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Wirtschaft: „Dr. Piëch soll Aufsichtsratschef bleiben“

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh über Ferdinand Piëch, den neuen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und die Fusion von MAN und Scania

Herr Osterloh, in keinem Unternehmen gab es in den letzten Jahren so viel Theater wie bei VW, trotzdem erreichte der Konzern 2006 einen Absatzrekord. Wie passt das zusammen?

Die Presse hat aus den ganzen Vorkommnissen ein Theater gemacht; über andere Firmen wird durchaus ruhiger berichtet. Und was den Absatz anbelangt: Natürlich haben wir gute Produkte, weil mehr als 330 000 VW-Mitarbeiter in aller Welt gute Arbeit machen.

Also auch der vor drei Wochen abgelöste Vorstandschef Bernd Pischetsrieder?

Das ist immer eine Mannschaftsleistung, ein Unternehmen führt niemals eine Person allein.

Große Teile der Mannschaft haben sich gewundert, dass der Vertrag Pischetsrieders um fünf Jahre verlängert wird, und sechs Monate später fliegt er raus.

Ich bin Betriebsrat und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Die Kapitalseite hat im Aufsichtsrat die Mehrheit. Es war der Wunsch der Kapitalseite, den Vertrag von Dr. Pischetsrieder zu verlängern. Wir haben damals gesagt, dass wir dazu unter bestimmten Bedingungen bereit sind. Das betraf vor allem die Absicherung des Komponentenbereichs mit 32 000 Mitarbeitern. Wir haben das erreicht und dann der Vertragsverlängerung zugestimmt.

Und ein halbes Jahr später kam die Kapitalseite und wollte Pischetsrieder loswerden und die Arbeitnehmerseite hat wieder mitgemacht?

Es gibt Gründe dafür, die wir in der Öffentlichkeit aber nicht diskutieren.

Pischetsrieder wurde zuletzt als „Entscheidungsneurotiker“ bezeichnet, ein Chef, der Angst hat vor Entscheidungen.

Ich kommentiere das nicht. Was im Aufsichtsrat besprochen wird, gehört nicht in die Öffentlichkeit.

Der Protagonist der Kapitalseite ist Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, mit dem die Arbeitnehmerseite seit Jahren gut harmoniert. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Piëch Sie für seine Interessen instrumentalisiert?

Es gibt eine Zusammenarbeit mit Dr. Piëch, die für die Beschäftigten Vorteile bringt, ganz klar. Herr Dr. Piëch steht auf jeden Fall für innovative Produkte. Und erfolgreiche Produkte sind natürlich die Grundlage jedes Unternehmens. Entweder haben wir kostengünstige Autos oder die Autos haben technische Spezifikationen, für die der Kunde auch mehr zu zahlen bereit ist.

Piëch steht für die Premiumstrategie, also die Ausweitung der Volkswagen-Modellpalette ins Luxussegment, der jetzt ausscheidende VW-Markenchef Wolfgang Bernhard wollte vor allem auch bezahlbare Autos bauen. Was gibt es denn nun?

Wir sind ein Mehrmarkenkonzern. Da muss man schauen, wie die Abstufung ist von Bugatti und Bentley über Lamborghini zu Audi, VW, Seat und Skoda. Aber es ist sicher der falsche Weg, VW preisgünstiger platzieren zu wollen als Skoda.

Wollte das Bernhard?

Kein Kommentar.

Piëch hat in den zehn Jahren als Vorstandsvorsitzender zwischen 1993 und 2002 die einzelnen Konzernmarken auch gegeneinander konkurrieren lassen, zum Beispiel Audi A3 gegen Golf. Halten Sie diese Art von Kannibalisierung für sinnvoll?

Sie sprechen immer von Dr. Piëch, neuer Vorstandsvorsitzender ist aber Dr. Winterkorn. Und Dr. Winterkorn hat eine ganz klare Strategie, wie der Konzern sich künftig aufstellen soll. Bestimmte Segmente werden dann eben von bestimmten Marken abgedeckt. Das geht los mit einem günstigen VW-Einstiegsmodell, das womöglich unter dem Fox liegt.

Und oben wird es weiter den Phaeton geben, obwohl der floppt?

Audi hat eine gewisse Zeit gebraucht, um im Hochpreissegment erfolgreich zu sein. Und Volkswagen muss eine so umfangreiche Palette anbieten, dass die Kunden auch bei der Marke bleiben. Wenn sich also jemand sagt, „ein Passat V6 reicht mir nicht mehr, aber darüber gibt es nichts bei VW, also muss ich zu einer anderen Marke“, wäre das schlecht für uns. Wichtig ist am Ende, dass wir mit jedem Produkt Geld verdienen.

