in die Häuser reichen und so die Kupferkabel auf der sogenannten „letzten Meile“ ersetzen. Auch Vodafone bietet Verträge mit 200 Mbit/s über Kabel in immer mehr Regionen an – Berlin ist bislang noch nicht darunter. Statt die Glasfaserkabel teuer verlegen zu lassen, kann die Bandbreite derzeit noch durch den Einbau der umstrittenen Vectoring-Technik in den Verteilerkästen verbessert werden. So können Geschwindigkeit bis zu 100 Mbit/s erreicht werden. Das Stück vom Kasten bis zu den umliegenden Gebäuden kann dann aber nur von jeweils einem Netzanbieter genutzt werden.

„Damit wird den großen Anbietern geholfen, groß zu bleiben“, kritisiert Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft. Der Innovationsdruck verringere sich damit. Vectoring sei zudem nur eine Überbrückungstechnik, sagt Tripp. Langfristig brauche es den Ausbau mit Glasfaserkabeln. Anstatt das Telekommunikationsunternehmen und Politik zu überlassen, sollte über die Einrichtung eines staatlichen zentralen Bürgerfonds zur Finanzierung nachgedacht werden, fordert Tripp. „Neben Renditen, die daraus fließen könnten, hätte das auch den Vorteil eines Netzes in Bürgerhand.“

Zukunftstechnologien brauchen 5G

Verbesserungswürdig ist nach Ansicht der Digitalen Gesellschaft auch die symmetrische Bandbreite, also nicht nur die Downloadrate, sondern auch die Uploadgeschwindigkeit, die oft weit darunter liegt. „Das ist gerade für datenverarbeitende Unternehmen wichtig“, sagt Jochen Tripp. Für Technologien, die Kommunikation ohne jede Verzögerung erfordern, wird der kommende Mobilfunkstandard 5G entscheidend. „Beispielsweise für den Bereich des autonomen Fahrens“, sagt IHK-Experte Florian Koch. Gerade haben Daimler, Audi und BMW für 2,8 Milliarden Euro den früheren Nokia-Kartenservice Here übernommen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin soll ihnen hochpräzise Karten für selbstfahrende Fahrzeuge liefern. Deshalb gibt es ein erhebliches Interesse, dass 5G mit Geschwindigkeiten von bis zu 1000 Mbit/s zuerst an der Spree ausgerollt wird.

Was muss mindestens aus der Leitung kommen?

Bis es so weit ist, wird es ohnehin noch einige Jahre dauern. Momentan gilt also: Wo Highspeed-Internet draufsteht, steckt es noch längst nicht drin. Was Nutzer erwarten dürfen, hänge mit dem Datum der Vertragsschließung zusammen, erklärt Verbraucherschützerin Katja Müller. Verträge, die vor dem 8. Mai 2012 geschlossen worden sind, geben oft eine Maximalgeschwindigkeit an, also etwa „bis zu 50 Mbit/s“ – dass man diese Leistung bekommt, ist nicht sicher. „Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen uneinheitlich.“ Meistens müsse der Nutzer anhand von Protokollen nachweisen, dass die Verbindung regelmäßig und zu unterschiedlichen Tageszeiten nur bis zu 30 bis 40 Prozent der Maximalgeschwindigkeit erreicht. Dann könne eine sofortige Kündigung rechtmäßig sein. Bei Verträgen, die nach dem Stichtag geschlossen wurden, ist die Lage etwas eindeutiger. Sie müssen sie eine Mindestgeschwindigkeit enthalten. Bei drahtloser Internetversorgung, also etwa über UMTS oder LTE, teilen sich die Nutzer eines Standortes die Leitung, was sich auf die Geschwindigkeit auswirkt.

Wer Probleme mit dem Internet hat, sollte zunächst klären, ob es nicht mit an der eigenen Hardware oder am Betriebssystem liegt. Wenn diese Punkte ausgeräumt sind, sollte der Anbieter zur Behebung der Schwierigkeiten innerhalb von 14 Tagen aufgefordert werden. Wenn die Probleme anhalten, kann man auch eine Gutschrift verlangen. „Das machen die Anbieter recht schnell, aber irgendwann will man das Internet ja auch wieder normal nutzen können.“ Bei einer sofortigen Kündigung reagierten die Unternehmen oft weniger kooperativ. Am Ende bleibe manchmal nur eine gerichtliche Klärung.

Bei lahmem Netz könnten kostenfreie Hotspots helfen, die Berlins Regierung bis zum Sommer schaffen will – 650 Stationen. Das wird auch Zeit, meint Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft. In Asien, Amerika und England sei man längst so weit. „Für Berlin als Metropole ist das eigentlich peinlich.“

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