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"In Deutschland wird zu wenig investiert", sagt Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.

© picture alliance / Bernd Von Jut

DIHK-Chef Eric Schweitzer: "Wir haben mit Merkel und Gabriel vertrauenswürdig zusammengearbeitet"

Die deutsche Wirtschaft drängt auf eine stabile Regierung, eine rasche Entscheidung und bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen.

Eric Schweitzer ist seit März 2013 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Zusammen mit seinem Bruder Axel leitet er zudem das Berliner Recyclingunternehmen Alba.

Herr Schweitzer, im fünften Monat nach der Bundestagswahl beschäftigen sich die Parteien mehr mit sich selbst als mit der Regierung. Wäre so etwas in einem deutschen Unternehmen möglich?

Der Vergleich hinkt. Im Unternehmen bestellt der Eigentümer die Geschäftsführung, in der Politik wird die Regierung letztlich vom Wähler bestimmt. Das kann in einer Demokratie gar nicht anders sein. Deshalb laufen politische Entscheidungsprozesse anders als in der Wirtschaft. Man darf der Politik keinen Vorwurf machen, wenn sie sich um stabile Regierungsverhältnisse bemüht.

Welchen Schwung kann eine Regierung entwickeln, die schon verbraucht wirkt, bevor sie antritt?

Ich würde da nicht so schwarzmalen – auch vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen der vergangenen vier Jahre mit der Großen Koalition. Wir haben als Wirtschaft beispielsweise mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister sehr professionell und vertrauenswürdig zusammengearbeitet. Das gilt selbst für solche Gespräche, in denen wir inhaltlich vorher und nachher unterschiedlicher Meinung waren. Was die aktuellen Verhandlungen angeht, so muss man sehen, dass das Wahlergebnis im September schwierig war. Eine stabile Regierung ist für uns als Wirtschaft wichtig. Es ist aber jetzt an der Zeit zu entscheiden, ob es zu einer großen Koalition kommt oder nicht. Fünf Monate unterschiedlicher Verhandlungen müssen reichen.

Wie demokratisch ist es, wenn die SPD-Mitglieder über die Regierung für Deutschland entscheiden?

Jede Partei handhabt das anders. Die SPD hat dieses Prozedere auch schon 2013 gewählt, bei der CSU hat die Parteispitze entschieden, bei der CDU werden es die Delegierten auf einem Bundesparteitag tun. Das will ich nicht werten.

Die SPD soll das Finanz-, die Union das Wirtschaftsministerium bekommen. Hätten Sie es lieber anders gesehen?

Wir werden beide Ressorts unabhängig vom Parteibuch an ihren Leistungen messen und daran, was sie am Ende für die Wirtschaft getan haben.

Welchen Einfluss hat das Wirtschaftsministerium denn überhaupt noch?

In der letzten Legislatur hatte es großen Einfluss. Das lag aber wahrscheinlich auch daran, dass Herr Gabriel nicht nur Minister, sondern auch noch Parteivorsitzender und Vizekanzler war.

Das wird der nächste Amtsinhaber aber wohl mit Sicherheit nicht sein.

Trotzdem werden im Wirtschaftsministerium weiterhin wichtige Themen behandelt – unter anderem die Ordnungspolitik, der Mittelstand und die Energie. Im Koalitionsvertrag steht ja, dass der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix auf 65 Prozent im Jahr 2030 erhöht werden soll. Der Netzausbau hält schon heute nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt. Die deutsche Wirtschaft hat mit die höchsten Stromkosten in Europa. Es ist daher wichtig, dass auf dem Strommarkt Wettbewerb herrscht, der Strompreis bei Abgaben und Umlagen entlastet wird und die Netze schneller ausgebaut werden.

"In Deutschland wird zu wenig investiert"

Die USA schenken ihren Unternehmen Steuererleichterungen, die chinesische Regierung hilft ihren Staatsbetrieben, auf den Weltmärkten Fuß zu fassen. Hätten Sie auch gern mehr Hilfe aus dem Wirtschaftsministerium?

Deutschland lebt sehr stark vom Außenhandel. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt am Export. Wichtig ist, dass die Bundesregierung sich auf internationaler Ebene für freien und fairen Handel einsetzt. Eine Sonderbehandlung deutscher Unternehmen brauchen wir nicht. Aber wir sind in Sorge um die Zukunft. Denn in Deutschland wird immer noch zu wenig investiert.

Das können die Unternehmen doch ändern.

