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Wirtschaft: Doppelgänger aus dem Reich der Mitte

Eine Firma in China kopiert nicht nur Produkte der US-Konkurrenz – sie gibt sich als Markeninhaber aus

Von Neil King Jr. Von simpler Markenpiraterie lässt sich bei der amerikanischen Firma Abro Industries niemand mehr aus der Ruhe bringen. Im Keller der Unternehmenszentrale gibt es eine ganze Wand mit AbroProduktfälschungen, die im Ausland abgefangen wurden. Fälscher haben etwa nachgemachte Abro-Logos auf Produkte geklebt, die Abro gar nicht herstellt. „Das hier ist der normale Fälschungsalltag“, sagt Abro-Chef Peter Baranay. Nicht normal ist, was der chinesische Hersteller Hunan Magic Power Industrial tut. Hunan begnügt sich nicht mit der Fälschung von Abro-Produkten, sondern tritt ganz offen als Markeninhaber auf. „Das ist Identitäts-Diebstahl“, sagt Baranay.

Das chinesische Unternehmen aus Liuyang in der Provinz Hunan vertreibt weltweit über 40 Produkte unter dem Handelsnamen „Abro“, vom Kraftkleber bis zur Silikonmasse. Firmenchef Yuan Hongwei verteilt Visitenkarten mit dem Abro-Logo. Er gibt seine Firma als das wahre Abro aus und warnt seine Kunden vor Nachahmern aus dem Ausland.

Das echte, amerikanische Abro Industries zielt ausschließlich auf Märkte außerhalb der USA. Die Firma beschäftigt 24 Mitarbeiter und mittlerweile eine Menge an Anwälten und Detektiven. Die haben Abro allein in diesem Jahr umgerechnet 460 000 Euro gekostet. Baranay ist 1980 Chef des Unternehmens geworden und hat seitdem den Jahresumsatz von sechs Millionen auf fast 100 Millionen Dollar gesteigert. Sein größter Verkaufshit ist eine Silikonmasse, die zu Dichtungen aller Art verarbeitet werden kann und vor allem in ärmeren Ländern reißenden Absatz findet. Abro entwickelt und vertreibt die Produkte, lagert jedoch die gesamte Produktion an andere US-Hersteller aus. „Wir leben allein von der Stärke unserer Marke“, sagt Baranay.

Bei Hunan Magic in China ist man sich keiner Schuld bewusst. Firmenanwalt Peng Jianju sagt, es sei „reiner Zufall“, dass die mit „Abro“ bezeichneten Waren mit den US-Produkten identisch sind. Hunan habe 1996 seine eigene Abro-Marke geschaffen. Die wolle man nun in China auch schützen lassen.

Gegen all das kann Abro aus den USA nur wenig ausrichten. Das liegt am chinesischen Rechtssystem, in dem Markenschutz kaum eine Rolle spielt. Außerdem legen sich die Behörden in China nur ungern mit den einheimischen Unternehmen an, die ihr Geld mit Markenpiraterie verdienen. Pro Jahr exportiert China Fälschungen im Wert von 20 Milliarden Dollar.

Abro in den USA erfuhr von den Methoden der Firma Hunan durch einen Handelsvertreter. Der entdeckte 2002 auf der Handelsmesse im chinesischen Guangzhou einen Stand von Hunan Magic – voll mit Abro-Produkten. Die Amerikaner schickten Privatdetektive nach China, die sich als Kaufinteressenten ausgaben. Die entdeckten bei einer Führung durch die Zulieferfabrik massig Abro-Produkte mit der Aufschrift „Made in USA“. Die örtliche Patentbehörde verhängte gegen den Zulieferer 600 Dollar Strafe wegen „unfairen Wettbewerbs“.

Im Oktober 2003 flog Abros Verkaufschef Timothy Maranais selbst auf die Messe. „Als ich bei Hunan Magic ankam, traute ich meinen Augen nicht“, sagt er. Über dem Stand hing ein riesiges Schild mit der Aufschrift „Abro“ und darunter stapelten sich Kataloge mit den Abro-Produkten. Unter den Einkäufern am Stand waren „auch viele unserer eigenen Kunden“, sagt er. Als Maranais mit der Patent-Polizei anrückte, zeigte der HunanVertreter einen Abro-Katalog und sagte, er dürfe die Produkte verkaufen. Eine von Abros Verpackungen zeigt seit Jahren das Foto von Maranais Ehefrau beim Reparieren eines Fahrrads – Hunans Verpackung war identisch. „Da stand ich nun, starrte auf das Gesicht meiner Frau, und dieser Kerl behauptete, die Rechte daran zu haben“, sagt Maranais. Auf der Messe im letzten April zierte das Abro-Logo dann sogar den Hauptkatalog von Hunan – samt einem Warnhinweis: „In den letzten Jahren haben ausländische Hersteller gegen chinesisches Recht verstoßen und unsere Marke missbraucht. Künftig werden wir gegen solche Eindringlinge vorgehen und gegen sie klagen.“

Vor kurzem reiste Baranay mit Josette Shiner, der Vertreterin der Bush-Regierung für den China-Handel, nach Peking. Nach einer Audienz beim Handelsministerium wurde Hunans Antrag auf Eintragung von Rechten für Abro-Klebstoffe abgelehnt. Hunan hat jetzt Widerspruch eingelegt.

Die Texte wurden übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Arafat), Tina Specht (Abro), Matthias Petermann (Dollar), Svenja Weidenfeld (Kim Jong-il) und Christian Frobenius (Mandelson).

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