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Discounter: Krieg an der Kasse

Bei den Discountern gab es schon sechs große Preisrunden. Das freut die Kunden und ärgert die Bauern.

Berlin - Sie haben sich nicht getraut. Während die Bauern wegen schon wieder gesunkener Milchpreise drohen, die Hauptstadt mit Schleppern lahmzulegen und auch die Kollegen von den Milchbauern aus Sorge um ihre Existenz eine neue Protestwelle ankündigen, halten sich die vermeintlich Schuldigen an der Milchmisere, die Discounter, dezent zurück. Statt, wie früher schon mal üblich, in ganzseitigen Anzeigen für billige Milch, Butter und Sahne zu werben, passiert diesmal – nichts. „Das ist denen zu politisch“, vermutet ein Brancheninsider. Statt das Interesse des Schnäppchenjägers auf die Milch zu konzentrieren, werben die Discounter lieber für noch billigeren Kaffee, noch billigere Schokolade oder noch billigere Limonade.

Seit Jahresbeginn haben die Discounter schon sechs Preisrunden durchgedrückt. Meist macht Aldi – als umsatzstärkster und damit mächtigster deutscher Discounter – den Anfang, innerhalb weniger Tage zieht die Konkurrenz dann nach. Nirgendwo kann man das besser verfolgen als bei der Milch. Erst am vergangenen Montag hatten Aldi und die Rewe-Discounttochter Penny die Preise für Trinkmilch und viele Milchprodukte drastisch gesenkt. Ein Liter Vollmilch etwa kostet bei Aldi jetzt nur noch 48 Cent und damit sieben Cent weniger als in der Vorwoche. Konkurrent Norma folgte rasch nach, Lidl ziert sich noch.

Nach Meinung von Branchenexperten wird es nicht das letzte Mal in diesem Jahr gewesen sein, dass die Preise durch die Sortimente nach unten rutschen – und das liegt nicht nur an den im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich günstigeren Rohstoffpreisen. „Wir werden 100-prozentig noch weitere Preisrunden erleben“, sagt Herbert Kuhn von der Unternehmensberatung Trade Dimensions. „Wir sind nicht am Anfang, wir sind nicht am Ende, wir sind mittendrin im Preiskrieg.“ Auch Matthias Queck vom Handelsforschungsunternehmen Planetretail erwartet, „dass wir weitere Preisrunden sehen werden“.

Angeheizt wird die Stimmung dadurch, dass der Discountbereich gerade neu geordnet wird. Anfang des Jahres hatte Edeka die Tengelmann-Tochter Plus fast vollständig übernommen und verschmelzt sie gerade mit der Discounttochter Netto zu einer neuen, starken Nummer drei am deutschen Discountmarkt. Der Verbraucher profitiert davon durch sinkende Preise. Denn nach jeder weiteren Konzentrationswelle, wissen Brancheninsider, forderten die Handelskonzerne von ihren Zulieferern bessere Konditionen und höhere Boni. Angesichts starker Abhängigkeiten von ihren Kunden müssen die meisten Lieferanten auf die Rabattforderungen eingehen. „Wenn an einem einzigen Kunden über 20 oder 25 Prozent des Umsatzes hängen, hat der Lieferant oft überhaupt keine andere Wahl“, sagen Kartellrechtsexperten.

Diesmal interessiert sich auch das Bundeskartellamt dafür. Just am Tage der Bilanzpressekonferenz des größten deutschen Lebensmittelhändlers ordnete die Bonner Behörde eine Durchsuchung der Edeka-Zentrale in Hamburg an. Der Vorwurf: Edeka soll seine Nachfragemacht gegenüber Lieferanten „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“ ausgenutzt und nach der Fusion von Netto und Plus nachträglich Rabatte von den Lieferanten gefordert haben – als eine Art Hochzeitsgeschenk.

Für rüde Umgangsformen sind die deutschen Einzelhändler ohnehin bekannt, wegen großer Überkapazitäten ist der Wettbewerb hier besonders hart. Die Raubritter im Mittelalter seien im Vergleich zu den Lebensmittelhändlern noch „milde Samariter oder Friedensengel“ gewesen, knurrte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in dieser Woche. Und der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, rief die Discounter auf, „endlich zur Vernunft“ zu kommen und „die Abwärtsspirale der Preise“ endlich zu stoppen.

Danach sieht es allerdings vorerst nicht aus, die Preiskämpfe werden durch die Wirtschaftskrise noch verschärft. Denn obwohl die Konsumstimmung in Deutschland bislang auf erstaunlich hohem Niveau ist und auch die Arbeitslosigkeit noch nicht drastisch zugenommen hat, greifen viele Deutsche schon wieder zu billigeren Produkten. „Der Trend zu Niedrigpreis-Produkten im Discountbereich ist da“, konstatierte Theo Spettmann, Präsident des Spitzenverbands der Lebensmittelwirtschaft, diese Woche in Berlin. Das führt dazu, dass die Discounter zwar immer mehr Varianten von Kaffee, Käse oder Schokolade anbieten, aber derzeit vor allem bei ihren allerbilligsten Produkten („Preiseinstiegssortiment“) beweisen wollen, dass sie die besten sind – nur für den Fall, dass irgendjemand sie schon wieder für zu teuer halten könnte.

Maren Peters

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