Von den gesamten Investitionen bestreitet die Wirtschaft allein 90 Prozent, auf den Staat entfallen gerade einmal zehn Prozent. Wir erleben derzeit, dass sich die Investitionsbedingungen in vielen Ländern im Vergleich zu Deutschland verbessern. In den USA geschieht das über sinkende Steuern und bessere Abschreibungsmöglichkeiten, aber auch in Frankreich und in Großbritannien werden Investitionen stärker unterstützt. Auch China buhlt um ausländische Investitionen. So etwas wirkt. Die deutschen Unternehmen, die in den USA vertreten sind, wollen dort künftig deutlich mehr investieren. In Deutschland sehe ich keine vergleichbaren Anreize. Dabei haben wir kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem in den öffentlichen Haushalten. Allein im letzten Jahr gab es einen Überschuss von 35 Milliarden Euro. Wenn wir jetzt nicht zu spürbaren Steuersenkungen kommen, wann dann? Wir brauchen eine Unternehmenssteuerreform. Und wir müssen uns jetzt damit beschäftigen.

Aber die Unternehmen verdienen im Moment doch prächtig.

Aber wie lange noch? Wenn wir noch in fünf oder zehn Jahren Wohlstand in Deutschland haben wollen, brauchen wir mehr Investitionen aus der Privatwirtschaft, und wir müssen uns dem internationalen Steuerwettbewerb stellen. Die letzte Unternehmenssteuerreform gab es unter Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der ersten großen Koalition unter Kanzlerin Merkel. Das ist zehn Jahre her. Nun muss ein neuer Anlauf her.

US-Präsident Trump hat Importsteuern für ausländische Unternehmen angedroht. Wie ernst nehmen Sie das?

Die USA sind unser wichtigster Handelspartner. Wir haben ein Handelsvolumen von 170 Milliarden Euro pro Jahr, wovon wir für 110 Milliarden Euro in die USA verkaufen und die USA für 60 Milliarden nach Deutschland. Wenn ich Trump richtig verstehe, will er Importzölle für alle Länder erheben, die ihrerseits US-Waren mit Zöllen belegen. Aber die Zollhöhen sind je nach Land unterschiedlich und seit Jahren verhandelt – auch von den USA selbst. Ein Alleingang würde allen WTO-Regeln widersprechen. Aber ob das wirklich so kommt, bleibt abzuwarten.

"Wir haben in Berlin Zalando, aber Amazon ist eine andere Größenordnung"

Die größten Unternehmen, Apple, Google, Microsoft, Amazon kommen alle aus den USA. In welchen Branchen ist Deutschland heute schon abgehängt?

Bei den sozialen Netzwerken und im Handel mit Verbrauchern ist es schwierig. Wir haben hier in Berlin zwar Zalando, aber Amazon ist eine ganz andere Größenordnung. Wir sollten uns auf unsere Stärke in der Industrie 4.0 konzentrieren und müssen auch in allen Branchen die Digitalisierung vorantreiben.

Sehen Ihre Mitglieder das auch so?

Oh ja. Neun von zehn Unternehmen sehen einen höheren Bedarf für Investitionen und für Weiterbildung. Ganz vorne steht der Wunsch nach leistungsfähigen flächendeckenden Datenleitungen. Vorrangig muss jetzt jedes Gewerbegebiet einen Glasfaser-Anschluss bekommen. Und selbstverständlich braucht ein High-Tech-Standort wie Deutschland auch ein Funknetz auf höchsten Niveau.

In Berlin kann die Hälfte der Drittklässler nicht schreiben. Was kommt da auf Sie zu?

Deutschland hat die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Das ist ein Verdienst der dualen Ausbildung. Aber sechs Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss und damit schlechteren Perspektiven. Das ist zugleich auch für ausbildungsinteressierte Unternehmen ein Riesenproblem. Wir brauchen Fachkräfte, und ohne Bildung geht das nicht. Ich glaube, Union und SPD haben das erkannt. Es ist gut, dass jetzt auch die Berufsschulen ausgebaut und digitalisiert werden sollen.

Was ist, wenn die SPD-Mitglieder nicht zustimmen? Steuern wir dann auf Chaos zu?

Dann ist wieder der Bundespräsident am Zug. Ich sehe uns in Deutschland jedenfalls nicht auf ein Chaos zusteuern. Persönlich gehe ich davon aus, dass wir letztlich dann doch genügend verantwortungsvolle Politiker haben, die dieses Land auch regieren wollen.

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