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 Auf einem Tablet-Computer ist die Seite des Online-Versandhaus Amazon vor einem Bücherregal geöffnet.

© dpa

Digitales Leben: Was will der Kunde als nächstes?

Während Marketing lange auf Bauchentscheidungen basierte, stützt es sich heute auf Daten. In Berlin forscht Amazon nach Konsumwünschen.

Welche Wünsche hat der Mensch heute, welche hat er morgen? Wofür gibt er sein Geld aus? Das versucht Ralf Herbrich mit Hilfe von Daten herausfinden. Im vergangenen Jahr hat der US-Konzern Amazon in Berlin ein Zentrum für Maschinelles Lernen eröffnet. Und Herbrich leitet es.

Maschinelles Lernen ist eine Form von künstlicher Intelligenz. Anhand von Algorithmen misst die Software, wie oft bestimmte Merkmale in großen Datenmengen gemeinsam vorkommen. Die Zahl von erfolgreichen und fehlgeschlagenen Käufen in der Vergangenheit kann zum Beispiel auf betrügerische Transaktionen in der Zukunft hinweisen. Noch wichtiger ist, dass ein Unternehmen wie Amazon die Muster nutzen kann, um Kaufprognosen aufzustellen.

Oder, wie Herbrich es sagt, um Zusammenhänge zwischen Nachfrage, Wochentagen und Produktmerkmalen zu erkennen. Bisherige Einkäufe zeigen beispielsweise, welche Farbe, welche Marke einem Kunden gefällt, welchen Geschmack er hat und was ihm deswegen gefallen könnte. Auf dieser Basis kann ein Unternehmen seine Werbung personalisieren.

Trends für einen ganzen Markt ablesen

In dem Entwicklungszentrum von Amazon, das sich in den Krausenhöfen in Mitte befindet, arbeiten mittlerweile 180 Softwareentwickler, Systemingenieure und Webentwickler auf fünf Etagen – und die Zahl der Mitarbeiter soll weiter wachsen. Nach seinem Studium an der Technischen Universität Berlin hatte Herbrich an dem DFG-Projekt „Modern Methods in Machine Learning“ mitgewirkt, forschte für Microsoft, arbeitete bei Facebook.

Jetzt, bei Amazon, nutzen er und sein Team die unsagbar vielen anonymisierten Nutzerdaten im Netz und werten sie aus. Jeden Klick, jeden Post, jeden Kommentar. Sie können Trends für einen ganzen Markt ablesen. Weil es ein boomendes Geschäft ist, verkauft Amazon seine Software auch an externe Kunden.

Früher Bauchentscheidungen, heute Daten

Wie präzise sind die Prognosen? „Zum Beispiel ist die Vorhersage der Nachfrage von Büchern deutlich genauer als von Mode“, sagt Herbrich. Denn das Interesse an Büchern sei nicht so stark von saisonalen Trends abhängig und Bücher könnten nicht in acht verschiedenen Größen gekauft werden. Außerdem seien kurzfristige Ergebnisse, etwa in den nächsten 30 Sekunden, leichter vorherzusagen als Ergebnisse in drei Monaten. „Deshalb wird auch Machine Learning keine hundertprozentige Übereinstimmung von Nachfrage und Angebot abbilden können.“

Mit 30 Jahren sei Maschinelles Lernen noch eine junge Wissenschaft, sagt Herbrich. Sie ermögliche „Qualitätsverbesserungen und Kosteneinsparungen“. Während Marketing lange auf Erfahrungen und Bauchentscheidungen basierte, stützt es sich heute auf Daten. Das Kundenverhalten wird nicht mehr im Nachhinein, sondern im Voraus beobachtet. Nicht mehr die Masse, sondern der Einzelne interessiert. Es ist möglich, dass ein Algorithmus ein Bedürfnis misst, bevor der Kunde selbst davon weiß. Deswegen arbeitet nicht nur Amazon daran, sondern auch Apple und Google.

Was klickt er an, was will er haben, die Technologie scannt den Menschen – und macht ihn berechenbar.

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