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Wirtschaft: Dr. Schröder and Mr. Hyde

Welches ist das wahre Gesicht des Gerhard Schröder? Während seiner ersten Amtszeit senkte er die Grenzsteuersätze und die Unternehmenssteuer, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Welches ist das wahre Gesicht des Gerhard Schröder? Während seiner ersten Amtszeit senkte er die Grenzsteuersätze und die Unternehmenssteuer, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch das Wachstum stellte sich nicht ein. Nach der knappen Wiederwahl im vergangenen Jahr kam die andere Hälfte seiner gespaltenen Persönlichkeit zum Vorschein, Schröder ging auf Gegenkurs: Einige der Kürzungen, die er zuvor verfochten hatte, wurden hinausgeschoben, gleichzeitig erhöhte er vorübergehend die Unternehmenssteuer, um seinen Haushalt zu stützen.

Neun Monate nach dem Steuererhöhungsrausch wurde Mr. Hyde nun verbannt, und Kanzler Schröder kürzt wieder: Die nächste Stufe der Steuerreform soll vorgezogen werden, um Deutschland aus der Flaute zu führen. Der Steuerindex würde dann etwa dasselbe Niveau erreichen wie in Spanien und Irland, zwei der Länder mit den niedrigsten Steuersätzen innerhalb der Eurozone. Doch so substanziell die vorgeschlagenen Steuersenkungen auch sind, sie werden nicht per se ein neues deutsches Wirtschaftswunder bewirken. Der deutsche Arbeitsmarkt ist im Laufe der Jahre zu starr und zu teuer geworden. Schröders Kürzungen berühren aber nur das letztere Problem, sie gehen nicht weit genug. Die gute Nachricht lautet, dass die Steuersenkungen und eine Sozial und Arbeitsmarktreform sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, tatsächlich verstärken sie sich wechselseitig. Dafür müsste Schröder sich den Gewerkschaften entgegenstellen, die der SPD naturgemäß nahe stehen. Und, man glaubt es kaum, selbst in dieser Hinsicht gibt es Gutes zu vermelden: Eine der größten deutschen Gewerkschaften ließ jetzt die Forderung nach einer kürzeren Wochenarbeitszeit im ehemaligen Osten Deutschlands fallen. Nach diesem Eingeständnis der Niederlage sind die Gewerkschaften auf dem Rückzug – eine Situation, die Schröder nutzen könnte, um Sozial- und Arbeitsmarktreformen voranzutreiben.

Damit das geschieht, wird der Reformer Schröder ein bisschen länger die Oberhand behalten müssen. Doch nach den bisherigen Erfahrungen weiß man nie, wann Mr. Hyde wieder zum Vorschein kommt. Zum Wohl des deutschen Steuerzahlers und der deutschen Wirtschaft hoffen wir, dass Schröder sein Alter ego bis auf weiteres im Zaum hält.

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