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Wirtschaft: Drei, zwei, eins – keins

Die Beschwerden über Ebay häufen sich. Das Onlineauktionshaus reagiere nicht schnell genug auf Betrüger, kritisieren Kunden

Berlin - Das Angebot war verlockend: eine ganze Palette Kopierpapier, beste Qualität, nur 419 Euro. Beim Internetauktionshaus Ebay stieß der Verlagsunternehmer Lutz T. auf die günstige Offerte. Er schlug zu – und glaubte, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Zweifel an der Seriosität des Verkäufers kamen ihm nicht, denn dessen Kundenbewertungen – bei Ebay so etwas wie die gemeinschaftlich erstellte Bonitätsprüfung – waren zu annähernd 99 Prozent positiv.

Seit gut zwei Monaten wartet Lutz T. jetzt auf sein Kopierpapier. Bezahlt hatte er die Ware schon am Tag des Verkaufs per Banküberweisung, nachdem der Anbieter ihn per E-Mail dazu aufgefordert hatte. Als T. nach einer Woche noch keine Lieferung erhalten hatte, hakte er beim Verkäufer nach – und wurde vage auf „Anfang nächster Woche“ vertröstet. Misstrauisch geworden sah T. sich die Kundenbewertungen des Verkäufers genauer an. Und musste feststellen, dass sich in dessen Profil inzwischen die Negativmeldungen häuften: „Ware nicht erhalten“, „Nichts kaufen!“, „Betrüger!“, lauteten die Warnungen enttäuschter Kunden. Obwohl der Verkäufer innerhalb kürzester Zeit Dutzende von Negativkommentaren kassiert hatte, war sein Bewertungsschnitt immer noch zu 98,6 Prozent positiv – er verkaufte weiter palettenweise Kopierpapier und andere Büroartikel.

Wie Lutz T. ergeht es vielen anderen auch. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundesinnenministeriums registrierte 2006 „erneut einen starken Anstieg beim Waren- und Warenkreditbetrug“ um fast neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Erklärt wird dies „zu einem Großteil mit der vermehrten Nutzung des Internets“, das „vor allem im Zusammenhang mit Onlineauktionen beziehungsweise Onlineshops eine große Angriffsfläche für Betrügereien bietet“.

Als Lutz T. nach einem Monat immer noch keine Ware erhalten hatte, wandte er sich zum ersten Mal direkt an Ebay. Er forderte das Unternehmen auf, den Anbieter sperren zu lassen, um weitere Kunden vor Betrügereien zu schützen. Letztlich geschah das auch – aber erst gut zwei Wochen, nachdem T. zum ersten Mal auf das Problem aufmerksam gemacht hatte. „Ebay hat viel zu spät reagiert“, findet T.

Bei Ebay ist man anderer Meinung. „Das Bild war nicht eindeutig, da auch immer wieder positive Bewertungen für den Verkäufer abgegeben wurden“, sagt Unternehmenssprecherin Maike Fuest. Man verfüge bei Ebay zwar über ein automatisiertes Frühwarnsystem, das bei gehäuften Negativbewertungen Alarm schlage. „Aber bevor wir jemanden sperren, müssen wir den Fall schon sehr genau prüfen. Viele Verkäufer verdienen ihren Lebensunterhalt bei Ebay, für die kann eine unberechtigte Sperrung existenzbedrohend sein“, sagt Fuest. Hinzu komme, dass ein Großteil vermeintlicher Betrugsfälle sich im Nachhinein als Missverständnis herausstelle. Der Anteil tatsächlicher Problemfälle liege bei „weit unter einem Prozent aller Transaktionen“. In diesen Fällen tue Ebay alles, um betrogenen Kunden zu helfen: durch eine teilweise Rückerstattung des Kaufpreises, aber auch durch Kooperation mit der Polizei, falls es zu einer Anzeige komme. Immerhin räumt Fuest ein, man werde „nie hundertprozentig ausschließen können, dass jemand es schafft, Ebay zu missbrauchen – das System wird schließlich von Menschen bedient“.

Verbraucherschützer wie Patrick von Braunmühl vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) betrachten den intensivierten Onlinehandel seit langem mit Skepsis: „Wir erhalten in zunehmendem Maße Beschwerden über Unregelmäßigkeiten.“ Gerade im Bereich Onlinebanking investierten deutsche Unternehmen nicht immer in die sicherste Technik, um ihre Kunden optimal vor Betrug zu schützen. „In Dänemark und Holland ist man da viel weiter“, sagt von Braunmühl. Aber auch bei Ebay gebe es „eine ganze Reihe von Tricks, um das Bewertungssystem zu unterlaufen“. Etwa, indem sich Freunde gute Bewertungen zuschusterten oder ein Verkäufer erst massenhaft Billigtransaktionen durchführe, um ein gutes Gesamtergebnis zu erzielen. Die Frage sei, so von Braunmühl, ob Ebay in solchen Missbrauchsfällen schnell genug reagiere. „Unsere Einschätzung ist, dass das nicht immer der Fall ist. Wir appellieren an Ebay, sich stärker für das verantwortlich zu fühlen, was auf dieser Plattform geschieht.“

Lutz T. jedenfalls will vorerst nicht mehr bei Ebay einkaufen. Gegen den Verkäufer, der inzwischen weder auf Telefonanrufe noch auf E-Mails reagiert, hat er Anzeige erstattet – wie auch einige andere Kunden. Die Kriminalpolizei in Schleswig, von wo aus der Anbieter seine Geschäfte betrieb, bestätigt, man ermittle aufgrund mehrerer Anzeigen wegen Betrugs. „Wie, das ist der Zeitung eine Meldung wert?“, fragt der Polizeibeamte lachend. „Gegen Ebay-Verkäufer wird hier alle naselang Anzeige erstattet.“ Jens Mühling

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