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Wirtschaft: Drache und Tiger

Wie Anleger vom Wachstum in China und Indien profitieren können.

Drache und Tiger, China und Indien – zwei völlig unterschiedliche Staaten mit jeweils mehr als einer Milliarde Menschen. Nach Meinung vieler Experten werden diese beiden Länder es sein, die sich im 21. Jahrhundert ein Kopf-an-KopfRennen um die wirtschaftliche Vormacht liefern. Doch nach Jahren des Mega- wachstums schwächeln nun beide. Die US-Bank Morgan Stanley glaubt, dass China nach zwei schwachen Quartalen 2012 nur noch um 7,4 Prozent wachsen werde. Was für europäische Ohren gewaltig klingt, wäre für China das schwächste Wachstum seit 22 Jahren. Auch Indien wächst seit vier Jahren langsamer.

Die Anleger meiden China seit 2007, Indien hatte ähnliche Probleme. Ablesbar ist dies an den führenden Aktien- Indizes: Der indische Nifty 50 notiert mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau wie vor fünf Jahren. Die großen chinesischen Indizes sind seit 2007 sogar massiv eingebrochen. So lag der CSI 300, der die 300 größten Werte der Börsen Shanghai und Shenzhen abbildet, vor fünf Jahren bei etwa 5800 Punkten. Aktuell sind es 2300 Zähler. Viele Anleger fragen sich: Ist nun ein günstiger Zeitpunkt zum Einstieg?

Die Experten sind sich uneinig. China könne nach den USA und Europa ein drittes Krisenzentrum werden, eine Immobilienblase und soziale Unruhen könnten bevorstehen, befürchten manche. So glaubt der China-Kenner und Schweizer Fondsmanager Marc Faber, dass sich Chinas Wirtschaft in Wahrheit viel stärker abgeschwächt habe als von der Regierung zugegeben. Das Wachstum liege nur noch bei vier oder fünf Prozent – oder noch tiefer. Von Käufen chinesischer Aktien rät Faber ab, solange Peking die Konjunktur nicht ankurbelt. Erwartet wird dies spätestens zum Machtwechsel im November, wenn Staats- und Parteichef Hu Jintao von Xi Jinping ersetzt wird.

Indien wiederum leidet an hoher Verschuldung, chaotischen Strukturen und vielfach fehlender Infrastruktur. Zudem nagt der jüngste Verfall der Rupie an ausländischen Investitionen. Allerdings: Beide Länder stehen an wichtigen Schwellen. So steht China vor dem Wandel von einer Volkswirtschaft, die von Massenproduktion, gigantischen Infrastruktur- investitionen und vom Export lebt, hin zu einem hochentwickelten Land, das auf Innovation, Kreativität und eine höhere Binnennachfrage bauen will. Ob ein solcher Strukturwandel in einem autoritären, planwirtschaftlichen Einparteienstaat möglich ist, bezweifeln viele.

Indien ist hier als Demokratie weiter. Dort sprießen die Ideen; Querdenker und kreative Kleinunternehmer sind in Hülle und Fülle vorhanden, industrielle Strukturen weniger. Während China in Folge einer Ein-Kind-Politik überaltert, was letztlich zu höheren Löhnen führen wird, wachsen in Indien hunderte Millionen junger Konsumenten nach. Der Subkontinent steht an der Schwelle vom Emerging Market zum Industrieland, muss Investoren jedoch mehr politische und wirtschaftliche Verlässlichkeit bieten, seine Infrastruktur aus- und die hohe Rate an Analphabeten abbauen. China wiederum verfügt über Menschen, Land, Rohstoffe, Massenproduktion und Geld im Überfluss, doch es fehlen demokratische Strukturen und kreative Köpfe. Während Indien nach Kapital hungert, begrenzt China den Geldstrom aus dem Ausland und schottet sich damit gegen zu viel Einfluss ab.

