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Bits und Bytes sind eher bei kleineren und mittelständischen Berliner Betrieben ein großes Thema. Das ist auch strukturell bedingt: Je etablierter und größer ein Betrieb ist, desto eher verliert er seine Innovationsfähigkeit.

© dpa

Digitalisierung in der Berliner Wirtschaft: Klein schlägt Groß

Bei der Digitalisierung haben in Berlin kleine und mittlere Firmen die Nase vorn. Die Großen hinken hinterher.

Berlin - Berlin lässt sich gerne als Digitalhauptstadt Deutschlands feiern. Mit 520 Millionen Euro sind in kein anderes Bundesland mehr Investorengelder geflossen, zeigt das Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft Ernst & Young nach den ersten sechs Monaten 2016. Doch darf sich nicht nur die Gründerszene loben lassen, sondern die gesamte Berliner Wirtschaft sieht sich gut aufgestellt in Sachen Digitalisierung – allerdings gibt es ausgerechnet beim Zukunftsthema Industrie 4.0 noch erheblichen Verbesserungsbedarf, wie eine Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin zeigt.

48 Prozent der Betriebe schätzen ihre Digitalisierung als hoch bis sehr hoch" ein

457 Berliner Unternehmer sind für die Studie befragt worden, insgesamt 58 Prozent dieser Betriebe schätzen ihren Digitalisierungsgrad dabei als hoch oder sehr hoch sein. Dabei sind es insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) mit bis zu 19 Mitarbeitern, die nach eigenen Angaben einen hohen bis sehr hohen Digitalisierungsgrad aufweisen – was überrascht, da gerade dem Mittelstand nachgesagt wird, die Potenziale der Digitalisierung bisher nicht auszuschöpfen, wie beispielsweise auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zeigte.

Kleinere Unternehmen sind innovativer

Dass die kleineren Berliner Betriebe sich dennoch so hervortun, dürfte insbesondere an der durch Start-ups geprägten Wirtschaftsstruktur der Hauptstadt liegen. Diese Kleinbetriebe beschäftigen erst wenige Mitarbeiter, ihr Geschäftsmodell basiert aber auf den neuen Technologien. So zeigten sich die Berliner Unternehmen, die erst bis zu fünf Jahre am Markt sind, als besonders digital. Von den befragten Unternehmen mit 50 und mehr Mitarbeitern sind es dagegen lediglich 39 Prozent, die ihren Digitalisierungsgrad als hoch oder sehr hoch einschätzen. Das ist teilweise auch strukturell bedingt: Je älter und größer eine Firma ist, desto eher tendiert sie dazu, ihre anfängliche Innovationsfreude und Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen zu verlieren. „Ein bisschen Start-up-Kultur schadet deshalb auch etablierten Unternehmen nicht“, heißt es in der Studie.

„Um die Berliner Wirtschaft als Ganzes auf Digitalisierungskurs zu bringen, muss die Entwicklung künftig noch stärker in großen Unternehmen sowie traditionellen Branchen stattfinden und entsprechend gefördert werden“, betont daher auch Jan Pörksen, Geschäftsführer für Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Berlin.

Die größte Hürde: Zu langsames Internet

Als Hürde für mangelnde Digitalisierung geben 41 Prozent der befragten Unternehmen eine unzureichende Breitband-Infrastruktur in Berlin an. 37 Prozent vermissen einen klaren Rechtsrahmen sowie verlässliche Standards, 31 Prozent wissen nicht, wie sie mit den Sicherheitsrisiken umgehen sollen und fordern deshalb mehr Aufklärung und Unterstützung vonseiten der Politik.

Zumindest hinsichtlich schnellerer Internetverbindungen will die Hauptstadt jedoch rasch aufholen. So wird hier derzeit zusammen mit Fraunhofer-Instituten und Telekommunikationsunternehmen ein Testfeld für den neuen Mobilfunkstandard 5G eingerichtet. Projekte wie der Cleantech Industriepark in Marzahn sollen Glasfaserverbindungen erhalten für Verbindungen mit bis zu einem Gigabit pro Sekunde.

Wenig Engagement bei Industrie 4.0

Nachholbedarf gibt es laut Studie auch bei der vernetzten, datenbasierten Produktion, also Projekten mit Bezug zu Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge. Erst zehn Prozent der befragten Unternehmen sind in diesem Bereich engagiert, 60 Prozent geben sogar an, sich mit dem Thema gar nicht zu beschäftigen. Im Gegensatz zur Digitalisierung sind es dabei vor allem die großen Unternehmen (44 Prozent), die den Bereich als wichtig für ihr Geschäft einschätzen, bei den kleineren Betrieben sind es nur 27 Prozent. „Gerade beim Thema Industrie 4.0 sollte Berlin nicht nur in der Forschung, sondern auch in seiner Umsetzung glänzen“, fordert Pörksen deshalb. Denn hier liege eine große Chance, um eine smarte, urbane Industrie zu entwickeln, die zu Berlin passe.

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) betont, dass der „Megatrend der Digitalisierung“ noch in den Kinderschuhen stecke: „Was heute als innovativ gilt ist morgen schon ein Standard. Deshalb müssen Unternehmen und Politik am Ball bleiben und Digitalisierungsprozesse weiter vorantreiben“, erklärte sie. Um den Investitionsbedarf der Unternehmen zu flankieren, habe die Regierung unter anderem die Mittelstandsoffensive 4.0 gestartet sowie ein Leistungszentrum zur Digitalen Vernetzung.

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