Winterkorn hat die Markengruppen abgeschafft und führt wieder die zentralistischen Strukturen ein, die es unter Piëch gab. Wo liegt da der Sinn?

Wir müssen einen Mehrmarkenkonzern so führen, dass wir Synergien auch nutzen können. Zentralismus ist da in bestimmten Bereichen hilfreich. Ein Vertriebsvorstand muss zum Beispiel für alle Marken steuern, welches Produkt wann in den Markt eingeführt wird mit welchen Events und welchen Werbemaßnahmen. Oder nehmen Sie die Produktion: Wir haben jetzt einen Konzern-Produktionsvorstand, der bei Audi sehr erfolgreich Produktivität, Rationalisierung und Standardisierung forciert hat. Diese Erfahrungen sollen auch auf VW, Skoda und Seat übertragen werden. Und der dritte Punkt betrifft die Entwicklung. Dort muss künftig entschieden werden, was gut für den Konzern ist. Nicht für die einzelne Marke. Oder meinen Sie, den Kunden interessiert es, ob sein V6 TDI längs oder quer ins Auto eingebaut wird? Ich erwarte von unserem neuen Vorstandsvorsitzenden, dass gerade im Bereich der Entwicklung mehr zusammengeführt wird.

Wie lange wird es dauern, bis VW umgestellt ist und die neuen Strukturen greifen?

So wie ich Herrn Dr. Winterkorn kenne, wird das sehr schnell gehen.

Weil er ähnlich autoritär herrschen wird wie ehemals Piëch?

Herr Dr. Winterkorn hat in fünf Jahren bei Audi einen Supererfolg gehabt. Weil er das Unternehmen sehr teamorientiert geführt hat. Warum soll das bei VW jetzt anders werden? Ich gehe davon aus, dass Dr. Winterkorn mit den hervorragenden Leuten, die er von Audi zu Volkswagen mitbringt, bei uns einen ähnlichen Erfolg hat.

Wie lange bleibt Piëch noch Aufsichtratsvorsitzender?

Das entscheiden nicht wir, sondern die Kapitalseite. Wenn Dr. Piëch aber auf der Position bliebe, würde ich das begrüßen, denn Herr Dr. Piëch ist ein ausgewiesener Autofachmann, der langfristig denkt und nachhaltig arbeitet. Und im Gegensatz zu anderen Topmanagern war es nie sein Ziel, Standorte zu schließen und Tausende von Arbeitsplätzen abzubauen.

Ist die Marke VW inzwischen saniert?

Was die Produktivität anbelangt, haben wir noch einiges zu tun. Mit der Vereinheitlichung von Komponenten und Produktionsprozessen werden wir uns weiter verbessern. Unser Problem sind aber noch die Überkapazitäten in Europa.

Und die werden vor allem zu Lasten des Brüsseler Werks abgebaut.

Das stimmt nicht. Von den rund 100 000 Kolleginnen und Kollegen in den sechs westdeutschen Werken sind knapp 6000 mit einer Abfindung freiwillig ausgeschieden und insgesamt werden 14 000 in Altersteilzeit gehen. Allein im letzten Jahr waren es fast 2000 Kollegen.

Piëch führt gerade Gespräche, um die Fusion von Scania, MAN und den schweren Nutzfahrzeugen von VW zu organisieren. Sind Sie dafür?

Mit einer Größenordnung von insgesamt 160 000 Lkws können wir natürlich ganz anders auftreten als jeder für sich mit 45000 bis maximal 60 000 Lastwagen. Deshalb befürworte ich nach wie vor eine Allianz.

Wenn das VW-Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof fällt, bekommt der VW-Großaktionär Porsche und damit auch der Porsche-Miteigentümer Piëch noch mehr Einfluss auf VW. Was verändert sich dann für die Arbeitnehmer?

Wenn das Gesetz fallen sollte, wird sich für uns Arbeitnehmervertreter wenig ändern. Wir hatten vorher keine Mehrheit im Aufsichtsrat und werden auch künftig keine Mehrheit haben. Grundsätzlich ist mir die Firma Porsche als Hauptaktionär wesentlich lieber als irgendein Hedgefonds. Auch deshalb, weil die Porsche-Führung etwas von Autos versteht.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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