So können zum Beispiel Privatanleger keine A-Aktien, sondern nur in Dollar notierte B-Aktien oder H-Aktien der Börse Hong Kong kaufen. Normale Papiere festlandchinesischer Unternehmen sind Inländern und institutionellen Investoren vorbehalten, deren Investitionsvolumen jedoch auch gedeckelt ist. Wer in China anlegen möchte, ist also auf Einzelaktien in Hong Kong oder auf Fonds bzw. Exchange Traded Funds (ETF, passive Indexpapiere) beschränkt. Während ETF in den meisten hochentwickelten Märkten erfolgreicher arbeiten, liegen in restriktiven Märkten oft aktiv gemanagte Fonds vorne.

So schaffte der „Lyxor ETF China Enterprise“ seit Herbst 2009 praktisch kein Plus, während mehr als der Hälfte aller aktiv gemanagten China- Fonds für diesen Zeitraum eine positive Wertentwicklung gelang. An der Spitze positioniert sich in diesem Zeitraum der „GAM Star China Equity“ mit plus zehn Prozent pro Jahr, der auch in Zukunft vor allem auf Titel im Finanz- und Konsumsektor setzen will – auf Werte also, die von einer aufstrebenden Mittelschicht profitieren. Fidelity hat sogar einen eigenen „China Consumer Fund“ aufgelegt, der in nicht staatliche Unternehmen aus der Konsumbranche anlegt.

Einer der wenigen deutschen Fonds ganz vorne in den Ranglisten ist der „China Equity Fund“ von Allianz Global Investors. Wer den Fonds seit seiner Auflage im Jahr 1999 hält, erzielte bis heute ein jährliches Plus von zwölf Prozent. Langer Atem zahlte sich also aus, trotz des heftigen Abwärtsrutsches seit 2007. Wer jedoch erst seit fünf Jahren dabei ist, hat etwa 18 Prozent verloren. Fondsmanagerin Cristina Chung bleibt dennoch langfristig optimistisch. Vor allem sei die Bewertung chinesischer Aktien attraktiv. Dennoch glaubt die Fondsmanagerin, dass sich der Aktienmarkt solange seitwärts bewegen könnte, „bis sich Hinweise ergeben, dass die chinesische Konjunktur die Talsohle erreicht hat“.

Kurzfristig scheinen Schnäppchenjäger aufzutauchen, der Markt konnte zuletzt leicht zulegen. Die China-Fonds von Henderson, Standard Life, Schroders oder Pioneer etwa bewiesen ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Titel und kommen 2012 auf eine Wertentwicklung zwischen neun und elf Prozent, allerdings in Dollar. Anleger spekulieren also darauf, dass Peking bald eingreift, um die Konjunktur zu stützen.

Auch Mark Möbius, Fondsmanager bei Franklin Templeton, ist rundweg optimistisch: Die Frage sei nicht, ob China eine harte oder eine weiche Landung bevorstehe, stellt der Asienkenner fest. China stehe vor gar keiner Landung, sondern werde vielmehr weiterfliegen.

Dennoch scheint das Vertrauen der Anleger in indische Aktien kurzfristig größer. Der Index BSE Sensex schloss gerade auf dem höchsten Stand seit Sommer 2011. Vor allem ausländische Fonds sollen ihr Engagement wieder massiv hochgefahren haben. Allein im September seien bis zu 3,6 Milliarden Dollar neu investiert worden, hieß es. Der Hintergrund: Die Regierung kündigte Mitte September eine Reihe konkreter Maßnahmen an, die die Wirtschaft ankurbeln und internationales Kapital anlocken sollen.

Experten gehen davon aus, dass auch weiter frisches Geld in den Subkontinent fließt und setzen vor allem auf eine rasch wachsende Mittelschicht hochgebildeter junger Inder, die kräftig konsumieren.

Generell gilt: Aktieninvestments in China und Indien, sagen Fondsmanager unisono, eignen sich nur für mutige und sehr langfristig orientierte Anleger und auch nur für einen Bruchteil des Depots.

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