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Zwischen Vorträgen und Workshops konnten sich die Teilnehmer austauschen und vernetzen.

© Kai-Uwe Heinrich

Diversity-Konferenz: Ein Lob der Dünnhäutigkeit

Zwei Themen bestimmen die Diversity-Konferenz: Frauen in Führung und die Integration von Menschen mit einem Migrationshintergrund.

Der Mensch neige dazu, mit viel Aufwand etwas zu tun, was er mit ebenso viel Aufwand später wieder korrigiere. So werde Mitarbeitern oft das Bild vermittelt, sie müssten dickfellig sein, um eine leitende Position zu bekommen. Um Karriere zu machen. Wie sollten sie denn sonst heikle Gespräche und den Stress aushalten? Wenn sie dann aber mit harter Hand ihr Team führen, würden sie in Sensibilisierungskurse geschickt werden. Aus diesem Grund sprach sich Valerie Holsboer, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, für ein „Lob auf die Dünnhäutigkeit“ aus.

Die Juristin ist für die Bereiche Finanzen, Controlling und Personal zuständig – und ist die BA-Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. „Ich bin eher für Führungskräfte, die ihre Umwelt wahrnehmen, ein Gespür für Menschen haben, aber gleichzeitig resilient sind, also auch mit Konflikten und Krisen umgehen können“, sagte sie. Da sollten Unternehmen jetzt, wo sich die Kultur bei ihnen wandle, bei Stellenbesetzungen mehr drauf achten. „Dann müssen sie später auch nicht so viel reparieren“, sagte sie am zweiten Tag der Diversity-Konferenz.

Weibliche Stärken sind gewünscht

Beim Thema Vielfalt geht es gerade viel um die Frage, was sich die Beschäftigten von ihrem Chef wünschen; wie er oder sie sich verhalten soll. Die Eigenschaften, die da genannt werden – Empathie, Kommunikation, Motivation – werden oft als eher weibliche Stärken angesehen. Das, so die Annahme von Experten, sei ein Grund, weswegen mehr Frauen in Zukunft führend tätig sein würden. „Wobei sich auch die heutigen Führungskräfte mehr Wertschätzung wünschen“, meinte Holsboer.

Nach wie vor treffe sie Frauen, die auf Karriereschritte verzichten würden, „weil sie meinen, das tue ich mir nicht an“, sagte sie. Was sie sich wünscht, ist, dass Teams so gemischt wie möglich sind, weil das den Menschen auch ganz verschiedene Arten des Umgangs miteinander zeige. Der Ruppige lerne vom Freundlichen, der Konfliktscheue vom Selbstbewussten. „Man sollte sich sowieso immer vergewissern, wie wirkt mein Verhalten, was macht es mit dem anderen?“, meinte sie. „Und wie würden meine Worte bei mir selbst ankommen?“ Eine sensible Führungskraft, um zu ihrer Forderung nach einem Mentalitätswechsel zurückzukommen, würde sich in dieser Form wohl eher reflektieren.

Das zweite Thema, das die Vorträge und Diskussionen bei der Diversity-Konferenz am Freitag bestimmte, war der Umgang mit Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Fessum Ghirmazion von der Gewerkschaft IG Metall stellte Ergebnisse einer Befragung vor. Ziel war, quantitative Erkenntnisse über ihre Mitglieder mit Migrationshintergrund zu gewinnen und herauszufinden, wie gut sie integriert sind. Ein Fazit: Zwischen einem Schichtarbeiter und einem Angestellten im Büro würde es unterm Strich mehr Unterschiede geben als zwischen einem Mitarbeiter mit Migrationshintergrund und einem ohne.

Er sehe keine Kopftücher, nur Menschen

Der Unternehmer Mohammadi Akhabach, der unter anderem Lieferheld.de gegründet hat, ging in seinem Vortrag auf die Kopftuchproblematik ein. In seinem Betrieb in Neuss würden fünf Frauen damit arbeiten. Eine habe sich mit einem so guten Zeugnis bei ihm beworben, dass es ihm schwer fiel, zu glauben, dass sie zuvor nur Absagen bekommen hatte.. „Wenn ich morgens komme, sehe ich aber keine Kopftücher, sondern nur Menschen“, sagte er. Seit 2014 würde es in dem Betrieb einen Ruheraum geben, zum lesen, Yoga machen oder beten. Es gebe nur eine Voraussetzung: Vorher die Schuhe ausziehen. Solche Ideen würden aus Sicht der Experten den Unterschied machen, ob jemand Diversity bloß in Marketingbroschüren schreibe oder wirklich ernst meine.

Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sprach von der Kunst, „sich gegenseitig auszuhalten“– auch im Arbeitsleben. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft sei es auch bei der Integration im Betrieb wichtig, dass sich die Menschen dort „angenommen und zugehörig fühlen“, und dass Vielfalt „Normalität“ werde. Noch seien gerade viele junge Menschen – auch jene, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen sind – überfordert. Wie auch manche ihrer Ausbilder.

Der Berliner Senat hat kürzlich die Kampagne „Farben bekennen“ gestartet. Auf Plakaten sind Gesichter von Geflüchteten zu sehen, die sich stark in die deutsche Gesellschaft einbringen. Darunter steht jeweils, was sie „typisch deutsch“ finden: Der eine sagt, er könne hier in Freiheit und Frieden leben; der andere denkt zuerst an Pünktlichkeit. In den nächsten Tagen werden 1500 Plakate in U- und S-Bahn-Stationen aufgehängt. Für ein vielfältigeres Bild von jenen, die erstmal nur Flüchtling genannt werden.

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